In diesen Tagen, wo viel von der Rettung des Abendlandes die Rede ist und von jüdisch-christlicher Tradition, ist der Blick auf den Grafeneckart besonders interessant. Am 5. März 1316 von reichen Bürgern erworben und zum Rathaus gemacht, ist er zum Symbol geworden für den jahrhundertelangen Kampf der Würzburger gegen die weltliche Herrschaft der Bischöfe.
Oberbürgermeister Christian Schuchardt hält den Kauf des Gebäudes für eines der zentralen Ereignisse der Stadtgeschichte. Entsprechend vielfältig sind die Veranstaltungen zum 700. Rathaus-Geburtstag am Samstag, 5. März.
Festakt am Samstag, 5. März, um 13 Uhr im Ratssaal
Die zentrale Veranstaltung beginnt um 13 Uhr im Ratssaal. Professor Rainer Leng vom universitären Institut für Geschichte eröffnet mit einem Festvortrag. Leng hat die Gabe, historische Ereignisse und Zusammenhänge so zu erzählen, dass auch Laien etwas davon haben.
Diskussion zwischen vier Vertretern Jahrhunderte alter Institutionen
Im Anschluss an seinen Vortrag treffen sich vier Leute zu einer Gesprächsrunde, die für Jahrhunderte alte Institutionen stehen:
OB Schuchardt vertritt die Bürgerschaft, Domherr Jürgen Lenssen das Domkapitel, das die Bischöfe wählte. Annette Noffz ist als Stiftungsdirektorin des Bürgerspitals dabei, das in diesem Jahr ebenfalls Siebenhundertjähriges feiert. Professor Helmut Flachenecker ist Inhaber des Lehrstuhls für Fränkische Landesgeschichte an der auch schon über 400 Jahre alten Universität Würzburg und Vorsitzender der Freunde mainfränkischer Kunst und Geschichte. Ihr Thema: „700 Jahre Würzburger Rathaus – 700 Jahre bürgerliches Selbstbewusstsein“.
Eberhard Schellenberger moderiert das Gespräch.
Würzburg als Beispiel für blutige abendländische Traditionen
Die Runde verspricht Brisanz, weil die Entwicklung bürgerlichen Selbstbewusstseins im 14. Jahrhundert mit Mord und Totschlag verbunden ist.
Die christlichen Bürger schafften sich ein repräsentatives Rathaus an, gründeten das Bürgerspital, massakrierten ihre jüdischen Nachbarn und bauten, wo die Synagoge stand, ihr eigenes, vom Bischof unabhängiges, Gebetshaus: die Marienkapelle. Sie wollten reichsfrei, das heißt nur dem Kaiser untertan sein, und eine Weile schien es, als hätten sie Erfolg.
Aber so hart sie um ihre Freiheit rangen, so hart schlugen Bischof und Klerus zurück. Das Jahrhundert endet mit der Schlacht von Bergtheim, in der die Truppen des 49. Bischofs von Würzburg (Bischof Friedhelm Hofmann ist der 88.) mehr als 900 Städter töten und mehr als 1000 gefangen nehmen.
Würzburg ist ein griffiges Beispiel dafür, dass die abendländisch-bürgerliche und christlich-jüdische Tradition voller Gewalt ist – ein weites Feld für die Diskutanten.
Am Samstag Grafeneckart-Ausstellung und Führungen im Stadtarchiv
Am Samstag stellt das Stadtarchiv den Grafeneckart in den Mittelpunkt seines „Tags der Archive“. Von 11 bis 17 Uhr ist in den Barockhäusern in der Neubaustraße die Ausstellung „Der Grafeneckart. 700 Jahre Würzburger Rathaus“ zu sehen. Zudem kann das Publikum die Restaurierungswerkstatt besichtigen, Plakate und Publikationen erwerben und sich Rat holen beim Erforschen der eigenen Familiengeschichte. Für Kinder gibt's ein Mal- und Bastelangebot.
Am Sonntag viele Grafeneckart-Führungen und -Infostände
Auch die Würzburger Gästeführer halten den Kauf des Grafeneckart vor 700 Jahren für ein herausragendes Ereignis. Sie ließen ihre Beteiligung am Weltgästeführertag am 21. Februar ausfallen, um sich am Sonntag, 6. März, ganz dem Rathaus zu widmen. Von 11 bis 16 Uhr bieten sie Führungen an – eine seltene Gelegenheit für die Würzburger, hinter die alten Mauern zu schauen.
• 11 und 14.30 Uhr: Historische Schauspielführung zu Tilman Riemenschneider und dem Bauernkrieg, mit Ina Volmer, Fritz Mark, Dorothea Wölfel und Michael Schurr.
• 11 und 12 Uhr: Vom Schultheißenhof zum Rathausviertel - einmal rundherum, mit Johannes Sander.
• 11, 12 und 13 Uhr: Vivat Herbipolis - Würzburgs Stadtgeschichte im Neuen Ratssaal, mit Edeltraud Linkesch und Marco Kölln.
• 11 und 15 Uhr: Wappen und Königsgeschichten im Wenzelsaal, mit Julia Pracher und Stadtheimatpfleger Hans Steidle.
• 11, 13 und 15 Uhr: Tilman Riemenschneider - Bildschnitzer, Ratsherr und Bürgermeister, mit Michael Spangenberger, Almut Schaffrath und Rudi Held.
• 12 und 14 Uhr: Entdeckungstour für Kinder, mit Felix Röhr und Susanne Dreier.
• 12 und 14 Uhr: Bürgerfreiheit gegen Bischofsmacht, mit Angelika Serger.
• 14, 14.30, 15 und 15.30 Uhr: Von der Trinkstube zum Ratskeller - Verborgene Schätze, mit Ratskeller-Wirt Kurt Schubert, Martina Reiss und Franz Ziegler.
Alle Führungen starten am Infostand bei den Arkaden am Rathaus.
Zusätzlich bieten die Gästeführer etwas an, das sie „Rathaus-Häppchen für Neugierige“ nennen. Sie stehen von 12 bis 16 Uhr an sieben Stationen und beantworten Fragen zu ausgesuchten Themen:
Vierröhrenbrunnen: „Am Anfang war ein Mord“, mit Sonja Wagenbrenner, Alexandra Brückner, Gisela Ziegler und Judith Tewes.
Eingang Roter Bau: „Würzburger Katastrophen“, mit Antje Hansen und Stefanie Arz.
Historischer Innenhof: „Menschen und Märkte“, mit Sebastian Karl, Elisabeth Nickel und Almut Schaffrath.
Dokumentationsraum 16. März: „Zerstörung und Wiederaufbau“, mit Sylvia Oelwein, Brigitte Godron und Friederike Sinn.
Wenzelsaal: „Der Ratstisch von Meister Til“, mit Edeltraud Linkesch, Marion Stöhr und Sonja Wagenbrenner.
Ratssaal: „Gemalte Stadtgeschichte(n)“, mit Christine Hofstetter, Marion Stöhr, Alexandra Brückner und Maria-Anna Foohs.
Um 16 Uhr hält Willi Dürrnagel einen Lichtbildervortrag im Ratssaal: „Der Grafeneckart – 700 Jahre bürgerlicher Mittelpunkt unserer Stadt“.
Die Führungen und „Rathaus-Häppchen“ kosten nichts. Der Verein der Würzburger Gästeführer bittet um Spenden, mit denen er einen Rathausführer von Kindern für Kinder finanzieren will.
die Inquisition kümmerte sich vornehmlich um Häretiker - Menschen, die nach Ansicht der Kirche vom "wahren Glauben" abfielen. Sie behandelte diese Leute mit den gleichen Instrumenten, mit denen Frauen, Männer und Kinder als vermeintliche Hexen und Zauberer behandelt wurden.
Tatsächlich war die so genannte Hexenverfolgung auf den ersten Blick vor allem eine weltliche Angelegenheit. Auf den zweiten Blick sehen wir die Zentren der "Hexenverfolgung" in deutschen Landen. Sie lagen am Main: die geistlichen Staaten Bamberg, Würzburg und Mainz mit einem (Erz-)Bischof als geistlichem und weltlichen Oberhaupt.
In den - evangelischen - freien Reichsstädten gab es wenige bis keine Hinrichtungen wegen Hexerei.
Bitte bedenken Sie zudem, dass Geistliche des 14. Jahrhunderts den Hexenglauben schon für "Fantasterey" hielten und Zeitgenossen wie der Jesuitenpater Spee die Hexenverfolgung als falsch erkannten.
Mit freundlichem Gruß
wolfgang.jung@mainpost.de
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