Die Daoisten indes lehnen strebsames Engagement ebenso ab wie die Leidenschaft. Sie lassen nichts Bleibendes gelten, denn alles sei vergänglich und relativ. Der daoistische Weise will sich nicht selbst finden, verwirklichen wie heute viele Deutsche, sondern will völlig leer werden, das eigene Ich aufgeben, um mit dem Dao eins zu werden, mit dem göttlichen Weltprinzip.
Vom christlichen Standpunkt muss ich beide Lehren zurückweisen: Wir vertrauen auf einen persönlichen, uns liebenden Gott, der die Zügel in Händen hält, nicht auf ein nebulöses göttliches Prinzip. Wenn die Daoisten jede Leidenschaft, jedes Streben vermeiden, dann lähmen sie das menschliche Verantwortungsgefühl, machen das leben fade, denn für Ausgelassenheit ist bei ihnen ebenso wenig Platz wie für die ehrliche Empörung über das Unrecht.
Der Konfuzianismus begünstigt andererseits das Festhalten an verstaubten Ritualen, diktatorische Verhältnisse in Familie und Gesellschaft, was ebenso unchristlich ist wie die antiautoritäre Erziehung der jüngeren westeuropäischen Vergangenheit, die nur zu Egoismus und Selbstüberschätzung führt.
Vielleicht nehmen deshalb Mobbing und Depression unter uns so massiv zu, weil der „westliche“ Mensch sich heute zu wichtig nimmt. Jeder Mensch, vor allem der Christ, soll das Gute tun, sich für Frieden und Ausgleich einsetzen, den Schwachen und Benachteiligten beistehen, soll die Eltern ehren. Jeder aber darf auch nach dem eigenen Glück streben, soll seinen eigenen Weg gehen, auch seine Grenzen bedenken.
Ich kann und muss nicht das Himmelreich auf Erden schaffen. Das wird Christus bei seiner Wiederkehr tun. Die Gewissheit, dass er dies tun wird, schenkt uns Christen die Kraft, unseren Auftrag gegen alle inneren und äußeren Widerstände immer neu anzupacken.