Wer in Syrien jemanden anrempelt, drückt sein Bedauern mit einem knappen: „Afwan!“ aus. „In Deutschland gibt es dafür ein schrecklich langes Wort“, lacht Eman Hay Hasan: „Ent-schul-di-gung.“ Das muss man üben. Wobei die 32-Jährige aus Syrien ohnehin viel übt, damit sie die schwere deutsche Sprache bald beherrscht. Soeben entdeckte sie in der Stadtbücherei eine neue, tolle Übungsmöglichkeit: Das „Sprachlabor“ im dritten Stockwerk der Bildungseinrichtung am Marktplatz.
Zehn Flüchtlinge aus dem von Klaus Honsel geleiteten Sprachkurs der Kolping-Akademie lernten die vielfältigen Angebote der Stadtbücherei für Flüchtlinge kennen. Neben Wörterbüchern gibt es Zeitschriften in leichter Sprache sowie Lernspiele. Ganz neue Möglichkeiten bietet das Sprachlabor. Hier können Geflüchtete in ihrem Tempo alleine, zu zweit oder mit ehrenamtlichen Begleitern das üben, worin sie noch nicht so ganz sattelfest sind.
Eman Hay Hasan probierte als erstes ein Programm zum Buchstabieren aus. Zu jedem Buchstaben präsentierte ihr der Computer einen typischen deutschen Begriff: Zum „A“ den „Apfel“, zum „M“ das Wort „Mathematik“. Das ist alles recht einfach, deshalb ging Hay Hasan rasch dazu über, Schwierigeres zu trainieren. Vor dem PC begab sie sich virtuell in ein Restaurant, wo man Leckereien bestellen konnte. „Ich hätte gern...“ stand auf dem Bildschirm zu lesen. Gleichzeitig lauschte Hay Hasan über die Kopfhörer, wie sich diese Phrase ausgesprochen anhört. „Hätte“, versteht sie, ist eine grammatikalische Form des Verbs „haben“.
Deutsch zu lernen, ist ziemlich schwer, gibt die Syrerin zu. Nicht nur wegen der vielen langen Wörter. Zu schaffen macht der jungen Frau auch die Grammatik: „Man muss lernen, wann man den Dativ und wann man den Akkusativ verwendet.“ Jemand geht beispielsweise in „das“ Restaurant, um plötzlich in „dem“ Restaurant zu sitzen. Überhaupt – die Artikel. Mit keinem Trick kann man sich einprägen, welches Wort „der“, welches „die“ und welches „das“ ist.
Jeder Artikel muss mitgelernt werden: „Das Restaurant“, „die Speisekarte“, „der Tisch“...
Das Sprachlabor und die Stadtbücherei kennengelernt zu haben, ist für Eman Hay Hasan sehr wertvoll. Hierher wird sie sich in Zukunft sicher häufiger zum Lernen zurückziehen. Zu Hause ist es kaum möglich, Vokabeln zu pauken. Denn dort ist immer Trubel angesagt.
Hay Hasan wohnt mit ihrem Mann, drei Töchtern und ihrem Bruder in zwei Zimmern: „Wir haben insgesamt 45 Quadratmeter.“ Die Enge belastet die Familie. Deshalb sucht Hay Hasan seit Wochen nach einer größeren Wohnung. Dass sie noch nicht gut genug Deutsch spricht, steht ihr im Weg. Hilfe erhält sie von ehrenamtlichen Mitarbeitern der Zellerauer Initiative „Lighthouse“.
Begeistert vom Sprachlabor war auch der kurdische Syrer Sndy Rajab, der mit seinem Landsmann Mowafak Al Kawy einige der installierten Deutschkurse testete. Der 29-Jährige kam vor einem Jahr nach Deutschland. Zunächst wohnte er in Stuttgart, seit drei Monaten lebt er mit seiner Frau in Würzburg. Inzwischen kann er sich schon gut auf Deutsch verständigen. Sein großes Problem: „Wir kennen kaum Deutsche, mit denen wir außerhalb unseres Sprachkurses sprechen könnten.“
Damit steht Sndy Rajab nicht alleine, sagt Honsel. Viele Flüchtlinge bemängeln, das es im Alltag kaum Kontakte gibt. Auch hier versucht die Stadtbücherei zu helfen. „Wir vermitteln zum Beispiel Sprachtandems“, erklärte Isabel Beil den Flüchtlingen. Dies geschieht über kleine Steckbriefe, die gegenüber der Information im Erdgeschoss der Bibliothek an einer Pinnwand befestigt sind. Wer zum Beispiel Interesse hat, hin und wieder Farsi zu sprechen und im Gegenzug beim Deutschlernen helfen will, kann einen Steckbrief ausfüllen.
Das Büchereiteam lädt Flüchtlinge aber auch ausdrücklich ein, das Lesecafé zu nutzen und mit anderen Besuchern der Bibliothek in Kontakt zu kommen. Außerdem soll ein kleines Ehrenamtsteam rund ums Sprachlabor aufgebaut werden. Eine Studentin hat sich als erste Freiwillige bereit erklärt, jeden Mittwoch von 15 bis 18 Uhr im Sprachlabor als Unterstützerin zur Verfügung zu stehen.
Weitere Interessierte können sich per E-Mail bei Irene Ochsenhirt von der Würzburger Stadtbücherei melden: Irene.Ochsenhirt@stadt.wuerzburg.de