Felix Prinz zu Löwenstein ist Biobauer in Hessen und als Vorsitzender des Biospitzenverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft die Stimme der deutschen Ökobauern. In Würzburg hielt er auf Einladung der Naturschutzorganisation Bergwaldprojekt einen Vortrag über nachhaltige und gerechte Landwirtschaft. Wir sprachen mit ihm auch über billige Schnitzel und teures Trinkwasser.
Felix zu Löwenstein: Die Verbraucher sind zunehmend im Boot! Der Markt für biologisch erzeugte Lebensmittel wächst ja jährlich über zehn Prozent. Aber es reicht nicht, zu sagen, die Verbraucher sollen es richten. Um den notwendigen Systemwechsel in der Landwirtschaft herbeizuführen, braucht es vor allem ehrliche Preise.
Löwenstein: Sie sind nur teurer, solange die Landwirtschaft Kosten auslagert. Die Verschmutzung von Wasser mit Nitrat, der Luft mit Methan und Kohlendioxid und der Nahrungskette mit Pestiziden oder mit Antibiotika zahlt ja die Allgemeinheit – indem die Wasserwerke beispielsweise das Trinkwasser von chemischen Einträgen aus der Landwirtschaft reinigen. Das billige Schnitzel zahlt der Verbraucher mit seinem Wasser. Man muss dafür sorgen, dass diese Kosten in die Preise eingerechnet werden, dann sind Ökoprodukte nicht mehr teurer.
Löwenstein: Wenn ich Kosten für die Gesellschaft bei heimischen Produkten einpreise, muss ich das natürlich auch bei importierten tun. Aber dafür haben wir ja die EU. Es ist aber nicht so, dass Deutschland keine Billigware auf den Markt werfen würde. Die Schweinehaltung hierzulande hält nicht einmal die entsprechenden europäischen Richtlinien ein.
Löwenstein: Wenn wir weniger wegwerfen und weniger Fleisch essen, nicht teurer als jetzt. Es gibt aber auch keine Alternative. Denn die industrielle Landwirtschaft macht ihre eigenen Produktionsgrundlagen kaputt, kann den Hunger der Welt nicht stillen und den Klimawandel nicht aufhalten. Und damit auch nicht die Ursachen für die Flucht nach Europa. Zum Glück gibt es in vielen Gebieten der Welt, auch in Entwicklungsländern, Beispiele, dass biologische Landwirtschaft besser funktioniert als konventionelle.
Löwenstein: Ich finde es total verständlich, dass sich die Leute das nicht vorschreiben lassen. Aber wir essen ja nur deshalb deutlich mehr Fleisch als uns guttut, weil es so billig ist, wie es noch nie war. Wenn im Preis des Schnitzels auch die Kosten für die Umwelt stecken würden, werden wir eben weniger, aber gesünderes und besser erzeugtes Fleisch essen. Zum Beispiel hat die Stadt Kopenhagen bereits sämtliche kommunalen Kantinen auf Bioprodukte umgestellt. Das funktioniert ohne Mehrkosten. Warum? Ganz einfach: Weniger Fleisch, weniger Vorgefertigtes und weniger Abfall.
Löwenstein: Ökonomisch erklärt sich das nicht, denn die Ertragslage ist nach einer gewissen Durststrecke für Biobetriebe fast immer besser. Es sind oft psychologische Gründe. Für konventionelle Landwirte ist das biologische Gegenmodell ein Vorwurf. Sie fühlen sich von der Gesellschaft ungerecht an den Pranger gestellt. Manche Bauern stehen auch nach Investitionen, zum Beispiel in Mega-Ställe, mit dem Rücken zur Wand und haben weder Geld noch Kraft für etwas Neues. Außerdem informieren Schulen und Universitäten den Nachwuchs meist wenig über die ökologischen Alternativen.
Löwenstein: Mir war zunehmend unwohl dabei, in der Natur mit naturfremden Stoffen zu hantieren, vor allem mit Pestiziden. Als mir klar wurde, dass Bio ökonomisch und produktionstechnisch funktioniert, habe ich umgestellt.
Löwenstein: Ich habe sechs Kinder und drei Enkel. Denen eine Welt zu hinterlassen, in der sie leben können, ist doch Antrieb genug.
Löwenstein: Ich glaube an die Macht des Faktischen. Bienensterben, Trockenheit und Starkregen bekommt ja jeder mit. Haben Sie sich schon gefragt, warum man heutzutage im Sommer keinen Insektenschwamm mehr braucht, um die Windschutzscheibe des Autos sauber zu bekommen? Das sind Signale, die Gesellschaft und Politik wachrütteln.
Löwenstein: Auch die. Kürzlich hat die renommierte Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft, die nicht im Verdacht steht, grün zu sein, darauf hingewiesen, dass die Landwirtschaft nicht mehr stabil ist. Wenn man ackerbauliche Fehler, wie einseitige Fruchtfolgen, mit Chemie korrigieren will, werden die Probleme immer größer. Das sieht man an Schädlingen, die gegen Pestizide resistent werden. Solche Erkenntnisse sind wichtig. Denn nur mit jemandem, der Probleme benennt, kann man über Lösungen sprechen.