Das historische Gebäude, das einst Sitz der Herbstherrn des Domkapitels und Zehntkellerei war, wird der Freistaat Bayern vermutlich verkaufen. Auch der Torbau, in dem heute neben einer Hausmeisterwohnung das Stadtarchiv untergebracht ist, könnte so in private Hände kommen.
Seit in der Verwaltungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg aus den früheren Bezirksämtern Landratsämter wurden, hatte der Landkreis Ochsenfurt seinen Sitz im Palatium. Später legitimierte der Freistaat Bayern den provisorischen Zustand und überließ dem Landkreis Ochsenfurt das Haus mietfrei und unbefristet als Dienstgebäude. Das Recht ging mit der Kreisreform 1972 auf den Landkreis Würzburg über, der dort bis heute eine Außenstelle unterhält.
Viele Jahre lang waren die einzelnen Dienststellen parallel zum Landratsamt in Würzburg aufrecht erhalten worden. An die Zeit kann sich der heutige Verwaltungschef des Landkreises, Dieter Krug, noch gut erinnern. 1973 hatte dort in Ochsenfurt seine berufliche Laufbahn begonnen.
Erst in den 90er Jahren setzte eine umfassende Reform ein, in der die meisten Bereiche in Würzburg zusammengefasst wurden. Übrig blieben bis heute die Zulassungsstelle, die Führerscheinstelle und eine Abteilung des Amts für Jugend und Familie, der allgemeine Sozialdienst für den südlichen Landkreis.
Stellen, die häufig von den Bürgern in Anspruch genommen werden, oder die auf die Nähe zu ihren Klienten angewiesen sind, sollten in der Außenstelle bleiben – so der Konsens, unter dem sich der Kreistag für die Aufrechterhaltung der Außenstelle entschieden hatte. Trotzdem waren die Stimmen nie verstummt, die aus Kostengründen eine Auflösung der Außenstelle forderten.
Mit den Jahren war das Palatium immer mehr zur Last für den Landkreis geworden. Der energetische Zustand ist veraltet. Warm wird es in dem unisolierten Dienstgebäude durch Strom fressende Nachtspeicheröfen. Weil Notausstiege für die oberen Geschosse fehlen, musste ein provisorisches Gerüst an den Südgiebel angebaut werden.
Die Kosten einer zeitgemäßen Sanierung hatte das Kreisbauamt mit mindestens 2,5 Millionen Euro ermittelt. „Zu viel für ein Haus, das uns gar nicht gehört“, hatte der Kreistag argumentiert. Inzwischen hatte der Ochsenfurter Unternehmer Joachim Beck dem Landkreis ein anderes Angebot unterbreitet. An der Würzburger Straße wollte er ein modernes Dienstgebäude errichten, in das der Landkreis hätte einziehen können.
„Ein charmanter Vorschlag“, wie Verwaltungschef Dieter Krug noch heute gesteht. Der Kreistag sprach sich trotzdem dagegen aus – auf Drängen der Stadt und der Ochsenfurter Kreisräte, die fürchteten, dass ein Auszug des Landratsamt die Ochsenfurter Altstadt weiter schwächen würde. Auch Verhandlungen mit dem Freistaat Bayern über eine Kostenbeteiligung an der Sanierung brachten für den Landkreis nicht das erhoffte Ergebnis. Zu hoch wären die laufenden Mietzahlungen gewesen, die der Freistaat dem Kreis dafür in Rechnung gestellt hätte.
Eine Lösung aus dem Dilemma brachte der Verkauf des ebenfalls staatliche Amtsgerichtsgebäudes an den Würzburger Investor Christian Will. Zehn Jahre lang hatte die staatlichen Immobilienverwaltung zuvor nach einem Käufer gesucht. Christian Will lässt nun einen Teil des ehemaligen Amtsgerichts in moderne Büroräume umbauen. Den übrigen Teil des Gebäudes beziehen Wohngruppen der Lebenshilfe. Einen guten Namen hat sich Will als Entwickler ehemals staatlicher Gebäude bereit am Roten Bau neben dem Mainfranken-Theater – dem ehemaligen Gesundheitsamt – und der früheren Landesbank am Berliner Ring gemacht.
In den Augen von Stefan Dürr, Liegenschaftsverwalter des Landkreises, ist die Lösung ideal. Die 800 Quadratmeter Nutzfläche im Amtsgericht würden den Bedürfnissen des Landkreises gerecht. Im Palatium stehen hingegen 1800 Quadratmeter zur Verfügung, die unterhalten und geheizt werden müssen. Der Investor stellt ein zeitgemäß ausgestattetes Bürogebäude zur Verfügung. Der Mietvertrag wird zunächst für 15 Jahre geschlossen. Damit ist auch die Diskussion über eine mögliche Schließung der Außenstelle erst einmal gestorben.
Neben den Dienststellen des Landratsamts zieht die Beratungsstelle des Sozialdiensts katholischer Frauen, bislang über der Zulassungsstelle untergebracht, mit um. Außerdem bleibt Platz für einen Schilderladen, der an einen privaten Betreiber vermietet werden soll. Unklar ist, was mit dem Ensemble rund um das mittelalterliche Palatium geschehen soll. Wie der Geschäftsführer der bayerischen Immobilienverwaltung, Dieter Knauer, auf Anfrage mitteilt, werde zunächst geprüft, ob eine andere staatliche Stelle Bedarf an dem Gebäude hat. Knauer geht davon ebenso wenig aus wie davon, dass die Stadt Ochsenfurt, der das Palatium im nächsten Schritt zum Kauf angeboten wird, Interesse hegt. Der weitere Schritt wäre dann die Suche nach einem Käufer über eine öffentliche Ausschreibung. Noch in diesem Herbst könnte dies der Fall sein, so Knauer.
Von Gesprächen mit möglichen Interessenten ist Dieter Knauer nichts bekannt. Sie wären auch wirkungslos – „Isolierte Gespräche mit Einzelinteressenten finden grundsätzlich nicht statt“, sagt der Geschäftsführer, „natürlich kann jemand sein Interesse bekunden, aber auch der muss die Ausschreibung abwarten.“ Einem möglichen Investor könnte gelegen kommen, dass die Stadt Ochsenfurt den Torbau zum Palatium, der ihr gehört, ebenfalls verkaufen möchte. Für das Stadtarchiv wird schon seit Monaten nach einer neuen Bleibe gesucht. Und auch der Landkreis möchte sich von seinem Haus an der Kellereistraße trennen, in dem zurzeit noch die Zulassungsstelle steckt.
Noch ist dies aber Zukunftsmusik. Anfang nächsten, vielleicht sogar noch Ende dieses Jahres sollen die Dienststellen des Landratsamt ins alte Amtsgericht wechseln. „Insgesamt profitieren davon alle Beteiligten, so Dieter Krug, „Ochsenfurt durch die Sicherung des Standorts, wir mit einer an unsere Bedürfnisse angepassten Außenstelle und der Investor mit einem langfristigen, sicheren Mieter.“
Das Ochsenfurter Palatium
Das Palatium in der Kellereistraße wurde bereits vor 1295 erbaut und in der Zeit bis 1390 mit einer Befestigungsanlage umgeben. Aus dieser Zeit stammt auch der als Bergfried genutzt Nikolausturm. Das Gebäude diente als Wohn- und Lagergebäude des Würzburger Domkapitels mit angeschlossener Kellerei und Weinkellern. Im 15. Jahrhundert wurde das Gebäude umfassend erneuert. Der Weinkeller wurde im Jahr 1496 um ein Stockwerk erweitert. Nach den Aufzeichnungen des Stadtarchivs entwendeten 1525 plündernde Bauen 400 Fuder Wein aus den Kellern des Palatiums. Nach heutigen Maßen entspräche das rund 330 000 Litern.
Der Ziehbrunnen im Innenhof wurde 1549 gebaut. Der Torbau, in dem bis vor wenigen Jahrzehnten die Landpolizei untergebracht war, wurde ebenfalls im 16. Jahrhundert über einem älteren Kern errichtet. 1758 wurde das Palatium vom Verlauf des Siebenjährigen Krieges beschossen. Einschläge von Kanonenkugeln sind noch heute am Nikolausturm zu erkennen.
Nach der Säkularisation diente das Palatium aus Bezirksamtsgebäude und später als Landratsamt. Das ehemalige Kelterhaus wurde 1862 abgerissen. MEG/Quelle: Stadtarchiv, BLFD