Es ist eine umwerfende Fülle von außergewöhnlichen Schönheiten. Historische Rosen und Rambler-Rosen sind die erklärten Lieblinge, die karmesinrote Charles de Mills die Tollste überhaupt. Es ist ihr Garten, auch wenn es natürlich noch einige andere Rosen gibt und viele, viele Stauden. Buchs und Liguster fungieren als Einfassungen und Malgrund für alle erdenklichen Farbschattierungen, vornehmlich in Rosarot und Blau.
Bei annähernd 1400 Quadratmetern gibt es sogar Platz für große Bäume: ganz markant, die Kirsche vor der Veranda. Bei etwa 60 ausgesuchten Sorten Clematis und einem eigenen Rosengarten, vielerlei Rosenbögen und Rankgitter, mit gut und gerne 150 Exemplaren, glaubt man allerdings doch in einem lebendigen Katalog zu wandeln.
Von Mary Rose und Constance Spry ausgehend, immer der Nase nach führte die Sammelleidenschaft, bei der der Duft eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Manchmal war aber auch der Name bezwingend, bei Jacques Cartier zum Beispiel, einer Damaszener-Rose von 1868, benannt nach dem französischen Seefahrer und Entdecker.
Entdeckungsreise
Die Entdeckungsreise beginnt im Hof, der zur Straße hin einladend offen ist. Das Haus im fränkischen Stil mit hohem, spitzen Dach, Gauben, Fensterläden und Sprossenfenstern, nimmt sich nicht allzu wichtig, trägt aber wesentlich zum romantischen Gesamteindruck bei. Es dient sich rundum als Kletterhilfe für Clematis, Rambler wie Scarman?s Himalayan Musk mit porzellanartig zarten Blüten sowie Wilden Wein an. Den Eingang zum Garten kaschiert eine Linde als Hofbaum, die genau genommen schon eine stattliche Größe hat – aber genug Platz, um als Idealbesetzung hier zu stehen, großzügig umpflanzt von Hortensien, Buchs, Hosta, allerlei Stauden und Gräsern.
Alle Wege führen in den Garten, aber unter der Pfeifenwinde hindurch schreitet man aus leicht erhöhter Position geschwungen wie auf einer langgezogenen Freitreppe der Neugier entgegen. Ein unvermittelt ausgerufenes „Oh!“ verteilt sich auf den Freisitz, die Hauswand, es perlt die Steinplatten hinab, einer Buchskugel und dem ersten Rosenbogen entgegen.
Der Weg ist beidseits optisch geweitet von niedrigen Stauden, von Wollziest, Bergenien und Storchschnabel. Unten angekommen läuft man unversehens in den Kreuzgarten oder direkt unter die Rosenbögen. Fünf annähernd quadratische, formal gestaltete Themengärten haben Krauses nach und nach angelegt. Zwei davon sind ganz Rosen und Clematis gewidmet sind.
Kontakt zum Nachbarn
Sowohl für die Wege als auch die Abgrenzungen zu den Nachbarn gibt es mindestens ein halbes Dutzend Varianten, vom Apfelspalier über die Ligusterhecke, Schilfmatten, Sträucher und als besonderer Blickfang die Backsteinmauer im englischen Stil mit geschwungenem Holz-Tor – eine Eigenkreation.
Als Idee spukte das Mäuerchen schon eine Weile herum. Ein Muss wurde es, als im Dorf das Kühlhaus abgebrochen wurde. Marianne Kraus kam zufällig vorbei und konnte sich die Ziegelsteine sichern. Nun schließt sie den Blick durch den Laubengang und den in Buchs gefassten Kreuzgarten mit den Katzenminze- und Rosen-Gevierten ab.
Wenn wie jetzt die von kräftigem Rosa immer heller werdende Minnehaha und die karminfarbene Excelsa zusammen am Rosenbogen überbordend blühen, dann ist Marianne Kraus? Lieblingsblick perfekt. Rosen, bei denen die Farben changieren, sich die Farbintensität ändert, wie auch bei der historischen Reine des Violettes von 1860, findet die Gärtnerin besonders spannend.
Voll der Eindrücke vom Fotokurs am Vorabend, springen Marianne Kraus die Motive regelrecht an. Die Makro-Fotografie ist das neue Experimentierfeld. Klassische Gartenfotos sind wahrlich schon genug gespeichert. Viele davon hat sie auch in einem Internet-Gartenforum veröffentlicht und dort ähnlich Rosenverrückte gefunden.
Es gibt da einen Unterschied, wie sie findet, zwischen Liebhaberei und Rosenverrücktheit mit der entsprechenden Sammelleidenschaft. Jedenfalls tauscht man sich aus, trifft sich, wird in Gartenzeitschriften portraitiert, erscheint als Traumgarten im Bildband „Die wahren Paradiese“ von Marina Wüst und plötzlich fragen Anbieter von Gartenreisen an.
Auch Experten wie der Clematis-Züchter Friedrich Manfred Westphal und Klaus Körber haben sich schon bei ihr umgesehen. Marianne Kraus selbst schaut sich auch gerne in anderen Gärten um, am liebsten natürlich in Rosen- und Clematis-Gärten. Zuletzt aber war sie zur Gräser- und Stauden-Schau in den Niederlanden unterwegs.
Nicht ohne Grund: Denn es kam im letzten Jahr das östliche Nachbargrundstück dazu und die Möglichkeit, den Küchengarten auszulagern. Ein Prärie-Garten hat den Vorzug bekommen, ein neues Experiment nach Ideen aus dem Stauden Schaugarten Hermannshof in Weinheim an der Bergstraße. Geschwungene Graswege und organisch geformte Beete bilden die Grundstruktur.
Es tummeln sich darin so perfekte Kombinationen wie Verbena bonariensis an Miscanthus sinensis Morning Light, aber auch Artischocke, Malven, Gaura, Astern, Federmohn, Edeldisteln, Kaschmirdolde, Akanthus oder Johanniswolke.
So langsam offenbaren sich die Größenverhältnisse in der jungen Anlage. Gedanklich ist Marianne Kraus schon für die ersten Änderungen bereit. Immer ist sie am Abwägen, was stimmig ist, was geändert werden muss. Da kommt ihr die regelmäßige Wässerung von oben in diesem Sommer zu pass. Umpflanzen geht heuer auch mitten im Sommer.
Außerdem markiert der Präriegarten, auch wenn er de facto eine Gartenvergrößerung darstellt, einen sanften Schwenk zu einem weniger pflegeaufwendigen Garten. Denn: wohl sind die vier Kinder jetzt groß, aber eine Teilzeitstelle in einem Woll-Laden ist dazu gekommen.
Anspruchsvoll
Also weniger Rosen? Die sind selbst im Modus minimalster Zuwendung noch anspruchsvoll: mehrfaches Schneiden, Dünger bzw. Stärkungsmittel verabreichen, meist auch das Bekämpfen von typischen Krankheiten und das alles zum jeweils richtigen Zeitpunkt sowie ein Anhäufeln für den Winter, zumindest bei den Engländern.
Wintermäntelchen gibt es schon nicht mehr. Es muss ohne gehen. Glücklicherweise sind die historischen Rosen sehr frosthart und kommen ohne alles aus. Rosen-Stämmchen haben da nur sehr begrenzte Überlebenschancen.
Noch scheint es weit weg, aber ab und an blitzte schon die Frage auf, wie das später einmal geschafft werden soll. Die Kübelpflanzen drastisch zu reduzieren, war eine sinnvolle Maßnahme, um die Präsenzpflicht und den Gießaufwand einzudämmen. Es regnet ja nicht immer so zuverlässig wie in diesem Jahr, wo eine satte Fülle an Duft und Farbe für Rosenverrückte daraus geworden ist.