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GERBRUNN
Finger weg von kleinen Igeln!
Traudl Baumeister
Traudl Baumeister
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:16 Uhr

 

„Hat ein Jungtier geöffnete Augen, ist unverletzt und läuft alleine im Freien herum, ist in der Regel alles in Ordnung.“
Gudrun Martin Igel-Fachfrau
Spätestens im September beginnt für Gudrun und Herbert Martin wieder die anstrengendeste Zeit im Jahr. In ihrer Igel-Auffangstation und bei den angegliederten Vertretungsstellen, wie etwa Brigitte Ales, herrscht jetzt, mit dem Ende der Sommerferien, wieder Hochkonjunktur.

 

Wie viel Unwissen es in der Bevölkerung nach wie über die nützlichen Säugetiere gibt, macht Gudrun Martin auch nach Jahren noch immer fassungslos. Dabei sind es eigentlich nur wenige Dinge, die sich Gartenbesitzer, Naturliebhaber oder einfach jeder, der sich im Freien bewegt, über die Stacheltiere merken sollte.

Die erste Regel heißt schlicht Ruhe. Wer jetzt ein Igelnest im Grünen findet, sollte sich freuen – die kleine Familie ansonsten aber in Ruhe lassen. „Schauen Sie nicht rein, informieren Sie nicht die ganze Nachbarschaft und lassen Sie so die Jungtiere und ihrer Mutter die nötige Ruhe“, bittet die Ersatzigelmutter inständig.

Störungen mit tödlichen Folgen

In Gerbrunn päppeln sie und ihr Mann gerade mühsam sechs Igelkinder aus einem achtköpfigen Wurf auf, den die Mutter verlassen hat. Weil jeder ins Nest geschaut oder gar reingelangt hat, alle Kinder aus der Nachbarschaft die süßen Jungen auch mal sehen wollten, hat die Mutter schließlich die Konsequenz aus den ständigen Störungen gezogen und ihren Nachwuchs sich selbst überlassen. „Als dann zwei der acht Jungen tot waren, hat man uns schließlich die restlichen Kleinen gebracht“, erzählt die ehrenamtliche Igelretterin.

Kleine Igel nicht unterschätzen

„Igel können schwimmen. Ist das Ufer aber rundum steil, haben sie keine Chance, den Teich wieder zu verlassen.“
Herbert Martin Igel-Fachmann

Die zweite Regel heißt: Kleine Igel werden oft unterschätzt. „Hat ein Jungtier geöffnete Augen, ist unverletzt und läuft alleine im Freien herum, ist in der Regel alles in Ordnung.“, erklärt Martin. Das Tier ist selbstständig und alleine überlebensfähig und braucht keine, wenn auch noch so gut gemeinte Hilfe. „Mit etwa 180 Gramm Gewicht (etwa sechs bis acht Wochen nach der Geburt) sind Igel der Kinderstube und dem Säugen entwachsen,“ erklärt die Fachfrau. „Will man ihnen etwas Gutes tun, reicht es, Schälchen mit Katzennassfutter und Wasser in den Garten zu stellen. Auf keinen Fall aber Milch“. Keinesfalls, ergänzt sie warnend, dürfe man die kleinen Wildtiere einfangen und wie Haustiere halten: „Das ist nicht nur nicht artgerecht, sondern schlicht und einfach bei Strafe verboten.“

Im Zweifelsfall wiegen

Alle drei Stunden gibt's die Futter-Spritze.
| Alle drei Stunden gibt's die Futter-Spritze.

Ist man unsicher, ob so eine allein herumstreifende kleine Stachelkugel wirklich schon groß genug und nicht doch aus dem Nest gekrabbelt ist, weil die Mutter fehlt, hilft die Küchenwaage. „Ziehen Sie Handschuhe an, legen Sie ein Küchenkrepp auf die Waage und wiegen das Kerlchen kurz“, rät Martin. Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie schwer es ist, das Gewicht zu schätzen. Sind 180 Gramm überschritten und der Igel wirkt fit, lässt man ihn einfach seiner Wege ziehen.

Die dritte Regel richtet sich an alle Gartenbesitzer: Schneckenkorn, Blaukorn und derartiges sind tödliches Gift für die Nutztiere. Naturnahe Gärten und Gartenecken dagegen unterstützen die Aufzucht. Bevorzugt wählt die Igelmama einen Komposthaufen als Standort für ihr Nest aus. Wer also jetzt seinen Kompost umsetzen möchte, sollte behutsam vorgehen – und falls möglich, einfach noch ein paar Wochen damit warten.

Noch gut erinnert sich das Ehepaar an den Landwirt, der im Vorjahr mit Schwung mit der Mistgabel in den Haufen stach und ungewollt die Igelmutter aufspießte. „Das war ihm wirklich arg und er war untröstlich“, berichtet die Igelhelferin. Den verwaisten Jungigeln nutzte das allerdings nichts mehr.

Gefahr Gartenteich

Mit einer weiteren Gefahr für Mutter und Säuglinge hatte es die Auffangstation in diesem Jahr auch schon zu tun. „Ein Wurf ist bei uns gelandet, weil die Mutter im Gartenteich ertrunken ist“, berichten die Gerbrunner. Sie bitten daher Teichliebhaber, das Nass im Garten tiergerecht zu sichern. Dazu braucht es nicht etwa einen Zaun, aber Steine und eine Flachzone, die es Tieren ermöglicht, wieder aus dem Teich herauszukommen. „Igel müssen und wollen Wasser trinken und können auch schwimmen. Ist das Ufer aber rundum steil, haben sie keine Chance, den Teich wieder zu verlassen“, erläutert Herbert Martin.


Igel brauchen Katzennassfutter und Wasser. Milch ist verboten.
| Igel brauchen Katzennassfutter und Wasser. Milch ist verboten.

Während sie erzählen, füttert das Paar Jungigel, die es derzeit in Obhut hat. Nebenbei klingelt immer wieder das Telefon. Sechs Jungtiere, zwischen 55 und 105 Gramm schwer, kämpfen derzeit in Sommerhausen ohne Mutter ums Überleben. „Bitte bringen Sie sie so schnell wie möglich zu uns“, bittet Martin die Finderin eindringlich.

Immer wieder mal sind die Martins mit dem Wunsch von Anrufern konfrontiert, die Auffangstation könnte die Igel doch eigentlich auch selbst abholen. Doch die beiden haben ohnehin alle Hände voll zu tun, um die hungrigen Igel spätestens alle drei Stunden (natürlich auch in der Nacht) mit der Spritze zu füttern und ihnen mittels Wattestäbchen-Massage beim überlebensnotwendigen Entleeren des Darms zu helfen.

Wunden spülen, Zecken entfernen sowie Boxen und Übergangsgehege sauber halten, kommt noch dazu. „Da können wir wirklich nicht noch herumfahren und Igel holen“, bittet Gudrun Martin um Verständnis.

Dringend Helfer gesucht

Es gibt viel zu tun für Gudrun und Herbert Martin.
| Es gibt viel zu tun für Gudrun und Herbert Martin.

Die Igel-Helfer arbeiten nach wie vor rein ehrenamtlich. Und benötigen dringend weitere Helfer, die von Ende August bis November als Igel-Ersatzmamas mit Säuglingsspezialnahrung und Spritze bereit stehen, werden neue Jungigel angeliefert. Nach einer schweren Operation ist Gudrun Martin noch nicht wieder so belastbar, wie sie sein müsste, wächst die Zahl der zu versorgenden Babys noch weiter an.

Außer Zeit und Fingerspitzengefühl für die Tiere müssen die Helfer nichts weiter mitbringen. „Wir statten unsere Vertreter mit allem aus, was sie benötigen“, verspricht Herbert Martin, „von der teuren Nahrung, über Spritzen und Aufbewahrungsboxen.“ Etwa fünf bis sechs Wochen dauert es bis ein Wurf so weit ist, selbstständig zu fressen, die Pflegestelle wieder zu verlassen und ins Übergangsgehege der Martins einzuziehen.

Auf Spenden angewiesen

Um all das auch finanzieren und den Igel in Unterfranken weiterhin helfen zu können, ist die Station allerdings auf Spenden angewiesen.

Kontaktdaten: Igelauffangstation Gerbrunn, Tel. (09 31) 30 48 96 08, Vertretung: Tel. (09 31) 61 30 70, Zweigstelle Retzbach, Tel. (0 93 64) 38 23. Spendenkonto: IBAN DE03 7909 0000 0005 3623 26, BIC: GENODEF1WU1, Zweck: „Igelhilfe“

 
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