Es ist 50 Jahre her, doch der Würzburger Ex-Eisenbahner Otto Schmidt erinnert sich noch, wie das damals war, als Schah Mohammad Reza Pahlavi zusammen mit seiner Frau, der Schahbanu Farah Pahlavi, die Bundesrepublik und Westberlin besuchte – und auch in der Region Würzburg war. Der Staatsbesuch in Deutschland war Teil einer Europareise des orientalischen Monarchen. Die Reise (27. Mai bis 4. Juni 1967) verlief – bis auf den Besuch in Deutschland – weitgehend störungsfrei.
Angesichts der intensiven Proteste der am Schahregime unzufriedenen damaligen persischen Studenten und wegen Briefbombenanschlägen im Vorfeld des Besuches, fand der Aufenthalt in einer aufgeheizten Atmosphäre und unter ungewöhnlich scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. Laut Gerüchten sollte es einen Anschlag durch den ehemaligen Chef des damaligen persischen Geheimdienstes, Teymur Bachtiar, geben, der Todfeind des Schah geworden war.
Von Hunden bewacht
Otto Schmidt erinnert sich: „Von der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn kommend besuchte das kaiserliche Ehepaar Rothenburg ob der Tauber und hatte dort übernachtet. Es kam zu einem Loktausch in Steinach bei Uffenheim. Der Staatssonderzug mit den Persern wurde neu ,bespannt‘“; das heißt „die neue E-Lok für den Zug war vorher über Nacht im Würzburger Hauptbahnhof geparkt“ gewesen. Und dort von Bahnpolizei mit Hunden bewacht worden. Für die Weiterfahrt nach München war der ehemalige Würzburger Lehr-Lokführer verantwortlich. Der Staatssonderzug bestand aus 13 Wagen einschließlich Schlafwagen.
Ein Sicherheitszug fuhr vorweg
Aus Angst vor Anschlägen fuhr dem Schahzug ein Sicherheitszug voraus. Der bestand aus einer Lok und zwei Wagen, die in einem Signalabstand von 1000 Metern als Vorhut fuhren. „Bei einem Attentat auf den Zug wäre also der Vorzug in die Luft geflogen“, erzählt Schmidt. Alles sei „geheime Staatssache“ gewesen.
Auf der Fahrt nach München war der Zug auch von einem BGS- sowie einem Polizeihubschrauber eskortiert worden. Die Helikopter seien zum Teil gefährlich tief geflogen und man habe sich zugewunken, erinnert sich der Würzburger.
Spitzname „Millimeter-Schmidt“
Es war kein Kaiserwetter, als der Zug im Münchner Hauptbahnhof einfuhr. Nur neun Grad Wärme waren es, als der Schah mit seiner Gattin den Fuß auf den roten Läufer am Bahnsteig 11 setzte. Münchner Merkur und „SZ“ lobten die treffgenaue Arbeit von Lokführer Schmidt. In der Süddeutschen Zeitung vom 2. Juni 1967 heißt es: „Millimetergenau hielt Punkt 17 Uhr die E-Lok 10325 am Prominentenbahnsteig 11 vor dem roten Teppich“, was Schmidt später unter Kollegen den Spitznamen „Millimeter-Schmidt“ einbrachte.
Lob gab es auch von höchster dienstlicher Stelle. Ministerpräsident Alfons Goppel und Münchens damaliger Oberbürgermeister Dr. Hans-Jochen Vogel waren Bayerns Empfangskomitee gewesen. Schmidts Fahrkünsten hatte man schon vorher und auch nachher deutsche Bundeskanzler und andere ausländische Staatsgäste anvertraut.
Bei strömendem Regen hatte eine Ehrenhundertschaft der Bayerischen Bereitschaftspolizei das Gewehr präsentiert. Beim Aufenthalt der persischen Herrscherfamilie waren auch Hundertschaften der Würzburger Bereitschaftspolizei mit dabei. Überhaupt war alles strengstens abgesichert. Tausende Polizisten waren in der Stadt. Auch aus anderen Bundesländern. Wegen des schlechten Wetters waren die Begrüßungszeremonien kurz gehalten worden.
Eintrag ins Goldene Buch
Im Münchner Rathaus trug sich das „Herrscherpaar aus dem Morgenland“ ins Goldene Buch der Stadt München ein. Der Sitzungssaal war mit Blumen in den Farben Persiens geschmückt: grün, weiß, rot.
1967 lebten 2000 Perser in München. Davon 300 Studenten. Präventiv waren Hausdurchsuchungen gemacht worden. Es gab kurzfristige Aufenthaltsverbote in München für als Gefährder eingestufte persische Studenten.
Die 11. Hundertschaft aus Würzburg war mit Mannschaftstransportwagen nach München gebracht worden und hatte in der Münchner Polizeikaserne übernachtet. Ihr Einsatz kam tags darauf vor dem Deutschen Nationaltheater. Persiens Kaiser stieg mit seiner Frau Farah Pahlavi und Bayerns Ministerpräsident Goppel die Treppen hoch. Es ging zu einer Opernaufführung. Nur wenige Schritte von den jungen Würzburger Polizisten entfernt lief der Schah die Theaterstufen empor – ein Höhepunkt in ihrer Polizeilaufbahn.
Doch kam es in München auch zu Anti-Schah Demonstrationen sowie zu Gegendemonstranten, die Pro-Schah-Stimmung machten. „Schah in Schah“, König der Könige, riefen sie frenetisch, trugen Pro-Schah-Transparente. Um Eskalationen vorzubeugen wurden die Demonstranten getrennt. Pro-Schah-Demonstranten wurden in Sichtweise des Kaiserpaares vorgelassen. Die Anti-Schah-Demonstranten dagegen in Seitenstraßen abgedrängt. Was in München ohne all zu große Konflikte ablief, eskalierte tags darauf, am 2. Juni 1967, in Berlin dramatisch.
Student wurde erschossen
Die blutigen Schlachten zwischen deutschen Studenten und der Berliner Schutzpolizei gingen via Fernsehen um die ganze Welt. Benno Ohnesorg, ein Berliner Student, wurde vom in Zivil agierenden Polizisten Kurras erschossen. Der genaue Tathergang ist bis heute ungeklärt.
Diese Ereignisse gelten als Mitauslöser für die folgende Radikalisierung der Studentenbewegung in Deutschland und der Gründung der „Roten Armee Fraktion“ und der „Bewegung 2. Juni“.
Schah Mohammad Reza wurde 1979 zum Verlassen seiner Heimat gezwungen. Er lebte kurz mit seiner Familie in den USA und starb am 27. Juli 1980 in Kairo/Ägypten.
Übrigens: Während in Berlin Studenten und Berliner Schutzpolizei aufeinander stießen, weilte die 11. Hundertschaft der Würzburger Bereitschaftspolizei noch in München und hatte dort einen Einsatz am Rathausplatz. Bayern München hatte erstmals in seiner Vereinsgeschichte einen Europapokal gewonnen. Gegen die Glasgow Rangers hatte man kurz vorher in Nürnberg nach Verlängerung 1:0 gewonnen. Und so winkten Franz Beckenbauer, Sepp Maier, Gerd Müller und Siegtorschütze „Bulle“ Roth vom Rathausbalkon herunter.
Tschik Èajkovski war damals Trainer. Die Würzburger Polizisten bemühten sich, die begeisterten Bayern-Fans am Rathausplatz hinter den Schutzgittern zu halten.
Autor Walter Frühauf aus Würzburg gehörte 1967 zur 11. Hundertschaft der Würzburger Bereitschaftspolizei und hat den Schahbesuch persönlich miterlebt.
Der „Millimeter-Schmidt“ wird 90 Jahre alt
Otto Schmidt wurde am 7. Juni 1927 in Gollhofen bei Uffenheim als Sohn des Eisenbahners Gottfried Schmidt und seiner Frau Babette geboren. Er hatte vier Geschwister. Nach dem Besuch der Maschinenbauschule Würzburg erlebte er 1944/45 das Kriegsende als 17-jähriger Panzergrenadier der Wehrmacht mit. Als Gefangener der Amerikaner wurde er ins offene Lager auf den Rheinwiesen bei Bad Kreuznach gebracht, wo er einer von 200 000 deutschen Soldaten war. Zwei seiner Brüder hatte er im Zweiten Weltkrieg verloren. Nach dem Krieg ging er zur Bundesbahn und wurde später Lehr-Lokführer.
In den 60ern war er Chauffeur von vielen hohen Staatsgästen, sowie von Bundeskanzlern von Konrad Adenauer bis Helmut Schmidt. Seit der Staatssonderzug-Fahrt mit dem persischen Kaiser wurde er bahnintern unter Lokführerkollegen „Millimeter-Schmidt“ genannt. 45 Jahre war Otto Schmidt bei der Bundesbahn. Viele Jahre war er in Würzburg in der Seniorenbetreuung tätig und wurde dafür offiziell geehrt. Engagierter und motivierender Sportabzeichenprüfer war er jahrzehntelang beim BLV. Selbst hat er unzählige Sportabzeichen abgelegt. Dort hat er auch seinen langjährigen Freund, den ehemaligen US-Oberst Richard M. Gardener vom US-Hospital Würzburg kennengelernt, mit dem er trainierte und hunderte Wanderungen machte. Sein Hobbys waren neben dem Wandern das Radfahren und die Gartenarbeit. Er ist jetzt Witwer. Schmidt hat eine Tochter (Christel). An seinem Geburtstag wird er sicher viele Grüße und Wünsche bekommen. Wohl auch telefonisch aus den USA vom amerikanischen Freund Gardener, der – 92-jährig – jetzt im Winter nochmals in seiner zweiten Heimat Würzburg auftauchte, wo er jahrzehntelang eine Zweitwohnung hatte.