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WÜRZBURG
„Freiherr von Lichtland“ muss zahlen
Gisela Schmidt
Gisela Schmidt
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:37 Uhr

Um 13.07 Uhr erklärt der „Freiherr von Lichtland“ den Sitzungssaal 33 des Strafjustizzentrums Würzburg zum „Sitzungssaal Gottes und seines Sohnes Jesus Christus“ – und tut kund, dass er zu allen Vorwürfen nur „aus Gottes Sicht Stellung nehmen“ werde. Dann zeigt er dem Gericht einen selbst gebastelten „Diplomatenausweis“ und setzt sich, statt auf die Anklagebank, auf einen Stuhl im Zuschauerraum. Einen Verteidiger hat er nicht.

Richterin Gudrun Helm und Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen nehmen die Platzwahl hin. Sie wissen, wen sie vor sich haben: Einen ehemaligen Weinbau-Funktionär, der 2008 in einem Winzerstädtchen bei Würzburg den „Freistaat Lichtland“ gegründet hat. Seitdem fühlt der 58-Jährige sich als Staatschef, die Gesetze der Bundesrepublik sind ihm wurscht.

Zu seinem Leidwesen sieht die BRD das anders, weshalb 2016 ein Gerichtsvollzieher bei dem zweimal vorbestraften „Freiherrn“ 1500 Euro eintreiben wollte, die er einer Berufsgenossenschaft schuldet. Laut Anklage wurde der 58-Jährige vor die Wahl gestellt, zu zahlen, eine Vermögensauskunft (früher Offenbarungseid) abzugeben – oder in Haft zu gehen. Er entschied sich für die Vermögensauskunft.

Den Gerichtsvollzieher angezeigt

Wenig später trat bei dem „Freiherrn“ ein Sinneswandel ein und er zeigte den Gerichtsvollzieher wegen Nötigung und Erpressung an. Begründung: Der Staatsdiener habe ihm keine Chance gegeben, seine Schulden zu bezahlen, sondern ihn nur vor die Alternative Vermögensauskunft oder Gefängnis gestellt. Nun hat der „Freiherr“ eine Anklage wegen falscher Verdächtigung am Bein.

Seine Einlassung beginnt der 58-Jährige mit den Worten: „Ich spreche zu Gott. Das dauert länger.“ Und das ist wahr. Fast eine Stunde lang erklärt er, dass er eine „Seele“ sei, „die einen Menschen hat“, dass er durch die BRD „kriegerisch bekämpft“ werde und ihre Regeln „Reichs- und Nazigesetze“ seien . . .

Dann tritt der Gerichtsvollzieher in den Zeugenstand. Er habe den „Freiherrn“ sehr wohl aufgefordert, die 1500 Euro zu bezahlen, um die Vermögensauskunft oder eine Haft abzuwenden, sagt er. Aber der Angeklagte habe behauptet, dass er „aus religiösen Gründen mittellos“ sei. Ein Polizeibeamter, der den Gerichtsvollzieher damals begleitete, erzählt dem Gericht, dass er gehofft habe, dass der „Freiherr“ bezahlt. „Das hat er in den letzten Jahren ja öfter gemacht.“

Fragwürdige Friedfertigkeit

Weil der Angeklagte keine Auskunft zu seinen persönlichen Verhältnissen geben will, verliest die Richterin das, was er früher mal gesagt hat: Dass er als „Synarch“ bei freier Kost und mietfrei in „Lichtland“ lebt, verheiratet ist und vier Kinder hat, die alle „nicht im System der BRD arbeiten“. Sollte er „ausgelöst“ werden müssen, sei das möglich. Aber nicht „mit eigenen Mitteln“. In seinem Plädoyer stellt der Oberstaatsanwalt die vom Angeklagten immer wieder betonte „Friedfertigkeit“ der Bewohner von „Lichtland“ in Frage: „Ihr Benehmen passt nicht zu Ihren Ansprüchen.“ Er bescheinigt dem 58-Jährigen „besondere Hartnäckigkeit bei der Ablehnung geltenden Rechts“ und fordert sechs Monate ohne Bewährung.

Der „Freiherr“ nutzt sein letztes Wort, um dem Gericht zu erklären, dass es „für Lichtland keine Zuständigkeit vor Gott“ habe.

Wegen falscher Verdächtigung wird der 58-Jährige zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30 Euro, insgesamt also 5400 Euro, verurteilt. Kommentar des Verurteilten: „Gott richtet für sich.“

Es ist zu erwarten, dass die Entscheidung in die Berufung geht.

 
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  • E. S.
    Herrlich - es gibt im Leben so viele Dinge über die man sich ärgern kann... dann liest man so einen Artikel und hat ordentlich was zu lachen!

    Ist es solchen Leuten eigentlich egal dass sie sich da zum Affen machen? Naja - sollen sie ruhig - gut für den Rest der mal herzlich was zu lachen hat grinsen
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  • A. F.
    Eigentlich muss ich Ihnen Recht geben:

    Diese "Affenburger" sind mit ihrer auf der einen Seite skurrilen Einstellung und Lebensweise wirklich zum Lachen.

    Das diese "Affenburger" aber auf der anderen Seite in ihrer Gefahr nicht zu unterschätzen sind, zeigt der Zwischenfall letztes Jahr bei Nürnberg, als ein "Affenburger" einen SEK-Beamten erschossen hat.

    Von daher kann ich nur bedingt über diese "erdfarbenen" Chaoten lächeln ...
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  • E. S.
    Da stimme ich Ihnen zu! Lächerlich und gefährlich - leider!
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  • A. F.
    Tja, da hat die "böse böse BRD-GmbH" diesem "Freiherr der Dummheit" aber mal so richtig gezeigt, wo der Hammer hängt ...

    Richtig so.
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  • A. S.
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • G. S.
    Lieber redakteur, wir haben absichtlich keine Namen genannt und möchten dies auch so beibehalten. Deswegen können wir Ihren Kommentar nicht freischalten. Wir bitten um Ihr Verständnis!
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