Das Gedenkprogramm zum 75. Jahrestag der Zerstörung Würzburgs durch den Bombenangriff der Alliierten vom 16. März 1945 besteht aus fast 20 Veranstaltungen. Die erste dauert vier Wochen und hat bereits begonnen: Die Geschichtswerkstatt zeigt im Rathaus die Ausstellung "Chronologie der Zerstörung" mit teilweise bisher unveröffentlichten Bildern aus den Jahren 1942 bis 1945.
Wenn Helmut Försch von den Ereignissen des 16. März 1945, den Ursachen und den Folgen berichtet, weiß er, wovon er spricht: Der Sprecher der Geschichtswerkstatt ist 1928 geboren und hat als Zeitzeuge all das hautnah miterlebt, was er und seine Mitstreiter seit 1999 jedes Jahr wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken.
Emotionales Plädoyer gegen das Vergessen
Bei der Eröffnung der Ausstellung hielt der 91-Jährige ein emotionales Plädoyer gegen das Vergessen. "Die Menschheit hat nichts daraus gelernt. Nichts!", betonte Försch: "Es werden heute dieselben Fehler begangen und dieselben Methoden angewendet wie damals." Mit damals meint er die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933: "Dadurch wurde das Unrecht manifest, und bürgerliche Parteien haben zugestimmt." Daran fühlt sich Försch erinnert, wenn er an das Erstarken völkischer Parteien und die Wahl des noch amtierenden Thüringer FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich mit den Stimmen der rechtspopulistischen AfD denkt.
Wozu das im schlimmsten Fall führen kann, sehen die Besucher der Ausstellung als erstes auf einem Luftbild der zu mehr als 90 Prozent zerstörten Innenstadt. Am Abend des 16. März 1945 fielen die Luftminen und Brandbomben gut 20 Minuten lang, etwa 4000 Menschen kamen ums Leben, tausende mussten flüchten. Es war der größte und verheerendste einer Reihe von Luftangriffen auf Würzburg, deren Auswirkungen die Fotoschau mit historischen Aufnahmen und erläuternden Texten deutlich macht.
Dem 16. März gingen fast ein Dutzend kleinerer Angriffe voraus – der erste am 21. Februar 1942, als vier kleinere Bomben in der Nähe des Südbahnhofs niedergingen. Bevor die US-Armee Würzburg dann in den ersten Apriltagen 1945 unter Kontrolle brachte, fielen die letzten Bomben Ende März auf die Zellerau, das Gaswerk und Unterdürrbach.
Blick in die Vergangenheit
"Die Geschichtswerkstatt schenkt uns einen Blick in die Vergangenheit. Die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges wird uns vor Augen geführt", sagte Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Es sei wichtig, die Erinnerung an die Folgen von Nationalismus und Rassenwahn wach zu halten – gerade in einer Zeit, in der rechtspopulistische Kräfte immer stärker werden, die auf Abschottung und Ausgrenzung setzen: "Das sind die Anfänge, wie sie die deutsche Bevölkerung 1933 auch erlebt hat. Wir müssen es als Mahnung verstehen und unsere Lehren daraus ziehen", betonte Schuchardt. Der OB bedankte sich bei der ehrenamtlich tätigen Geschichtswerkstatt für den großen Einsatz und eine "wichtige und bedeutungsvolle Ergänzung unserer Erinnerungskultur."
Als Begleitmaterial zur Ausstellung sind ein 100-seitiges Heft mit allen Bildern und ausführlichen Zeitzeugenberichten sowie eine DVD erschienen. In einer weiteren 52-seitigen Publikation schildert Helmut Försch seine persönlichen Erinnerungen an Würzburg in den Jahren 1945 bis 1950.
Die Ausstellung ist bis einschließlich 27. März zu den üblichen Rathaus-Öffnungszeiten zu sehen, jeweils von Montag bis Donnerstag sind Mitglieder der Geschichtswerkstatt vor Ort.