Nach seinen mehrteiligen Vorträgen, in denen Pfarrer Klaus König zum Auftakt des Kirchweihumzuges den Ritus der Kirchweihe im Barock erläuterte, beschäftigte er sich in diesem Jahr mit einem nach seinen Worten "gescheiten Thema". Dabei handelte es sich um die Entzifferung der Inschrift über dem Eingang der Gaukönigshöfer Kirche.
Bei dieser Inschrift in Gedichtform haben es die Zuhörenden, wie sie von dem Geistlichen erfuhren, mit einem Chronogramm zu tun. Das Wort setze sich zusammen gesetzt aus den griechischen Wörtern Chronos für die Zeit und dem Wort graphein für schreiben. Chronogramm wäre also eine geschriebene Zeit. Diese Kunstform, so der Geistliche, zähle zu dem Höchsten, was an Ausdrucksform möglich ist.
Es handelt sich einerseits um eine lateinische Dichtung, die aber andererseits so konstruiert ist, dass sie nicht nur Form und Inhalt, sondern auch eine Zeitangabe enthält. Als "beinahe schon abenteuerlich" bezeichnete Klaus König das Chronogramm über dem Eingang der Kirche, die im Doppelpatronat St. Jakobus dem Älteren und den Heiligen Schutzengeln geweiht ist.
Höchste Form sprachlicher Virtuosität
Die Dichtung, die er verlas, ist eine Versform in der Kombination von Hexameter mit sechs Silben in Hebung und Senkung und Pentameter mit fünf Silben in Hebung und Senkung, die ein Disticha, besser bekannt als "Zweizeiler" ergeben. Die Form einer solchen Dichtung ist inspiriert aus zwei klassischen Werken. Das eine ist die Ilias von Homer aus der Griechischen Antike und das andere ist die Anäis von Vergil aus der Lateinischen Klassik. Beide Werke verkörpern, so König, die höchste Form sprachlicher Virtuosität.
Der erste Zweizeiler bedeute "Diese heiligen Hallen wurden erbaut, dir zu Ehren, reinste Gottesgebärerin, und dir zu Ehren, Heiliger Jakobus." Damit es aber nicht zu einfach wird, enthält dieses Distichon eine Botschaft: Es ist die Jahreszahl 1725, die sich aus den 22 hervorgehobenen Buchstaben ergibt.
Von Engeln war nicht die Rede
Das zweite Distichon war schwieriger. Weil sich der Folge von Hebung und Senkung in der Anzahl der Silben alles unterzuordnen hat, müssen die Wörter oft über Zeilen hinweg regelrecht zusammengesucht werden. Das war für den Geistlichen "ein gewaltiger Spaß". Er übersetzt die Inschrift mit den Worten "In dem Jahr, in dem die schenkende Mutter Erde neuerdings das Haupt des Vorstehers Hutten mit der Mitra bedeckte".
Wie er erklärt, gibt der erste Zweizeiler das Patrozinium an. Dabei fiel ihm auf, dass von Engeln noch nicht die Rede ist. Vielmehr werde das Vorgänger-Kirchen-Patrozinium angenommen. Erst 1728 mit der Bekrönung der Fassade durch den Erzengel Rafael scheine es zur Entscheidung für einen Patronatswechsel gekommen sein.
Das zweite Distichon nehme Bezug auf den Fürstbischof Christoph Franz von Hutten, Fürstbischof von Würzburg und Herzog von Ostfranken. Nach dem Tod von Johann Philipp Franz von Schönborn, der in der Nähe des heutigen Büttharder Ortsteils Oesfeld starb, wurde er im Herbst 1724 zum Bischof von Würzburg erwählt und stellte den von seinem Vorgänger begonnenen Bau der Würzburger Residenz ein.
Fliegender Wechsel der Bautrupps
Damit waren die Tiroler Bautrupps plötzlich ohne Arbeit. Das nutzten die Prämonstratenser in Gaukönigshofen und stellen den Bautrupp Kolb an, um das Bauwerk hier nach bereits vorliegenden Plänen hochzuziehen. Nach fünf Jahren starb auch Christoph Franz von Hutten, der Rohbau in Gaukönigshofen war beendet.
Daraufhin wurde Friedrich Carl von Schönborn gewählt, und alles rückte wieder in Würzburg ein, um den Bau der Residenz fortzuführen. Das Gaukönigshöfer Gotteshaus, das wegen seiner Größe und Ausstattung auch "Dom vom Gau" genannt, wurde im Jahre 1730 eingeweiht.