Wie reagieren Theater auf das allseits grassierende Fußball-Fieber? Die Würzburger Theaterwerkstatt geht voll in die Offensive und setzt dem inszenierten TV-Spektakel „Die lächerliche Finsterns“ von Wolfram Lotz entgegen. Der auf einem Hörspiel beruhende Bühnentext des trotz vieler Auszeichnungen noch wenig bekannten Autors wurde von der Fachzeitschrift „Theater heute“ als das „Deutschsprachige Theaterstück des Jahres 2015“ ausgezeichnet.
Angelehnt an Joseph Conrads Erzählung „Herz der Finsternis“ und an Francis Ford Coppolas Erfolgsfilm „Apocalypse Now“ erzählt Lotz von der Bootsfahrt zweier Bundeswehrsoldaten durch die Regenwälder(!) Afghanistans, die den außer Kontrolle geratenen Oberstleutnant Karl Deutinger ausfindig machen und liquidieren sollen. Die vermeintlich schlichte militärische Operation entwickelt sich immer mehr zu einem grotesken, ja geradezu surrealen Panoptikum gegenwärtiger Krisen und Weltkonflikte und zu einer bitterbösen Zustandsbeschreibung unserer „zivilisierten“ Welt. Doch Autor Lotz und Regisseur Hermann Drexler versuchen sich erst gar nicht an trockenem Dokumentartheater.
Sie nutzen das Theater als den Ort, wo sich Fiktion und Wirklichkeit begegnen und schlagen daraus höchst unterhaltsame Funken, die das Publikum locker über zweieinhalb rasante Stunden hinwegtragen.
Gekonnt setzt Drexler dafür alle Stilmittel des Theaters ein: Live-Musik, überraschende Lichteffekte, authentische Geräuschkulisse, abrupte Szenenwechsel und einen sich immer weiter steigernden schwarzen Humor, der alle Figuren komödiantisch bis ins klischeehaft-Lächerliche überzeichnet. Besonders auszeichnen als begnadeter Komödiant kann sich dabei Stephan Ladnar, einerseits als italienischer UN-Blauhelm Kommandant, der auf seinem Außenposten vergeblich versucht, die „Wilden“ zum Pinkeln im Sitzen zu erziehen, andererseits als Missionar Reverend Carter, der mit den Eingeborenen im Dschungel erfolgreich christliche Choräle zur Aufführung bringt. Auch Thomas Lazarus (Hauptfeldwebel Oliver Pellner) und Miro Nieselt (Unteroffizier Stefan Dorsch) offenbaren in ihren Figuren sehr zum Vergnügen des Publikums die grotesken Widersprüche zwischen militärischer Disziplin und menschlichen Unzulänglichkeiten.
Voller Empathie und Enthusiasmus hält Konstantin Wappler im Prolog das Plädoyer des studierten somalischen Berufs-Piraten Ultimo, während Alexander Sichel souverän zwischen seinen Rollen als Pianist, Mädchen und in die Handlung eingreifender Stückautor wechselt.
Ganz starke Akzente setzt Angelika Flagner mit Gitarre und vor allem ihrer betörend-klaren Stimme, mit der sie Liedern wie „Imagine“ von John Lennon und „Zombie“ von The Cranberries eine ganz eigene Sogwirkung verleiht. So ist es die Kombination aus spielstarkem und harmonischem Ensemble, klugem Text und durchdachtem Inszenierungskonzept, die die These vom spröden zeitgenössischen Theater mehr als widerlegt. Mit dieser umjubelten Premiere bietet die Theaterwerkstatt mehr als eine Alternative zum Fußball-Wahnsinn.
„Die lächerliche Finsterns“ von Wolfram Lotz wird bis zum 9. Juli in der Würzburger Theaterwerkstatt gespielt. Karten-Tel. (09 31) 5 94 00.