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WÜRZBURG
Flüchtlingsrat: „Integration scheint nicht gewollt“
Eva Peteler und Burkhard Hose fordern als Sprecherduo des Würzburger Flüchtlingsrates einen würdigen Umgang mit Geflüchteten.
Foto: Pat Christ | Eva Peteler und Burkhard Hose fordern als Sprecherduo des Würzburger Flüchtlingsrates einen würdigen Umgang mit Geflüchteten.
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:20 Uhr

Völlig schockiert saß der Mann aus Syrien vor seinem Sachbearbeiter im Jobcenter. „Sie lügen mich doch an!“, hatte der eben laut gesagt. Der Flüchtling war fassungslos. Versuchte er doch immer, alles so korrekt wie möglich zu machen. „Der Vorfall ist keine Ausnahme“, sagt Burkhard Hose vom Würzburger Flüchtlingsrat. Unabhängig voneinander berichteten verschiedene Geflüchtete in letzter Zeit, dass sie beim Jobcenter unwürdig behandelt worden seien.

Seit genau einem Jahr gibt es in Würzburg einen Flüchtlingsrat. Sieben Menschen, die mit Flüchtlingsarbeit befasst sind, haben sich in diesem Gremium zusammengeschlossen. Der Start fiel in chaotische Zeiten: Hunderte Flüchtlinge kamen in Würzburg an. Die Behörden waren überfordert mit ihrer Unterbringung und Versorgung. Besonders zu schaffen machte dem Flüchtlingsrat im Herbst 2015 die sogenannte Kettenumverteilung: Flüchtlinge wurden x-Mal verlegt, mit Sack und Pack mussten sie von einer Unterkunft in die nächste ziehen. Bis sie endlich irgendwo bleiben durften. Dieses Problem gehört der Vergangenheit an. Es kommen deutlich weniger Flüchtlinge neu nach Würzburg. Diejenigen, die hier sind, sollen und wollen sich nun integrieren.

„Und hier läuft es noch gar nicht rund“, sagt Flüchtlingsaktivistin Eva Peteler, die zusammen mit Burkhard Hose das Sprecherduo des Flüchtlingsrats bildet. Geflüchtete, die eine Ausbildung beginnen wollten, berichteten ihr, dass ihnen das verwehrt werde: „Einer der Geflüchteten bekam beispielsweise zu hören, dass er sowieso bald abgeschoben werde.“ Beim anderen hieß es: „Das schaffen Sie doch sowieso nicht.“

Beim Flüchtlingsrat werden die Beschwerden gesammelt und dokumentiert. „Sowie uns auffällt, dass irgendwo ein strukturelles Problem besteht, werden wir aktiv“, schildert Burkhard Hose. Der Flüchtlingsrat hilft also nicht bei individuellen Schwierigkeiten. Seine Aufgabe besteht darin, auf Missstände und Defizite bei der Integration hinzuweisen und mitzuwirken, die Probleme zu beheben. Dies geschieht durch Gespräche mit jenen Stellen, über die Geflüchtete gehäuft klagen. So gab es vor einem Jahr intensive Gespräche mit der Schweinfurter Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Auch mit der Polizei hatte der Flüchtlingsrat schon Kontakt.

„Jetzt stehen Gespräche mit dem Jobcenter an“, verkündet Hose. Denn die Haltung mancher Sachbearbeiter gegenüber Geflüchteten sei inakzeptabel: „Die Menschen werden unter Generalverdacht gestellt, dass sie den Sozialstaat ausbeuten wollten.“

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Statt alles zu tun, um Geflüchtete zu qualifizieren und ihnen Berufsperspektiven zu eröffnen, würden viele von ihnen in prekäre Jobs abgedrängt: „Zum Beispiel in Küchen oder zum Putzen.“ Genau das biete keine Perspektive.

Beim Jobcenter selbst ist man auf Nachfrage erstaunt über die Vorwürfe. Man versuche, alle auftretenden Probleme von Flüchtlingen „zeitnah, zielgerichtet und in Absprache mit den jeweiligen Betroffenen abzuarbeiten“, erklärt Pressesprecher Kilian Koßner. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Sachbearbeitern und Flüchtlingen liege der Geschäftsführung „sehr am Herzen“. Deshalb würden die Mitarbeiter auch durch Kommunikationsschulungen auf den Kontakt mit Flüchtlingen vorbereitet.

„Das Jobcenter der Stadt Würzburg ist sich seiner Verantwortung als wichtiger Baustein zu einer gelungenen Integration von Flüchtlingen bewusst und wir handeln danach“, betont Koßner. Klagen oder Beschwerden von Flüchtlingen seien dem Team nicht bekannt: „Wir bieten aber gerne an, die vom Flüchtlingsrat beanstandeten Einzelfälle zu prüfen und gegebenenfalls gemeinsam an konstruktiven Lösungen zu arbeiten.“

Viele Flüchtlinge haben grundsätzlich Angst vor Behörden, erfuhr Eva Peteler soeben bei einem Besuch in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft. Dies betreffe auch die Ausländerbehörden in Stadt und Kreis. Einige Geflüchtete trauten sich nur mit einem Ehrenamtlichen aufs Amt: „Aber das kann ja wohl nicht sein, dass man sozusagen einen Bodyguard mitnehmen muss.“ Was Flüchtlinge erlebten, stehe im krassen Widerspruch zur vollmundigen Erklärung, dass alles für eine gute Integration getan werde. „Manchmal scheint es so, dass man Integration tatsächlich gar nicht will“, bestätigt Burkhard Hose.

Dem Flüchtlingsrat ist klar, dass nicht nur Geflüchtete ungute Erfahrungen auf Behörden machen. Auch Einheimische, die seit langem arbeitslos und deshalb vom Jobcenter abhängig sind, leiden laut Hose mitunter darunter, dass ihnen unlautere Absichten oder mangelnde Mitwirkungsbereitschaft unterstellt werden. Auch dies wird bei den anvisierten Gesprächen mitgedacht. Mitarbeiter sozialer Behörden hätten die Pflicht, individuell und vorurteilslos bestmöglich zu helfen, betont der katholische Hochschulpfarrer.

Grundsätzlich fordern die zwei Ratssprecher eine vom Gedanken der Gleichberechtigung getragene Haltung gegenüber Geflüchteten. Hose: „Diese Menschen sind keine Bittsteller und auf Dauer auch keine Hilfeempfänger.“ Sie wollen sich einbringen und ein vollwertiger Teil der Gesellschaft werden. Eben das werde oft verhindert: „Indem man die Leute klein hält und ausbremst“.

 
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  • T. B.
    Sie sind ja bekannt dafür, dass Sie regelrecht Slalom laufen um nur ja keinem Fettnapf zum entkommen. Ihre Aktionen, welche zweifelsohne von gutem Charakter genährt sind, entpuppen sich nicht selten als äußerst durchsichtig und reichlich einfältig. Mit derartigen Artikeln machen Sie sich zum Stiefelhalter von AfD und Pegida. Wie meinte Henrik Broder, in Deutschland sind wir entweder alles Schurken oder Gutmenschen, so werden wir im Ausland gesehen. Aber nicht alle Flüchtlinge sind gut oder schlecht, nicht alle AfD-Wähler und Pegidaanhänger sind Nazis. Es ist wichtig Meinungen zu hören und miteinander zu reden. Aber damit haben wir längst aufgehört, falls wir überhaupt jemals damit angefangen haben. Vielleicht wurden wir mit den Flüchtlingen von Beginn an in Gute und Böse eingeteilt, weil Dialoge nicht stattfinden, oder auch nicht erwünscht sind. Konsens ist immer nur dann möglich, wenn es die Beteiligten auch wollen.
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  • H. H.
    sind sowieso die, die in der Kirche ministrieren und in der Fußballmannschaft mitspielen...

    Da gilt es doch alle Hebel in Bewegung zu setzen, um das zu verhindern. Oder wie?
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  • Veraltete Benutzerkennung
    sondern um die sog. Hartzreformen. Wie schon ganz richtig gesagt wurde, werden Arbeitslose beim Jobcenter öfters der Lüge bezichtigt. Insofern sind die Flüchtlinge eben voll und ganz in unserer Normalität angekommen. Einer Normalität, die eben vielen halbwegs gut situierten Bürgern bislang unbekannt war und von der sie auch nicht all zu viel wissen wollten und wollen. Im Jobcenter sitzen doch keine netten Sozialarbeiter, die Menschen helfen wollen. Das sind Technokraten, die von oben Druck bekommen und diesen gehorsam - mehr oder weniger nach genauer Anweisung - nach unten weitergeben. Vor etlichen Jahren ist mal eine Mitarbeiterin eines Jobcenters ausgestiegen und hat "ausgepackt". Vielleicht erinnern sich noch einzelne daran, wie sehr man sie bemüht hat, diese Frau mundtot zu machen.
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  • T. B.
    Derartige Artikel sind für mich ein Synonym, warum Deutschland in der Flüchtlings-debatte derart gespalten ist. Hier wird ein Szenario öffentlich gemacht, welches ausschließlich auf der Darstellung des Flüchtlings beruht. Eine Stellungnahme des Mitarbeiters der Agentur gibt es nicht, aber dies ist auch bewusst so gewollt. Unterschwellig werden auf diese Art und Weise tausende Mitarbeiter in den Behörden unter Generalverdacht gestellt, Flüchtlinge schlecht zu behandeln. Diese Darstellungen sind peinlich und helfen in der Sache weder den Flüchtlingen noch den Menschen in diesem Land. Sie schreiben auch nicht von den Flüchtlingen, welche stehlen, vergewaltigen und dealen, ihre Pässe wegwerfen und sich als Syrer ausgeben, obgleich sie aus ganz anderen Ländern kommen. Es gibt nicht den guten und nicht den schlechten Flüchtling, jeder ist einzigartig und als solcher zu bewerten. Was Sie hier machen Herr Hose ist Wasser auf die Mühlen der rechten Szene, aber damit haben Sie ja viel Erfahrung.
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  • H. S.
    er nicht gleich eins mit der Nazikeule übergebraten bekommen hat.
    Die meißten Flüchtlinge haben einen Schulabschluß noch unterhalb eines deutschen Hauptschulabschlußes. Dazu kommen noch die fehlenden Deutschkenntnisse. Solche Leute sind doch kaum wo anders hin zu vermitteln als zum abspühlen oder zum putzen.
    Oder wir schicken diese Leute jahrelang weiter auf die Schule (auf Kosten des Steuerzahlers), damit sie in ein paar Jahren wenigstens nen vernünftigen Schulabschluß haben, wenns sie heimreisen müssen.
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  • S. M.
    Wie war das mit dem Glashaus und den Steinen?

    Wer von „der Jobcenter“, den „meißten“ Flüchtlingen und vom „abspühlen“ spricht, sollte sich nicht über fehlende Deutschkenntnisse von Flüchtlingen beklagen.
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  • J. N.
    Das unterstellen manche Mitarbeiter der Arbeitsagentur Würzburg nicht nur Flüchtlingen, sondern auch jungen einheimischen Arbeitssuchenden. Dass jemand wirklich arbeiten will, und allen Ernstes eine Stelle sucht, wird offenbar von vornherein ausgeschlossen.
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  • R. D.
    Ein Flüchtling flüchtet vor etwas. Nachdem die Fluchtursache beseitigt ist kehrt er zurück in seine Heimat. Richtig?
    Nicht zu verwechseln mit Einwanderung. Hier sollten wir uns die Leute ins Land holen welche Deutschland voranbringen (Hochqualifizierte, Wissenschaftler,...)
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  • L. W.
    Wenn Deutschland hoch qualifizierte Zuwanderer will dann darf der Wahnsinn von Pegida und andere fremdenfeindliche Aktionen aber nicht weiter andauern. Die Uni Dresden leidet bereits jetzt unter dieser xenophoben Stimmung speziell in Sachsen und bekommt manche gewünschte Professoren nicht mehr in die Stadt, da diese ihren Familien dieses fremdenfeindliche Klima nicht zumuten wollen.

    Erfindergeist und Innovation braucht freie Geister und Querdenker nicht Denken in Schablonen und festen Rastern.

    Die neuen Bundesländer sind als verlängerte Werkbank der aus Westdeutschland stammenden Industrie viel zu teuer. Nur mit Forschung und Innovation können dort neue qualifizierte Arbeitsplätze entstehen, die dauerhaft die Differenzen innerhalb Deutschlands nivellieren könnten.

    Pegida und die daraus entstandenen fremdenfeindlichen Umtriebe behindern den technischen Fortschritt und schaden Deutschland im Ganzen, aber speziell dem Teil der Nachholbedarf hat.
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  • A. S.
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  • T. B.
    ich arbeite seit geraumer Zeit mit Flüchtlingen und darf Ihnen sagen, dass der Wille zur Arbeit in den allermeisten Fällen sehr groß ist. Aber der Wille alleine genügt leider nicht, denn die Flüchtlinge sind in 90 % der Fälle derzeit in den Arbeitsmarkt, ausgenommen Hilfstätigkeiten, kaum integrierbar. Nun, an das Märchen von Frau Dr. Merkel, da kommen viele hochausgebildete Menschen, dies haben selbst die allergrößten Euphoriker verstanden. Seit Beginn der Flüchtlingswelle diskutieren wir immer wieder über den Begriff der Integration. Was ist eigentlich Integration? Die wenigsten Menschen haben Kontakt zu Flüchtlingen und haben keine Vorstellung davon, wie stark diese Menschen in Ihrer Herkunft und Religion geprägt sind. Das Frauenbild ist mit dem unseren nicht im Ansatz vergleichbar. Ein Großteil der muslimischen Flüchtlingen ist sehr stark religiös, teils extrem, verwurzelt. Hier sehe ich viel größere Herausforderungen als die Einbindung in den Arbeitsmarkt.
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  • T. B.
    Der Großteil der Flüchtlinge kommt mit großer Willenskraft nach Deutschland, aber sie legen weder ihre Werte noch ihre gelebte Religion an der Grenze einfach so ab. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten, besonders in den Großstädten, Parallelgesellschaften entstehen lassen, dieser Fehler darf nicht noch einmal passieren. Über 1 Mio. Flüchtinge, dies hat bei vielen Menschen Ängste verursacht, aber keiner hat ihnen bis heute erklärt "wie wir das schaffen". Bei Pegida und AfD waren Anfangs sehr viele verunsicherte Bürger, die von den Regelparteien vergessen wurden. Das Dümmste was man machen konnte war, diese Menschen einfach in die rechte Schublade zu stecken, statt mit Ihnen den Dialog aufzunehmen. Wer nicht Gutmensch ist in diesem Land ist Nazi, zwischen drin scheint es nichts zu geben. Politik ist ein dreckiges Spiel, längst geht es nicht mehr um Flüchtlinge oder die Menschen im eigenen Land, es geht nur noch um den Selbsterhalt, und das um jeden Preis.
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