zurück
Rimpar
Fränkisches Landjudentum: Darum verließen im 19. Jahrhundert so viele Juden Rimpar
Baruch und Sophia Schwab aus Rimpar haben auf dem Rosehill-Friedhof in Chicago einen repräsentativen Grabstein bekommen.
Foto: Scott Plummer | Baruch und Sophia Schwab aus Rimpar haben auf dem Rosehill-Friedhof in Chicago einen repräsentativen Grabstein bekommen.
Christian Ammon
 |  aktualisiert: 29.01.2023 03:00 Uhr

Hannelore Mintzel erforscht seit vielen Jahren die Geschichte der von Juden bewohnten Häuser rund um die Synagoge und den Marktplatz in Rimpar. Doch noch immer stößt sie auf Überraschungen. Mit Baruch Schwab ist sie auf eine auch ihr bisher unbekannte Persönlichkeit gestoßen. 1840 in die Vereinigten Staaten ausgewandert, gehörte er in seiner neuen Heimat, der Kleinstadt Watertown/Wisconsin nahe Chicago, zur Stadtprominenz. Der Unternehmer war jedoch nur einer von vielen jungen, meist männlichen Juden, die Rimpar im 19. Jahrhundert nicht ganz freiwillig verließen.

Die frühere Schulleiterin der Rimparer Hauptschule ist auf seine Spur erst durch einen Hinweis eines Nachkommen der Familie, Andreas Schwab, Professor in Kanada, gekommen. Er taucht daher in ihrem im vergangenen Jahr beendeten zweiten Buch über die Rimparer Juden nicht auf. Die Zeitung "Watertown Republican" vermeldet am 18. Mai 1887 seinen Tod und beschreibt ihn als "prominent" und "well known". Die Meldung ist jedoch rätselhaft, Der "Watertown Republican" gibt – ebenso wie das amtliche Todesverzeichnis – 1814 als Geburtsjahr an und weiß, dass Baruch 74 Jahre alt wurde. Sein Grabstein auf dem Rosehill-Friedhof in Chicago nennt gar 1815 als Geburtsjahr. Stimmen können beide Daten jedoch nicht: Schwabs Mutter, Bessla, starb schon 1813.

Geburtsurkunde gab es damals nicht

Mintzel kann nur vermuten, wieso er sich ihr Sohn seiner Einreise jünger gemacht hat, als er wirklich war. "Die Leute wussten oft selber nicht genau, wann sie geboren wurden", nimmt sie ihn in Schutz. Eine Geburtsurkunde wie heute habe es damals noch nicht gegeben, erklärt sie. Tatsächlich taucht seine Name in den Standesregistern, die seit 1812 geführt werden mussten, nicht auf. Im Königreich Bayern bekamen die Juden erst 1813 per Edikt das Bürgerrecht. Damit verbunden war die Verpflichtung, sich mit den Lebensdaten zu registrieren und einen festen Nachnamen zu tragen.

Sicher ist, dass die Eltern Moses und Bessla Schwab in dem Renaissance-Bau in der Niederhoferstraße, dem früheren Garten- und Gästehaus von Fürstbischof Julius Echter, wohnten. Sie waren Nachbarn der berühmten Familie Lehmann, deren Mitglieder in den USA unter anderem als "Lehman Brothers" zu Wohlstand gelangten. Sicher ist auch, dass Baruch Schwab im Jahr 1840 mit seiner späteren Ehefrau Sophie, geb. Mann, aus Gnodstadt, nach Amerika ausgewandert ist. Sein Name taucht auf der Passagierliste des Ozeandampfers "Susan" mit dem Beruf "Farmer" auf, der von Bremen nach New York fuhr. In Amerika nennt er sich "Berin". In Watertown bei Chicago lebt er seit 1856. Er führt ein erfolgreiches Bekleidungsgeschäft und hat mit seiner Frau neun Kinder.

Wichtiger Teil der Rimparer Geschichte

Die Auswanderungswelle von Juden nach Amerika ist, erklärt Mintzel, ein wichtiger Teil der Rimparer Geschichte. Das Edikt von 1813 hatte zwar deren weitgehende Gleichberechtigung gebracht, jedoch auch die Zahl der jüdischen Familien in den einzelnen Gemeinden begrenzt. Ein junger Mann, der eine Familie gründen wollte, hatte daher kaum eine andere Wahl, als seine Heimat zu verlassen. Auch gab es nach der rechtlichen Gleichstellung zunächst erhebliche Spannungen mit der christlichen Mehrheitsgesellschaft. Bei den sogenannten Hep-Hep-Krawallen von 1819 gehörte Rimpar zu den Hauptorten der antijüdischen Ausschreitungen. Marodeure drangen damals in die Synagoge ein und verwüsteten diese. Ein damals eigens nach Rimpar verlegtes Militärkommando mit 50 Mann war nötig, um weitere Ausschreitungen zu verhindern.

Die Rimparer Gemeinde wuchs dennoch weiter. Die noch heute erhaltene Synagoge wurde 1852 erweitert. Mintzel schätzt, dass zudem im 19. Jahrhundert mindestens ein Zehntel der Rimparer Juden nach Übersee ausgewandert ist. Baruch Schwab dürfte einer der ersten Rimparer Juden gewesen sein, die das amerikanische Freiheitsversprechen lockte, noch weit vor den bekannten und berühmteren Lehmanns. "Es ist zu vermuten, dass er den Weg dafür bereitete, dass die Lehmanns auch nach Amerika kamen", so Mintzel.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Rimpar
Christian Ammon
Andreas Schwab
Juden
Lehman Brothers
Marktplätze
Mütter
Synagogen
Söhne
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top