"Porajmos" - "das Verschlingen" - nennen die Sinti und Roma den nationalsozialistischen Völkermord an den als "Zigeuner" Geschmähten. Die Zahl der Opfer ist ungeklärt, unstrittig ist, dass sie sechsstellig ist. Der Zentralrat spricht von einer halben Million Ermordeten. In die Geschichte eingegangen ist der 2. August 1944, an dem die SS im sogenannten "Zigeuner-Sonderlager" des KZ Auschwitz-Birkenau 2897 Sinti und Roma vergaste und am Morgen danach erschlug und erschoss, wer sich vor dem Massaker im Lager verborgen hatte.
Der 2. August ist der Internationale Gedenktag der Sinti und Roma. An diesem Tag legt Würzburgs Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake die Bürgermeister-Kette um, was sie, sagt sie, nur zu besonderen, wichtigen Anlässen tut, und erinnert am Sinti-Denkmal am Paradeplatz an das Morden. Weit verbreitete Vorurteile und Ressentiments hätten den Boden dafür bereitet, sagte sie in einer kleinen Gedenkfeier vor gut zwei Dutzend Zuhörern.
Silvana Schneeberger, Vorstandsmitglied im bayerischen Landesverbands des Verbands Deutscher Sinti und Roma berichtete vor dem Denkmal über einen Neonazi-Aufmarsch am 30. Juni in Nürnberg, an dem etwa 250 Rechtsextremisten unter anderem die Freilassung von verurteilten Holocaustleugnern forderten. Eine "beispiellose Hetze gegen unsere jüdischen Mitbürger" sei das gewesen, Hitlergruß inklusive, vor den Augen der Polizei, "die unbegreiflicherweise nicht eingriff".
Bis vor kurzem, so Schneeberger, habe sie sich nicht vorstellen können, "dass Derartiges auf den Straßen und Plätzen unseres Landes passieren könnte". Das "Wiederaufleben des Antisemitismus ebenso wie des Antiziganismus" müsse alle Demokraten alarmieren. Sie erklärte die Solidarität der Sinti und Roma mit den Juden.
30 Würzburger Sinti sind namentlich bekannt, die ins KZ verschleppt wurden. Laut Schneeberger überlebten vier. Viele Würzburger, erinnerte Schäfer-Blake, seien Täter gewesen. Sie hätten ausgegrenzt, denunziert, weggesehen und mitgemacht bei Verfolgung und Vernichtung. Trauer und Scham empfinde sie beim Gedanken an das, "was damals auch in unserer Stadt geschehen ist".
Sie meinte, die Verbrechen der Nationalsozialisten und ihrer Mitläufer zeigten, "wie wichtig es ist, immer wieder daran zu erinnern, zu welchen Verbrechen rassistische Vorurteile in unserem Land schon einmal geführt haben". Sie rief auf, "diskriminierenden und menschenverachtenden Äußerungen entschieden zu widersprechen". Auf der "schiefen Bahn der Unmenschlichkeit" führe "nur ein kleiner Schritt" vom Wort zur Tat.
Anfang Juli wollte die AfD von der sächsischen Landesregierung erfragen, wie viele "deutsche und ausländische Sinti und Roma" in Sachsen lebten, in welchem Maß sie die Schulpflicht einhielten, erwerbs- oder wohnungslos seien. Der Zentralrat deutscher Sinti und Roma erkannte in der Anfrage "einen rassistischen Kern" und berichtete, "in den Familien, deren Angehörige während des Nationalsozialismus ermordet wurden", habe die AfD "Angst vor erneuter Sondererfassung hervorgerufen".
Die sächsische Landesregierung hat die AfD-Anfrage zurückgewiesen. Das Grundgesetz verbiete das Erheben ethnischer Daten.