Mit 58 den Neustart wagen, sein Leben komplett verändern, ein großes Abenteuer wagen? Geht das überhaupt? Der gebürtige Kölner Jörg Richter, der die Rhön seine Heimat nennt und heute in Würzburg lebt, hat genau das vor. Zugleich will er sich als Botschafter für kranke Kinder engagieren.
Begonnen hat alles vor drei Jahren, als Richter seinen Urlaub aufsparte, um in drei Monaten einmal durch die USA zu radeln. Von der West- an die Ostküste. Unterstützt von seinem damaligen Arbeitgeber sammelte er Spenden für kranke Kinder. Drei Monate, die sein Leben veränderten: „Es waren die Begegnungen, die mich stark, aber auch nachdenklich machten.“ Menschen fragten ihn, warum er so etwas Verrücktes mache und drückten ihm dann spontan 100 Dollar als Spende in die Hand. Andere hätten sich Wochen, nachdem er sie getroffen habe bei ihm gemeldet und ihm berichtet, dass er sie „infiziert“ habe. Sie würden sich jetzt auch ehrenamtlich engagieren.
Die Frage nach dem Warum
Wieder zu Hause habe Richter einen regelrechten Flash gehabt. Sein bisheriges Leben sei ihm sinnlos und unbefriedigend vorgekommen. Doch der Alltag hatte ihn wieder. Er lebte sich ein, ging arbeiten und machte neue Pläne seine Leidenschaft fürs Radfahren mit der guten Sache zu verbinden.
Plötzlich verstarb ein guter Freund, zwei Jahre jünger als er, und ein Kollege wurde durch einen Schlaganfall von jetzt auf gleich aus dem Berufsleben katapultiert. „Wozu das alles?“, fragte sich Richter. Die Antwort gab er sich in diesem Jahr selbst.
Er kündigte seinen Job, verkaufte sein Auto und konkretisierte seine Planungen für eine neue Tour durch die USA. Ein halbes Jahr soll sie diesmal dauern. Danach will er noch einmal neu starten. Sich neu orientieren und nur noch Dinge machen, die für ihn einen Sinne ergeben und ihn ausfüllen.
Kranken Kindern helfen
Jörg Richter möchte nicht nur für sich durch die die USA radeln. Er möchte mit seiner Aktion aufmerksam machen. Weil er Kinder über alles liebe, möchte er sich für Kinder stark machen. Es sind die seltenen Erkrankungen bei Kindern, die Jörg Richter umtreiben. Er möchte seinen Teil dazu beitragen, dass diesen Kindern besser geholfen wird, dass sie nicht die Waisen der Medizin bleiben. Seit Jahren engagiert sich Richter deshalb für die Münchner „Care-for-rare-Stiftung“, die – angeschlossen an die Haunersche Kinderklinik der Universität – Forschungsprojekte an seltenen Kinderkrankheiten unterstützt. Vor allem aber will sie seltene Erkrankungen bei Kindern in der Öffentlichkeit präsenter machen. „Kein Kind soll mehr leiden oder gar sterben müssen, weil seine Krankheit so selten ist, dass sich niemand dafür interessiert“, sagt Professor Christoph Klein, Vorstand der Stiftung.
Optimismus und Lebensfreude
Auch dafür tritt Jörg Richter in die Pedalen, er möchte Aufmerksamkeit für Benachteiligte schaffen. Zudem plant er auf seinem Weg von San Francisco nach New York insgesamt 13 Kinderkliniken zu besuchen. Vorab sendet ein Sponsor kleine Teddybären zu. „Es gibt mir so viel, wenn ich in einen Raum mit kleinen Patienten komme und es schaffe, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, sie für eine Stunde ihr Leid etwas vergessen zu lassen.“ Dass Jörg Richter dies immer wieder gelingt, liegt nicht nur an den Teddybären. Er strahlt ansteckend viel Optimismus und Lebensfreude aus.
Warum sind es gerade kranke Kinder, für die sich der Hobby-Radler seit Jahren engagiert? „Es ist sehr lange her“, erzählt Jörg Richter, „da brachte mein Patenkind ihre achtjährige Freundin mit, die im Rollstuhl saß. Ich nahm das Kind in den Arm und es schlief ein, fühlte sich wohl, sehr geborgen.“ Dieser Moment habe ihn nicht mehr losgelassen. Seitdem möchte er kranken Kindern helfen, „man bekommt von ihnen aber auch so viel zurück“.
„Gemeinsam (mehr) bewegen“
Weniger um Spendengelder als um grenzüberschreitende Öffentlichkeitsarbeit für das Schicksal kranker Kinder gehe es bei dieser Tour, so Care-for-Rare-Geschäftsführer Albrecht Matthaei gegenüber dieser Redaktion. Die Stiftung möchte Kilometer sammeln. Nicht nur Jörg Richter auf dem Rad durch die USA, nein, jeder könne vom 5. April bis 20. September mitmachen. Indem er sich den vierblättrigen Kleeblattaufkleber der Stiftung aufs Fahrrad oder ein anderes Gefährt klebe und losfahre. Gesammelte Kilometer und Fotos mit den Aufklebern könnten dann in den sozialen Medien verbreitet werden. Motto: Gemeinsam (mehr) bewegen für Kinder mit seltenen Erkrankungen.
Eines dieser Kinder verfolgt Jörg Richter schon länger selbst in den sozialen Medien. Es ist der neunjährige Dario Hardt aus Höchberg bei Würzburg, der an der sehr seltenen Krankheit Morbus Sandhoff leidet. Auch für ihn und die Selbsthilfegruppe „Hand in Hand gegen Tay-Sachs und Sandhoff“ möchte Richter Aufmerksamkeit schaffen. „Ich finde es einfach klasse, auch hier direkt vor Ort in Würzburg etwas für betroffene Kinder tun zu können,“ sagt Richter.
Fahrrad statt Auto
Mal eben nach Kitzingen einen Freund besuchen oder mit dem Fahrrad auf den Kreuzberg – seit Jörg Richter sein Auto verkauft hat, fährt er bei Wind und Wetter alles mit dem Fahrrad. Ein gutes Training für die 13 000 Kilometer, die er vom 5. April bis 20. September zurücklegen will. Natürlich werde er in Rochester, der Würzburger Partnerstadt, einen längeren Halt einlegen. Auch dort plant er einen Besuch im Kinderhospital der Universität. Auf seinem Facebook-Profil wird Jörg Richter eine Art Tagebuch führen. Dort kann jeder am Abenteuer des Kölschen Rhöners teilhaben.
Der Autor ist der Vater von Dario Hardt.