Sie ist 27 Jahre alt, kommt aus Wonfurt (Lkr. Haßberge) und studiert in Würzburg Psychologie im Master. Klingt nicht unbedingt nach einer klassischen Film-Karriere. Und doch: Kim Hertinger hat sich an Großes gewagt. Mit einem etwa 25-köpfigen Team produziert sie einen aufwändigen Kurzfilm. „Meer bei Nacht“ heißt er und wurde vergangene Woche im Würzburger Theater Chambinzky und im Uniklinikum gedreht.
Der 20-minütige Film erzählt die Geschichte von Franz Rakowsko (Peter Kotthaus), dessen Alkoholsucht ihm jegliche Form der Selbstbestimmung, Ansehen und sozialen Rückhalt genommen hat. Erkrankt ist er an der seltenen Demenzform Korsakow-Syndrom (siehe Infokasten). Typisch dafür ist das unbewusste Erfinden von Geschichten, die sich für die Erkrankten jedoch wie die Realität anfühlen, das sogenannte Konfabulieren.
„Durch mein Studium kam ich auf diese Erkrankung und habe mich gefragt, was in den Köpfen dieser Menschen vorgeht“, sagt Hertinger. Sie recherchierte beim Uniklinikum und bei sozialen Organisationen, die sich mit der Krankheit befassen.
Warum sie sich überhaupt mit Filmen beschäftigt, erklärt sich schnell, wenn sie aus ihrer Kindheit erzählt. „Ich habe damals schon gerne hinter der Kamera gestanden“, erinnert sich die Studentin. Ihre Eltern mussten dann spontan als Schauspieler vor die Linse. Sie selbst packte mit der Zeit auch die Leidenschaft am Schauspielern. In München und London besuchte sie Kurse dazu, merkte dann aber, dass sie die Arbeit, die im Hintergrund eines Filmes läuft, viel interessanter findet.
Gedankenblitz fürs Drehbuch
Da die Kreativität im Psychologie-Studium laut Hertinger etwas auf der Strecke bleibe, machte sie ein Praktikum in einer Werbeagentur. Dort sammelte sie Erfahrungen und vor allem Kontakte. Ohne die wäre ihr aktuelles Film-Projekt kaum möglich gewesen. Im November vergangenen Jahres begann die junge Regisseurin ihre Arbeit an dem Drehbuch. „Die erste Fassung habe ich dank eines Gedankenblitzes innerhalb von zwei Stunden geschrieben“, sagt sie lachend. Bei der ersten Fassung blieb es jedoch nicht. Beim Dreh in Würzburg hielt sie die siebte in der Hand.
Was als Idee zusammen mit Kameramann Jens Schaffner begann, wurde zu einem Großprojekt. Laien suchte man am Drehtag im Theater Chambinzky übrigens vergebens. Das gesamte Team besteht aus Profis. Einer davon ist Hauptdarsteller Peter Kotthaus, der unter anderem in der ARD-Vorabend-Serie „Verbotene Liebe“ mitgespielt hat.
„Ich drehe viel mit Studenten, aber das hier ist wirklich einer der besseren Filme. Kim hat ein tolles Drehbuch geschrieben, das mich sofort überzeugt hat“, erzählt Kotthaus. Er habe zuvor auch noch nie von der Krankheit gehört.
Keine Angst vor der Konkurrenz
Professionelle Schauspieler, teure Kameras und viel Organisationsvermögen. Das Projekt klingt nach einer Mammut-Aufgabe für eine Studentin, die den Film quasi „nebenbei“ in den Semesterferien dreht. „Man ist schon ziemlich nervös bei so einem Projekt, ich hatte eine Woche vor Drehstart sogar Fluchtgedanken“, sagt sie und lacht.
Statt vor der Herausforderung wegzurennen, holte sich Hertinger für das Projekt jedoch tatkräftige Unterstützung. So zum Beispiel vom Kulturamt der Stadt Würzburg, welches den Kurzfilm mit 2500 Euro finanziell unterstützt hat.
Neben dem Theater Chambinzky sei auch das Uniklinikum Würzburg sofort damit einverstanden gewesen, dass das Team dort im laufenden Betrieb Szenen drehen durfte. Ohne die Unterstützung, Kontakte und Freundschaftsdienste würde ein solcher Film einen hohen fünfstelligen Betrag kosten, überschlägt die Regisseurin.
Der etwa 20-minütige Film, der gegen Ende November fertig wird, soll nicht nur ein Aushängeschild für Würzburg werden, sondern auch bei Wettbewerben punkten. „Momentan ist es unser Ziel, den Film bei der Berlinale einzureichen und ihn auch international auszustrahlen“, so Hertinger und fügt ganz selbstbewusst hinzu: „Schämen müssen wir uns vor der Konkurrenz bestimmt nicht“.