Mit dem 37-jährigen Martin Hagen an der Spitze will die FDP in den Landtag zurück. Wenn möglich gleich wieder als Regierungspartei. Wie hoch sind die Hürden für Schwarz-Gelb, nachdem die FDP nach der letzten Koalition mit der CSU aus dem Landtag geflogen ist?
Frage: Momentan sind die CSU und die Stimmung in der Partei das große Thema. Vor einiger Zeit – nach dem Jamaika-Aus – war es die FDP. Die abgebrochenen Koalitionsverhandlungen in Berlin haben in Bayern nicht jedem gefallen. Wie ist die Stimmung bei den Liberalen?
Martin Hagen: Die Entscheidung, dass wir nicht in eine Regierung gehen, von der wir nicht überzeugt sind, hatte einen sehr breiten Rückhalt. Natürlich gibt es Leute – ich zähle mich dazu –, die gesagt haben, Jamaika kann eine Chance sein für unser Land. Aber so wie die Sondierungen gelaufen sind, gab es keine Grundlage für eine Regierung, die unser Land voranbringt. Da sind wir uns alle einig.
Bald könnten wieder Koalitionsverhandlungen auf die FDP zukommen. Dann mit der CSU. Würden Sie den aktuellen Stil der CSU mittragen?
Hagen: Ich halte die CSU momentan nur für bedingt regierungsfähig. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass die Wähler die CSU am 14. Oktober zur Vernunft bringen werden: Der Verlust der absoluten Mehrheit wird in der CSU dazu führen, dass die Partei ihren Kurs hinterfragt. Es gibt in der CSU Kräfte, die für einen vernünftigen Kurs der Mitte stehen – Manfred Weber oder Ilse Aigner etwa. Die haben momentan aber wenig Einfluss, weil die Söders, die Dobrindts, die Seehofers mit ihrem Krawallkurs die Partei dominieren. Wenn der gescheitert ist, wird sich die CSU darauf besinnen, dass man einmal eine bürgerliche Partei der Mitte war. Und mit einer solchen CSU kann man koalieren.
Ministerpräsident Markus Söder hat viele nicht ganz billige Versprechungen gemacht: Baukindergeld, Familiengeld, Landespflegegeld, Grenzpolizei... Ist das alles mit der FDP umsetzbar?
Hagen: Das Programm von Söder ist ein hemmungsloses Verteilen von Wahlkampfgeschenken. Seine erste Regierungserklärung war ein Feuerwerk an neuen staatlichen Ausgaben mit einem einzigen Ziel: den Wahlerfolg der CSU sichern. Dabei gibt er nicht sein Geld, sondern das der bayerischen Steuerzahler aus. Der Oberste Rechnungshof in Bayern hat schon vor dieser Regierungserklärung die Ausgabenpolitik der Staatsregierung gerügt. Und jetzt sattelt Söder noch einmal Milliarden obendrauf. Das ist keine seriöse Haushaltspolitik. Die FDP wird da im Landtag gegensteuern.
Ein harter Weg bis zu einer schwarz-gelben Koalition – den Stil der CSU ändern, Milliardenversprechen zurücknehmen...
Hagen: Zweifellos. Es hat niemand gesagt, dass es einfach wird.
Von 2008 bis 2013 hat die FDP mit der CSU regiert. Bei der vergangenen Wahl holte die CSU die absolute Mehrheit, die FDP ist aus dem Landtag geflogen. Keine Angst, dass sich Geschichte wiederholen könnte?
Hagen: Nein. 2013 war die schlechte Stimmung für die FDP insbesondere der Bundespolitik geschuldet. Das hat nach Bayern durchgeschlagen. Ich will nicht sagen, dass in Bayern alles richtig gemacht wurde. Auch hier ist es nicht gelungen, die liberale Handschrift in der Regierung ausreichend sichtbar zu machen. Aber der entscheidende Faktor war, dass die FDP im Bund massiv an Glaubwürdigkeit verloren hatte. Das ist jetzt anders. Wir können in Bayern mit der CSU regieren, ohne dass wir geschwächt werden.
Sie räumen ein, dass die FDP in Bayern Fehler gemacht hat. Ein Beispiel?
Hagen: Ein Stichwort: Studiengebühren. Es war ein Fehler, dass die FDP hier nicht konsequent geblieben ist. Wenn wir erklären, wir stehen für etwas, dann wird es in Zukunft nicht mehr vorkommen, dass wir umfallen.
Dann müsste man in letzter Konsequenz auch – wie bei Jamaika – Koalitionsverhandlungen abbrechen. Kann sich das die FDP noch mal leisten?
Hagen: Ich glaube, die FDP kann es sich nach 2013 nicht noch einmal leisten, in eine Regierung zu gehen, ohne ihre Kernpositionen umzusetzen. Das ist die entscheidende Lehre.
Was sind Ihre Kernpositionen?
Hagen: Erstens die Bildungspolitik: Wir wollen frühkindliche Bildung stärken, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsschulen und Unterrichtsausfall bekämpfen. Zweitens wollen wir die Innovationskraft in Bayern stärken: die digitale Infrastruktur ausbauen, Behörden digitalisieren, die Rahmenbedingungen für Start-Ups verbessern, den Technologietransfer von Wissenschaft in Wirtschaft fördern.
Das große Wahlkampfthema dieser Tage ist aber die Flüchtlingspolitik.
Hagen: Hier wollen wir einen anderen Kurs als die CSU. Insbesondere bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. In meinem Stimmkreis gibt es einen Bäcker, der drei Jahre lang einen Afghanen beschäftigt hat. Der spricht wunderbar deutsch, hat seit drei Jahren keinen Cent Sozialleistungen bekommen. Stattdessen hatte er einen Vollzeitjob und Steuern und Sozialabgaben gezahlt. Der Bäcker hätte ihn gerne zum Konditor ausgebildet, weil er sich extrem schwer tut, Nachwuchs zu finden. Die Behörden haben dem Flüchtling aber die Ausbildung verweigert, im Juni wurde ihm die Arbeitserlaubnis entzogen. Inzwischen droht ihm die Ausweisung. Die CSU will die Abschiebezahlen auf Teufel komm raus in die Höhe treiben und schiebt dabei nicht nur Straftäter und Gefährder ab, sondern auch vorbildlich integrierte Menschen, die die bayerische Wirtschaft benötigt.
Momentan reicht es nicht für Schwarz-Gelb. Die CSU kommt in aktuellen Umfragen auf 39, die FDP auf sechs Prozent. Am Ende könnte die CSU aber auch die Qual der Wahl haben. Etwa zwischen FDP und Freien Wählern.
Hagen: Wenn die CSU unter allen Parteien im Landtag die Wahl hätte, wären die Freien Wähler vermutlich am billigsten zu haben. Hubert Aiwanger will unbedingt regieren und inzwischen tickt für ihn die Uhr: Er geht in seine dritte Periode im Landtag. Ich bin 37 und habe Zeit. Ich muss nicht unbedingt 2018 Minister werden. Die Freien Wähler würden inhaltlich am meisten Zugeständnisse an die CSU machen. Ich glaube aber trotzdem, dass sie kein attraktiver Koalitionspartner wären, weil sie letztlich eine reine bayerische Regionalpartei sind und Bayern immer den Anspruch hat, Bundespolitik zu gestalten. Da wäre es gut, wenn die Staatsregierung aus Parteien besteht, die auf Bundesebene eine Rolle spielen.
Seehofer und Söder betreiben aktiv Wahlwerbung für die AFD.
Das ist das eigentlich bedenkliche...
Wenn Söder & Co ihren Kurs beibehalten, werden selbst 40 % für die einst so kraftstrotzende Volkspartei CSU nicht erreichbar sein...