
Drei Jahrzehnte lang war die Firma Varin eine der ersten Adressen im Raum Würzburg, wenn es um edlen Fisch und exklusive Lebensmittel aus Frankreich und dem Rest der Welt ging. Jetzt ist das Unternehmen mit Sitz im Reichenberger Ortsteil Fuchsstadt insolvent. Der Kürnacher Großhändler Nußbaumer übernimmt den Kundenstamm aus Gastronomie und Hotellerie und will die Geschäfte ab der kommenden Woche nahtlos weiterführen. Das Nachsehen haben die Privatkunden, die allwöchentlich bei Varin einkauften. Einen Einzelhandel wird es künftig nicht mehr geben.
Varin-Geschäftsführer Alfons Michel tat sich schwer mit Entscheidung. Im Juli hat er Insolvenzantrag gestellt, seit dem 23. Juli läuft das vorläufige Insolvenzverfahren. Vor wenigen Tagen habe der Insolvenzverwalter mitgeteilt, dass er keine Chance auf die Fortführung des Unternehmens sieht, sagt Michel. Über die Firma wurde die Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit ausgesprochen.
Zahlungsausfall eines großen Kunden
Letzte Ursache für den Insolvenzantrag sei der Zahlungsausfall eines größeren Kunden in Tschechien gewesen, den Varin jahrelang beliefert hat, sagt Alfons Michel. Dadurch konnte das Unternehmen die Spedition, die zweimal wöchentlich Frischwaren vom Pariser Großmarkt nach Fuchsstadt geliefert hat, nicht mehr bedienen. Als der Geschäftspartner keinen weiteren Zahlungsaufschub mehr dulden wollte, musste Michel Insolvenzantrag stellen. "Ich habe keine andere Möglichkeit mehr gesehen", sagt er. Die Gründe für die wirtschaftliche Schieflage seien aber vielschichtiger.
Hugues Varin, geboren in Quettehou in der Normandie, gründete die Firma 1987, nachdem er sich in Ochsenfurt niedergelassen hatte und hin und wieder Gastronomen und Privatleute mit Fisch und Meeresfrüchten aus seiner Heimat belieferte. Des Geschäft wuchs und Alfons Michel wurde 1989 Varins erster Mitarbeiter. Damals war die Firma noch in Ochsenfurt ansässig. 1991 gründeten Hugues Varin und Alfons Michel gemeinsam mit einer weiteren Partnerin die GmbH. 1997 siedelte das Unternehmen in die Räume einer ehemaligen Großschlächerei in Fuchsstadt um.
Partner der süddeutschen Spitzengastronomie
Inzwischen belieferte Varin das "Who is who" der bayerischen Spitzengastronomie. Zu den Kunden gehörten Kochlegenden wie Eckart Witzigmann. Trotzdem blieb der Verkauf an Privatkunden vor Ort Teil des Geschäfts. Nach dem Tod des Firmengründers 2009 wurde Alfons Michel alleiniger Geschäftsführer. Der Jahresumsatz, den die Firma mit 26 Voll- und Teilzeitkräften erwirtschaftete, betrug zuletzt rund fünf Millionen Euro.
Strukturelles Problem der Firma sei von jeher die geringe Kapitalausstattung gewesen, sagt Alfons Michel. Deshalb sei es schon immer schwierig gewesen, wirtschaftliche Durststrecken zu überbrücken. Und solche Durststrecken gebe es in der Lebensmittelbranche regelmäßig. Rund 40 Prozent des Jahresumsatzes kämen im letzten Quartal zusammen. "Deshalb war es oft so, dass wir das erste Halbjahr leicht rot abgeschlossen haben und im zweiten Halbjahr alles wieder reingeholt haben", so Michel.
Frisch vom Pariser Großmarkt
Für seine Kunden eröffnete Varin ein schier unbegrenztes Angebot frischer Lebensmittel aus aller Welt. Nahezu alles, was auf dem Pariser Großmarkt Rungis - dem größten weltweit - angeboten wurde, fand irgendwie auch den Weg nach Fuchsstadt: ob Austern aus der Normandie, Thunfisch aus dem Atlantik oder Tiefseebarsch aus dem Indischen Ozean. Zeitweise liefen fünf Prozent des gesamten deutschen Austern-Imports über den kleinen Händler in Fuchsstadt.
Viele der Privatkunden haben mit Bestürzung auf die Nachricht von der Schließung des Geschäfts reagiert. Es habe sogar schon Tränen gegeben. "Wir haben viele treue Kunden, die sagen, mit Varin fällt für sie ein Stück Lebensqualität weg", sagt Alfons Michel und fügt hinzu: "Mir geht es genauso."
Was zum Verhängnis des Unternehmens beigetragen habe, sei der zunehmende Wettbewerb. Vor 20 Jahren sei noch kaum ein Großhändler in Süddeutschland in der Lage gewesen, Frischwaren und insbesondere Fisch in vergleichbarer Frische und Qualität anzubieten. Inzwischen habe die Konkurrenz aufgeholt. Hinzu komme die fortschreitende Konzentration auf immer größere Handelsunternehmen. "Als Kleiner stehst du da eigentlich mit dem Rücken zur Wand."
Ein weiteres Problem für den Importeur sei der Trend in der Gastronomie zur Regionalität. "Viele Spitzenhäuser kaufen heute in der Region, als Importeur bist dann nur noch Lückenbüßer für das, was es auf dem regionalen Markt gerade nicht gibt." Hinzu komme die Schnelllebigkeit. Größere Händler bieten ihren Kunden Lieferung am Tag nach der Bestellung an. Mit zwei Lieferungen pro Woche konnte Varin da nicht mithalten.
Letztmals Privatverkauf
Am Samstag ist der Privatverkauf letztmals geöffnet. Zumindest für den Großhandel gibt es eine Zukunft. Das Kürnacher Familienunternehmen Viktor Nußbaumer GmbH & Co.KG übernimmt die Kunden der H. Varin GmbH zum 14. Oktober. "Wir wollen die Kunden ab der kommenden Woche in gewohnter Weise beliefern", bestätigt Firmenchef Peter Nußbaumer. Dazu werden auch Mitarbeiter zu Nußbaumer wechseln. Wie viele es am Ende sein werden, kann Nußbaumer noch nicht sagen. "Wir arbeiten noch daran."
Erst vor wenigen Tagen habe er umfassend Einblick in das insolvente Unternehmen nehmen können, sagt Nußbaumer. Deshalb sei es auch noch zu früh, um sagen zu können, ob ein Einzelhändler in der Region das Angebot der Firma Varin zumindest teilweise fortführt. "Wir würden uns das wünschen und sind offen für jeden, der mit uns zusammenarbeiten will", so der Geschäftsführer.
Das traditionsreiche Familienunternehmen wurde 1874 in Tückelhausen gegründet und betrieb bis 1995 ein Feinkost-Geschäft in der Würzburger Innenstadt. Seitdem konzentriert sich Nußbaumen ganz auf den Großhandel in einem Vertriebsradius von etwa 100 Kilometern. Wie weit künftig auch Edeladressen in Südbayern zum Kundenkreis gehören werden, darüber will Peter Nußbaumer nicht spekulieren. "Wir müssen sehen, wie es sich entwickelt", sagt er.