"Die Menschen, die ab 1938 offenen Terror erleben mussten und deren schwerster Weg in die Konzentrationslager bevorstand, waren keine bloßen Zahlen. Sie waren Mitmenschen wie wir aus Fleisch und Blut voll Lebensfreude und Lebensangst. Sie hatten einen anderen Glauben. Aber sie waren nicht anders als wir."
Mit diesen Worten rief Organisatorin Gertraud Renner während der Gedenkstunde in der Synagoge die 29 aus Gaukönigshofen stammenden und von den Nationalsozialisten (NS) ermordeten jüdischen Mitbürger in die Erinnerung zurück.
Während in der sogenannten Reichspogromnacht am 9. November 1938, bundesweit jüdische Menschen verfolgt und deren Eigentum zerstört und geplündert wurde, schlugen die SA- und SS-Männer sowie örtliche Helfershelfer in Gaukönigshofen einen Tag später zu.
Auf den Tag genau vor 86 Jahren, am 10. November 1938, wurden neben jüdischen Anwesen im Ort auch die Synagoge demoliert und geplündert.
Antisemitismus heute "schon fast salonfähig geworden"
Zu den Besuchern, die in der bewegenden Veranstaltung die Namen der ermordeten kleinen Kindern, Frauen und Männern verlasen, zählte auch Bürgermeister Johannes Menth. Nach seinen Worten heißt es gegen die Judenfeindlichkeit, die in diesen Zeiten, wie er sagte "schon fast salonfähig geworden ist" aufzustehen und Flagge zu zeigen.
Landrat Thomas Eberth, der zu bedenken gab, dass das, was vor 86 Jahren passiert ist, wiederzukehren scheint, dankte den Ehrenamtlichen, die in Gaukönigshofen in der jüdischen Kreisgedenkstätte die Erinnerungskultur wachhalten und pflegen.
Eine anrührende Stimmung gaben der Gedenkstunde die jüdischen Weisen, die beginnend mit dem Begrüßungs- und Friedensgruß "Shalom" von den Mitgliedern der Musikkapelle Harald Eck, Doris Sollner, Barbara Haaf, Berhard Nagl, Christine Schwab und Esther Pfeuffer intoniert wurden.
"Wir denken heute an Ereignisse, von den wir geglaubt haben, sie waren in der Vergangenheit passiert" führte Gertraud Renner aus. Nach ihren Worten stimme das nicht und hat vielleicht nie gestimmt.
Sie sprach die mit Entsetzen zu sehende breite Allianz von Judenfeindlichkeit und von Gleichgültigkeit an und appellierte an die Zuhörenden, dass das Hinsehen eine demokratische Verpflichtung sei.
Wie erschreckend die Zahlen der Gewaltbereitschaft gegen Mitmenschen jüdischen Glaubens sind, das bekamen die Zuhörenden von Jens Renner verdeutlicht. Demnach seien die antisemitischen Angriffe, die sich in den vergangenen 20 Jahren auf jährlich etwa 2000 beliefen, im Jahre 2023 auf über 5000 angestiegen.
Nach dem jüdischen Gebet, dem "Kaddisch", standen in der Synagoge bunte Rosen bereit, die nach der Gedenkstunde abgelegt auf den Stolpersteinen, noch einige Tage an die früheren jüdischen Mitbürger erinnern.