80 Einwohner zählt Gadheim, und die halten sich schon immer für den Nabel der Welt. Sagt Ortssprecher Walter Dieck. Und lacht. Ab sofort indes hat das Eigenlob der Gadheimer behördlichen Segen aus Paris: Mit dem Brexit nämlich liegt im „Premium-Ortsteil“ (Dieck) von Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) der geografische Mittelpunkt der Europäischen Union (EU).
Das Institut national de l'information géographique (ING) bestätigte auf Anfrage der Redaktion, dass das Zentrum der Union mit dem Ausscheiden Großbritanniens innerhalb von Unterfranken wandert. Seit Juli 2013, als Kroatien Mitglied der EU wurde, schmückte sich Westerngrund im Landkreis Aschaffenburg) mit dem Titel – und nutzte diesen nicht zuletzt auch, um (Wander-)Touristen anzuwerben.
Europafahne am Dorfplatz
Die Experten in Paris bestimmten den neuen Punkt genau. Er trägt die Koordinaten 9 Grad, 54 Minuten und 7 Sekunden östlicher Länge sowie 49 Grad, 50 Minuten und 35 Sekunden nördlicher Breite. Und er befindet sich, wenn man aus Richtung Veitshöchheim kommt, an einem Feldweg kurz vor Gadheim. Weil der EU-Mittelpunkt dann doch – zumindest noch – recht unscheinbar in der Prärie liegt, hissten Bürgermeister Jürgen Götz und Ortssprecher Dieck kurzum am Dorfplatz die Europafahne.
Schließlich will man den frisch erlangten Ruhm nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen.
„Natürlich ist der Brexit schlecht für Europa“, gesteht der Bürgermeister pflichtschuldig ein. „Aber wir sind stolz, dass der Mittelpunkt jetzt hier bei uns liegt.“ Für Jürgen Götz ein weiteres Pfund, mit dem sich bei Besuchern wuchern lässt, neben dem „schönsten Rokoko-Garten Europas“ und der beliebtesten Fastnachtssendung Deutschlands.
Achtklässer kamen der Lösung sehr nah
Freuen über die Expertise der Geografen in Paris dürfen sich auch die Achtklässer vom Reichsstadt-Gymnasium, in Rothenburg ob der Tauber (Lkr. Ansbach). Sie hatten schon im Herbst im Erdkunde-Unterricht mit ihrem Lehrer, dem Würzburger Julius Weber, auszurechnen versucht, wo das Zentrum der EU nach dem Brexit liegen könnte. Und waren im Großraum Würzburg, „irgendwo zwischen der Autobahnausfahrt Randersacker und Höchberg“, gelandet. Lediglich ein kleiner Rechenfehler, weil sich die Größe der Union angesichts vieler Inseln und exterritorialer Gebiete nicht so ganz einfach feststellen lässt.
Die Vermessungsfachleute am ING in Paris ermitteln den Mittelpunkt, indem sie sich das Territorium der bisher 28 und künftig 27 EU-Staaten als eine an einer Schnur aufgehängte Fläche vorstellen. Das Zentrum ist dort, wo sich diese Fläche im Gleichgewicht befindet, heißt es.
Erste Schilder kommen
In Gadheim könnten derweil schon in den nächsten Tagen die ersten Hinweisschilder auf den EU-Mittelpunkt aufgestellt werden, sagt Bürgermeister Jürgen Götz. Die Zeit drängt. Nicht auszudenken nämlich, dass sich demnächst auch Frankreich oder ein anderes Land aus der EU verabschiedet. Dann wäre der Mittelpunkt für Gadheim wieder perdu.
Söder einladen. Er weiht ja so gerne Mittelpunkte ein.
Da fährt alles rum, sogar Pkw´s aus Aserbaidschan ...
Dass Sie selbst schon (mindestens) ein Mittelpunktsschoppen gezwitschert haben?