Die Familie Melch-ner aus Königstein im Landkreis Amberg-Sulzbach ist fußballverrückt. Der ehemalige bayerische Landesligaspieler Manfred Melchner nahm seine Söhne, die Zwillingsbrüder Daniel und Lucas, schon im Alter von drei Monaten mit auf den Platz. Die Begeisterung sprang über: Seit ihrem vierten Lebensjahr sind sie enthusiastische Kicker. Mit viel Talent und Willen, dass bei beiden eine Profikarriere möglich erscheint. Jetzt wurden die Brüder für das Nachwuchsleistungszentrum der Spielvereinigung Greuther Fürth ausgewählt.
Um an diesen Punkt zu gelangen, musste Lucas allerdings in den letzten Jahren schon zwei massive gesundheitliche Krisen mit viel persönlichem Kampfeswillen, der Unterstützung seiner Familie und der medizinischen Versorgung des Uniklinikums Würzburg überwinden.
Ende 2009, Lucas war damals in der dritten Klasse, entdeckte seine Mutter an seinen Oberschenkeln und Schultern viele stecknadelkopfgroße Hauteinblutungen, berichtet das Uniklinikum Würzburg. Eine Überprüfung durch die Kinderärztin der Familie zeigte, dass mit Lucas‘ Blutwerten etwas massiv nicht stimmte. Im heimatnahen Krankenhaus, der Cnopf?schen Kinderklinik in Nürnberg, kamen die Ärzte schnell auf die richtige Diagnose: Myelodysplastisches Syndrom, kurz MDS.
Der Begriff umfasst eine Reihe von Erkrankungen des Knochenmarks, bei denen zu wenig funktionstüchtige Blutzellen gebildet werden.
Die einzige Heilungschance für MDS-Patienten ist eine Stammzelltransplantation. Das nächstgelegene medizinische Zentrum, das eine solche Behandlung anbietet, war für die Melchners das Uniklinikum Erlangen. Dort war allerdings damals gerade kein Therapieplatz frei. Die Erlanger Experten rieten deshalb der Familie, das Stammzelltherapiezentrum der Würzburger Universitäts-Kinderklinik (UKW) aufzusuchen.
In der von Prof. Paul-Gerhardt Schlegel geleiteten, auf Stammzelltransplantation spezialisierten Station Schatzinsel des UKW begann im Februar 2010 die Behandlung des neunjährigen Lucas. „Bei der Stammzelltransplantation ersetzen wir das erkrankte Knochenmark durch gesundes“, erläutert Privatdozent Dr. Matthias Wölfl. Laut dem Oberarzt der Station Schatzinsel müssen für eine erfolgreiche Therapie zunächst alle krankhaften Knochenmarkzellen des Patienten abgetötet werden. Dies wird durch eine Chemotherapie erreicht.
„Im Gegensatz zu anderen Bluterkrankungen, wie zum Beispiel den Leukämien, denen eine langwierige Chemotherapie vorausgeht, konnte bei Lucas die Vorbereitung zur Transplantation mit einem einzigen Chemotherapie-Block abgeschlossen werden“, schildert Dr. Wölfl.
Als passender Stammzellspender wurde Daniel identifiziert, der froh war, seinem Zwillingsbruder helfen zu können. Daniels Blutstammzellen erhielt Lucas per Infusion. Da sich keine Abwehrreaktionen der übertragenen Zellen gegen den Organismus des Empfängers oder sonstige Komplikationen zeigten, konnte Lucas schon nach wenigen Wochen die Klinik wieder verlassen.
Nach einer Erholungsphase für sein Immunsystem ging er im Mai 2010 schon wieder zur Schule. Und konnte zusammen mit seinem Bruder auch weiter an seiner Fußballkarriere feilen. So holte sie im selben Jahr Reinhold Hintermaier, der ehemalige österreichische Fußball-Nationalspieler und jetzige Jugendkoordinator des 1. FC Nürnberg, von ihrem Heimatverein TSV Königstein zum SK Lauf.
Leider zeigte sich im Rahmen der Nachuntersuchungen im Jahr 2013, dass sich Lucas‘ Blutwerte langsam wieder verschlechterten. Nach einigem Abwägen der Risiken und Chancen entschieden sich die Melchners und die Ärzte des UKW für eine erneute Stammzelltransplantation mit einem anderen Spender. Mit Professor Schlegel vereinbarte Lucas, dass er an Pfingsten 2014 noch am Cordial Cup teilnimmt und erst danach zur Behandlung wieder in die Station Schatzinsel einrückt. Der Cordial Cup in den Kitzbühler Alpen ist eines der größten Fußball-Nachwuchsturniere in Europa.
Die zweite Stammzelltherapie war für Lucas deutlich belastender als die erste. Zum einen waren für den 13-Jährigen die „äußerlichen Effekte“, wie der Kopfhaarverlust durch die Chemotherapie, die Hautreaktionen auf die neu transplantierten Spenderzellen und die Gewichtszunahme aufgrund der deshalb notwendigen Kortisontherapie emotional schwerer zu ertragen. Zum anderen ging es ihm phasenweise auch körperlich richtig schlecht. „Gerade in dieser Zeit war Professor Schlegel immer für uns da und schaute mindestens dreimal täglich nach Lucas – zwischen früh um sechs und abends um zehn“, berichtet Lucas‘ Mutter Sabine Melchner.
Dank einer klinikumsnahen, von der Elterninitiative leukämie- und tumorkranker Kinder Würzburg finanzierten Wohnung konnte Sabine Melchner während der gesamten Behandlung ihrem Sohn täglich zur Seite stehen.
Mit positiver Haltung und viel Disziplin schaffte Lucas innerhalb eines halben Jahres nach der Behandlung wieder den Anschluss an den Leistungsfußball. Ans Uniklinikum Würzburg kommt er nur noch vierteljährlich, um die Zellanteile in seinem Blut messen zu lassen. Ansonsten spielt die Krankheit in seinem Leben keine große Rolle mehr – sein Fokus ist es, Profifußballer zu werden und ein tolles Leben zu führen.