Der neue Betriebsstandort, den die Firma Kindermann vor fast zwei Jahren in Eibelstadt bezogen hat, wirkt nüchtern und funktional. Kein Vergleich zu den alten, über Jahrzehnte gewachsenen Betriebsgebäuden in Ochsenfurt. Die Architektur versprüht den Eindruck von Hochtechnologie, und um die ging es auch beim Besuch von Landrat Eberhard Nuß.
Gemeinsam mit Vertretern von Landratsamt, IHK und Handwerkskammer war er bei Kindermann zu Gast, um das Unternehmen kennenzulernen und aus erster Hand Wünsche und Kritik entgegenzunehmen. Nuß' Vorgänger hatte den regelmäßigen Dialog mit Firmen aus dem Landkreis vor fast mehr als einem Jahrzehnt begründet.
Damals stand Kindermann noch vor einer ungewissen Zukunft. Die Firma war insolvent. Nur mit Zustimmung der Gläubiger konnte der Betrieb weiterlaufen. Erst nachdem Paulinus Hohmann, Unternehmer aus Großheubach, den Betrieb 2007 seiner Firmengruppe einverleibte, ging es wieder bergauf – und das bis heute, wie Hohmann betont. Die Zahl der Mitarbeiter ist in dieser Zeit von rund 70 auf knapp über 100 gewachsen.
In ihrer 150-jährigen Geschichte hatte die Firma viele Technologiewechsel überlebt – vom Hersteller von Petroleumlampen über den Technologieführer bei der Diaprojektion und der Fotolabortechnik bis hin zum weltgrößten Hersteller von Overhead-Projektoren. Den Anschluss ans digitale Zeitalter hat Kindermann in den 90er Jahren verpasst – dadurch war die größte Krise der Firmengeschichte ausgelöst worden.
Paulinus Hohmann trieb die Entwicklung in eine neue Richtung. Die Konferenz- und Medientechnik ist heute der Schwerpunkt des Unternehmens. Die digitalen Endgeräte kauft Kindermann zu und fügt sie mit eigenen Komponenten zu Gesamtlösungen zusammen. Von Funktionsmöbeln für Schul- und Vorlesungssäle bis hin zur Komplettausstattung von Konferenz- und Tagungsräumen reicht das Produktportfolio heute. Diese Angebotsbreite – von der Konzeption vor der Planung bis zur Betriebsbereitschaft – biete sonst niemand am deutschen Markt, sagt Hohmann.
Auf rund 30 Prozent beziffert Produktionsleiter Joachim Porzelt die Eigenfertigung. Sie beschränkt sich vor allem auf die technisch anspruchsvollen Komponenten. Den Rest kauft Kindermann zu, aus einem Tochterunternehmen der Hohmann-Gruppe in Tschechien und auch aus Fernost. Der Import einfacher Zulieferteile aus Billiglohnländern helfe, Arbeitsplätze in Eibelstadt zu schaffen und zu sichern, sagt Firmenchef Paulinus Hohmann. Wichtigster Standortfaktor aber seien die gut ausgebildeten Mitarbeiter und deren Fähigkeit, auf neue Anforderungen in den sich ständig wandelnden Märkten zu reagieren.
Dieser schnelle Wandel wird an den Tageslicht-Projektoren deutlich. Bis vor wenigen Jahren noch verkaufte Kindermann davon Tausende pro Jahr – vor allem an Schulen. In kurzer Zeit ist der Absatz eingebrochen. In vielen Schulen kommen heute so genannte Smart-Boards zum Einsatz, die die grüne Wandtafel früherer Zeit mit der digitalen Projektionstechnik verbinden. Anders als vor 20 Jahren bei der Foto- und Präsentationstechnik hat Kindermann von diesem Technologiewandel profitiert.
Auf Wandlungsfähigkeit ist auch der neue Firmensitz ausgelegt. Nach einem Baukasten-Prinzip sind die einzelnen Abteilungen – Verwaltung und Vertrieb, Logistik und Produktion – auf dem Gelände angeordnet, erläutert Hohmann. Jede für sich erweiterbar, um auf Veränderungen der Märkte reagieren zu können. „Diese Flexibilität zeichnet Kindermann aus“, so Hohmann, „deshalb ist mir um die Zukunft nicht bang.“
Beim Vertrieb vertraut Kindermann auf ein Netz aus rund 2500 Fachhändlern, erläutert Vertriebsleiter André Sahm. Paulinus Hohmann sieht sich dabei dem mittelständischen Händlernetz verpflichtet. Trotz zunehmender Standardisierung werden Kindermann-Produkte auch künftig nicht im Baumarkt zu haben sein. Folge sei aber, dass der Markenname den Endkunden kaum geläufig sei.
Sogar in der unmittelbaren Region werde Kindermann noch immer mehr mit Diaprojektoren und Tageslichtschreibern in Verbindung gebracht als mit modernen Konferenz- und Präsentationstechnik, beklagt der Geschäftsführer. Selbst bei öffentlichen Ausschreibungen für die Ausstattung von Schulen und Sitzungssälen in nächster Nähe bleibe das Eibelstadter Unternehmen regelmäßig außen vor.
Landrat Eberhard Nuß und Armin Stumpf, zuständig für das Regionalmarketing im Landkreis, führen dies auf die strengen öffentlichen Vergaberichtlinien zurück. Die machen es schwer, regionale Anbieter zu bevorzugen, selbst wenn die auf Dauer einen besseren Service garantieren. Zwar sei man auf EU-Ebene dabei, das Vergabewesen stärker zu regionalisieren und mittelstandfreundlicher zu gestalten, so Stumpf. Der Ausgang dieses Verfahrens sei aber ungewiss.