Eigentlich müsste jedem Besucher bei dem Motto der neuen Show im Circus Flic Flac „farblos“, sofort der Begriff „Thema verfehlt“ einfallen. Was 1400 Würzburger Besucher am Premierenabend sehen, ist nämlich alles andere als farblos: Es ist ein zweistündiger atemberaubender Ritt durch die faszinierende Welt der Artisten.
Juniorchefin Larissa Medved-Kastein, eine Tochter des Flic Flac-Gründers Benno Kastein, hatte das Motto so begründet: „Es bedeutet die Konzentration auf das Wesentliche der jeweiligen Darbietung ohne Ablenkung durch Äußerlichkeiten.“
Und immer noch mehr
Der Abend zeigt pralles Zirkusleben mit atemberaubenden Auftritten, untermalt von hämmernder Musik. Der Zuschauer sieht Artisten, wie die Jungs vom Todesrad. Und wenn er glaubt, spannender gehe es nicht mehr, setzen die Spitzen-Artisten noch einen drauf. So laufen sie beispielsweise in oder auf dem sich drehenden Rad hoch über den Zuschauern. Oder sie lassen sich außen mitziehen. Und dann, wenn man glaubt das war es, springt einer ganz locker außen am laufenden Rad auch noch in die Höhe.
Scheinbar mühelos dreht Viktar Shainoha an den an der Decke befestigten Bändern hängend seine Pirouetten unter der Zirkuskuppel. Und wenn die Besucher genügend Zeit hatten, den gestählten Körper des Artisten im Iro-Haarschnitt zu bewundern, lässt er sich von oben in die Tiefe auf eine Matte fallen, eine Art Todessturz aus der Kuppel.
Menschliche Pyramiden
Die Truppe Wild beweist, wie vielfältig Handstände oder menschliche Pyramiden einsetzbar sind. Der Zuschauer erlebt Denis Ignatov mit seinen Würfeln aus schillerndem Metall, die er so schnell dreht und jongliert, dass ein flirrender Lichterbogen erscheint.
Es ist eine Atmosphäre im gelb-schwarzen Zirkuszelt, die einen packt und schnell die Welt draußen für zwei Stunden vergessen lässt. Was hier zählt, sind Menschen, die etwas ganz Besonderes können. Und spätestens wenn sich der Besucher fragt, warum aus dem Ausgang plötzlich vier knatternde Cross-Maschinen herausschießen, auf denen Fahrer sitzen, die bei ihren 40-Meter-Sprüngen noch jede Menge Faxen machen, ist er im Flic Flac angekommen. Sie sind spektakulär anzuschauen, wie sie nur mit der Hand am Gasdrehgriff hinter ihrem Bike herfliegen.
Besonderer Comedian
Spaßmacher Patrick Lemoine hat eine besondere Erwähnung verdient, denn seine Auftritte gehen weit über die Funktion eines Pausenclowns hinaus. Spätestens nach seiner begnadeten Imitation eines indischen Gurus und der Bemerkung „Mit dem Scheiß verdiene ich Geld“ hat er das Publikum nicht nur mächtig erheitert sondern auch für sich eingenommen.
Sandeep Vithoba Kale aus Indien interpretiert Joga an einem Pfahl aus Holz neu. Oder Alain Alegria auf dem Washington-Trapez, der es tatsächlich fertig bringt, in 20 Metern Höhe auf dem Trapez Pause auf einem Stuhl zu machen, den er ausbalanciert. Das Tempo im Flic Flac ist enorm, kein Ansager kommentiert, stellt vor. Nummer reiht sich auf Nummer.
Sinnlicher Auftritt
Wie schafft es Ira Rizaeva nur, in einem Glaskasten immer mehr bunte Bälle zu werfen, aufzufangen und dann auch noch ein gleichmäßiges Muster zu zaubern? Einen tollen Song hat sich das Duo Turkeev ausgesucht für ihre Nummer voller Sehnsucht und Liebe: „Another Love“ von Tom Odell. Wenn sie hoch oben in der Kuppel um den anderen werben, liegt viel Sinnlichkeit im Auftritt. Und wenn die Frau ihren Partner von oben mit Goldstaub überschüttet, schmilzt so mancher Zuschauer dahin.
Den Schlusspunkt setzen zwei grandiose Nummern. Die Adrenalin Troupe auf dem Hochseil, die zeigt, wie man eine menschliche Pyramide aus sieben Artisten auf dem Hochseil ausbalanciert und Jenny Kastein mit Partner Daniil Biriukov, die aufeinander im strömenden Regen Figuren bilden, die der Schwerkraft zu trotzen scheinen.
Der Artist lebt auch vom Beifall der Zirkusbesucher. Und der will an diesem besonderen Abend einfach nicht enden. Es gibt stehende Ovationen und nur ganz langsam leert sich das Zelt. Die Zuschauer äußern sich begeistert: „Hab ich so noch nicht erlebt“ oder „Meine Tochter hat uns das empfohlen, unglaubliches Erlebnis.“