
Lang, lang ist's her, das WM-Sommermärchen 2006, doch es wirkt noch immer nach. Nicht nur, weil Jogis Jungs ab nächstem Montag erneut versuchen Fußball-Weltmeister zu werden. Spätestens seit der Heim-WM sind die Zeiten vorbei, in denen der Fußballfan im heimischen Wohnzimmer dem Ball hinterschaute. Das gemeinsame Gucken, Fiebern, Jubeln und Fluchen in großer Runde, besser bekannt als Public Viewing, ist auch bei der heute beginnenden WM das (An-)Gebot der Stunde.
Die größten Fan-Treffpunkte dürften wieder die Sanderstraße und die Posthalle am Bahnhof sein. Aber wer im Kreise – häufig schwarz-rot-gold gewandeter, geschminkter und geschmückter Fans – die Spiele verfolgen will, kann das nahezu in jedem Biergarten der Stadt und jeder Menge Kneipen und Gaststätten tun.
Unzählige Bildschirme, Beamer und Leinwände locken männliche wie weibliche Fußballfreunde, damit sie den Weg des Runden ins Eckige verfolgen können. Manche zeigen nur die Partien der deutschen Elf, viele jedoch fast alle Spiele – wie der „Zaubergarten“ mit seinen 800 Steh- oder 300 Sitzplätzen – oder der „Blaue Adler“ in der Mergentheimer Straße.
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Seit eineinhalb Jahren veranstaltet dort Gastwirt Otto Keinert kleinere Konzerte. „Public Viewing“ ist für ihn Neuland, aber: „Das musst du anbieten. Die Gäste fragen ständig nach.“ Zudem ist Fußball bei dieser „Location“ fast Pflicht: Der „Adler“ ist Vereinsgaststätte des ETSV Würzburg, wer auf die Großbildleinwand im Saal oder auf der überdachten Terrasse schaut, tut dies direkt neben dem „Stadion an der Mergentheimer Straße“, wie es Keinert bezeichnet. Sein Tipp? „Deutschland muss ins Finale. Allein schon, dass sich der Aufwand fürs Public Viewing rentiert.“
Während „beim Otto“ maximal 180 Fußballjünger die Künste von Neymar, Ronaldo oder Jogis Truppe verfolgen können, ist die Posthalle der größte Public-Viewing-Treff in der Stadt: Bis zu 3000 Zuschauer haben Platz vor den drei Leinwänden. Gezeigt werden hier aber „nur“ die Spiele der Deutschen. Der Raum vor der Hauptleinwand ist „Partyzone“ zum Jubeln und Feiern), erklärt Posthallen-Betreiber Joachim „Jojo“ Schulz, im hinteren Bereich vor den anderen Leinwänden gibt's Sitzgelegenheiten an Biertischen. Einlass: jeweils zwei Stunden vor Spielbeginn.
Zum fünften Mal ist die Posthalle Public-Viewing-Hochburg und hat in der Stadt – wie schon bei der EM 2012 – Monopolstellung. Bei der WM in Südafrika vor vier Jahren hatte noch XXXL Neubert tausende Zuschauer vor den großen Videowürfel im Kickers-Stadion gelockt. Und auch die Stadtmensa am Studentenhaus war ein zuschauerträchtiger Treffpunkt.
Beide Veranstalter sind diesmal nicht dabei. „Das Public Viewing zur WM 2010 haben wir sehr gerne für die Menschen in der Region mitorganisiert“, sagt XXXL Neubert-Sprecher Julian Viering. Es sei aber wohl nachvollziehbar, „dass XXXL Neubert mit seiner ureigenen Aufgabe als Möbelhandelsunternehmen nicht bei jeder WM oder EM eine solche Großveranstaltung mit erheblichem organisatorischen Aufwand auf die Beine stellen kann“. Das solle aber nicht heißen, dass man künftig auf ähnliche Veranstaltungen verzichten werde.
Der hohe organisatorische Aufwand und die zunehmende Konkurrenz durch WM-Angebote in der Gastronomie und bei vielen Vereinen nennt Michael Ullrich als einige Gründe, weshalb in der Stadtmensa kein Public Viewing mehr angeboten wird. „Da lohnt sich der Aufwand nicht“, sagt der Geschäftsführer des Würzburger Studentenwerks. Problematisch sei zudem der teils recht späte Spielbeginn, weil für den Mensa-Betrieb am nächsten Tag immer wieder alles rechtzeitig umgebaut werden muss.
Im Public Viewing-Reigen sind auch die Groß-Kinos dabei. Das Cinemaxx in der Veitshöchheimer Straße zeigt bei freiem Eintritt alle Gruppenspiele der Deutschen Elf sowie die Achtel-, Viertel- und Halbfinale, das Spiel um Platz drei und das Finale. Und auch im Cineworld im Mainfrankenpark sind bei freiem Eintritt alle Partien mit Jogis Jungs zu sehen. Zudem gibt's Sonderaktionen wie Torwandschießen.
Wie lange werden die schwarz-rot-gold-Fans beim Public Viewing jubeln können? Jojo Schulz jedenfalls glaubt nicht an den Titel: „Nach dem Viertelfinale ist Schluss.“
Sie haben sicherlich in vielerlei Sicht recht:
Die Verbände machen aus dem Volks- und Weltsport ihr Geschäft, der Kommerz übersteigt das Spiel an sich. Ein Teil der Bevölkerung in Brasilien geht auf die Straße, in Kuwait werden offensichtlich Menschenrechte mit Füssen getreten, in Russland steht ein Despot an der Spitze des Staates.
Aber jetzt kommt das aber:
Die Menschen die unserer oder ihrer Nationalmannschaft zujubeln, mit dieser mitfiebern und anfeuern, diesen Menschen Gleichgültigkeit vorzuwerfen ist arrogant und überheblich. Denn diese Menschen sehen genau das was Sport, auch Fußball und die WM sein sollte: Ein Fest des Sports, des Wettkampfes, der Fairness und des Respekts.