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Gastbeitrag: Leonhard Frank und der Film
Michael Henke
 |  aktualisiert: 26.04.2023 21:35 Uhr

Als Leonhard Frank und seine Räuberbande noch Verwünschungen auf ihre Heimatstadt Würzburg aussprachen und feurige Pläne hegten, begann andernorts der Siegeszug des Films.

Binnen eineinhalb Jahrzehnten wurde aus einer Jahrmarktssensation ein Massenmedium. Anders gesagt: Frank und seine Generation wuchsen so mit dem Film auf wie heutige Generationen mit dem I-Phone.

Inwiefern der Film Motivation für Franks Schreiben war, wissen wir nicht, da darüber keine Aufzeichnungen vorliegen. Jedenfalls fällt beim Lesen seiner Werke immer wieder auf, dass er mit wenigen Worten, oft mit einfachen Sätzen, ein Panorama entstehen lässt, wie es sonst nur der Film vermag. Es gab in literarischen Kreisen schon vor dem Ersten Weltkrieg eine Diskussion über „die Films“, wie man damals noch sagte, mancher wünschte sich regelrecht, das Kino nach eigenen Vorstellungen nutzen zu können. Für die literarische Praxis hatte das aber keine Konsequenzen. Man orientierte sich weiter an den literarischen Konventionen der Beschreibung, selbst wenn man – wie die expressionistische Generation – alles auf den Kopf stellen wollte. Vielleicht aber flossen Frank, dem Autodidakten, der solche Konventionen nie gelernt hatte, gerade deshalb filmähnliche Bilder in die Feder, wohl manches Mal auch ohne, dass er sich dessen bewusst war.

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Allerdings setzte sich Frank, anders als manche seiner Kollegen, schon ab Mitte der 1920er Jahre bewusst mit den Möglichkeiten des Films auseinander. Als er 1926 für die Fox-Europa Filmproduktion ein Filmskript zu seinem Erstlingsroman „Die Räuberbande“ erstellte, war das eine Sensation: es war das erste Mal, dass ein deutscher Schriftsteller direkt für ein Filmprojekt tätig wurde. Sachlich kam Zuspruch von allen Seiten, die Filmgesellschaft hatte bereits einen renommierten Regisseur gefunden, da scheiterte das Ganze am Geld. Die Filmgesellschaft musste fusionieren und das neue Unternehmen verschob das Projekt. Der renommierte Regisseur war übrigens Karl Freund, der nur wenig später mit Walter Ruttmann „Berlin – Sinfonie einer Großstadt“ realisierte – ein immer wieder sehenswerter Meilenstein der Filmgeschichte.

Gestorben war die „Räuberbande“ nicht: Zur gleichen Zeit, als Frank mit der UFA wegen der filmischen Realisierung von „Karl und Anna“ in Streit geriet, arbeitete er für die kleine, zu Fox gehörende Produktionsfirma Fellner & Samio, die unter dem Namen Felsom-Film agierte. Aber man arbeitete hier nicht nach Franks Skript von 1926, Frank assistierte lediglich beim Drehbuch. In der Regie von Hans Behrendt wurde gedreht, viele Sequenzen in Würzburg selbst, und mit Paul Hörbiger war auch ein namhafter Darsteller für den Lehrer Mager gefunden. Das Resultat hatte am 13.11.1928 am Kurfürstendamm Premiere, den Kritiken zufolge ist jedoch wenig von der kritischen Essenz des Romans übrig geblieben. Wir können das nicht beurteilen, denn bislang gilt der Film als verschollen.

Auch die UFA richtete sich bei „Heimkehr“ wenig nach Frank. Man übernahm zwar seine Ausgangskonstellation aus „Karl und Anna“, entwertete die Frauenfigur aber massiv und verdrehte am Ende die Intention der Novelle ins Reaktionäre. Frank war darüber so erbost, dass er jeglichen Hinweis auf sein Werk in der Filmwerbung verbieten ließ – der Film wurde dennoch ein großer Erfolg und mehrte insbesondere im Ausland die Bekanntheit Franks.

In zwei Kooperationen konnte Frank seine Intentionen weit besser umsetzen als bei der Verfilmung seiner eigenen Werke: 1931 kamen „Der Mörder Dimitri Karamasoff“ und „Niemandsland“ in die Kinos, beides bis heute sehenswerte Filmdokumente. Für die Dostojewski-Verfilmung arbeitete Frank sehr eng mit Hauptdarsteller und Freund Fritz Kortner zusammen; die auf Franks Idee zurückgehende, pazifistische Parabel entwickelte er zusammen mit Victor Trivas.

Auch für einen der ersten Erfolge von Hans Albers ist Frank als Drehbuchautor mitverantwortlich: in dem 1932 erschienenen Streifen „Der Sieger“singt Albers das für seine weitere Karriere typische Lied „Hoppla, jetzt komm ich“, zugleich Albers' erster Schlagererfolg. Angesichts der damals herrschenden Massenarbeitslosigkeit wurde die Aufsteigerkomödie allerdings von manchem als geschmacklos empfunden. Ein Jahr später nahmen die Nazis den Film aus dem Verleih – nicht wegen der Mitwirkung Franks, mehr als das störte Goebbels' Beamte das sehr präsente Auftreten der „Comedian Harmonists“.

Der Beginn der Nazi-Diktatur war auch für Leonhard Frank eine Zäsur, aber keineswegs nur für sein literarisches Schaffen.

Unser Gastautor kommt aus Berlin und ist Vorsitzender der Leonhard-Frank-Gesellschaft.

Nach der Vorlage „Karl und Anna“: Auch Franks Roman „Karl und Anna“ wurde 1985 in der DDR verfilmt.
Foto: DEFA Film | Nach der Vorlage „Karl und Anna“: Auch Franks Roman „Karl und Anna“ wurde 1985 in der DDR verfilmt.
 
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