Im Hause Ullrich geht es lustig zu. Gerade versuchen Gastmama Doris und Gastpapa Bernhard aus Hettstadt im Landkreis Würzburg ihren drei italienischen Mädels Laura, Giovanna und Martina das Wort "Eichhörnchen" beizubringen. Für die Italienerinnen wegen der vielen Konsonanten gar nicht so einfach auszusprechen, wie sich herausstellt. Großes Gelächter."Wenn sprachlich alle Stricke reißen, haben wir hier am Esstisch unser Wörterbuch liegen und schauen nach", sagt Doris Ullrich. Je nach Sprachwissen der Mädchen kommt dies mehr oder weniger häufig zum Einsatz.
Seit 25 Jahren nimmt das Ehepaar Ullrich immer wieder italienische Gastschüler auf, vor allem aus Norditalien, Großraum Verona und rund um den Gardasee. Unzählige Gästebücher stapeln sich auf dem Esstisch. "Wir lieben euch - danke für alles!" oder "Familie Ullrich - Die Beste" heißt es da auf liebevoll gestalteten Seiten. "Insgesamt 276 Gastschüler haben wir bisher beherbergt", sagt Doris Ullrich nicht ohne Stolz. Zu manchen Mädchen besteht der Kontakt auch weiterhin, "so haben wir auch schon Gegenbesuche in Italien gemacht". Was aber sollte man als Gasteltern auf jeden Fall mitbringen? "Man sollte offen sein, keine Angst vor Fremden haben und bereit sein, sich zur Not auch mit Händen und Füßen zu verständigen", fasst Bernhard Ullrich zusammen.
Dass hauptsächlich Mädchen im Heim der Familie beherbergt werden, liegt daran, dass sie selbst drei Töchter großgezogen haben: "Mit Mädchen kennen wir uns einfach bestens aus", sagt Doris Ullrich und lacht. Beim ersten Mal wohnte die Familie noch mit ihren drei Kindern in einer kleineren Wohnung in Versbach. "Das machte nichts, wohlgefühlt haben sich die Mädchen hier trotzdem", erinnert sich der 59-Jährige.
Deutsch-italienisch: "Ich habe Wasser in die Öhren"
1976 kam dann der Umzug nach Hettstadt ins eigene Haus, "da hatten wir natürlich mehr Platz". Mittlerweile sind die eigenen Kinder aus dem Haus, aber mehrmals im Jahr füllen die Gastschüler das Heim der Ullrichs mit Leben und Lachen. Bis zu drei Mädchen gleichzeitig nehmen sie auf, "manchmal haben wir auch schon Feuerwehr gespielt und Kinder, die sich in einer anderen Familie unwohl gefühlt haben, aufgenommen".
Da die meisten Gastschüler 16 Jahre oder älter sind, bekommen sie einen Haustürschlüssel, um autark zu sein. Natürlich wird aber ausgemacht, wann sie spätestens zuhause sein sollen, betont Doris Ullrich."Und wir tauschen Handynummern aus, so dass wir uns gegenseitig erreichen können."
Fester Bestandteil des Aufenthalts bei den Ullrichs sind die Spieleabende. Da stehen beispielsweise "Mensch ärgere dich nicht" oder das Kartenspiel SkipBo ganz oben auf der Liste. Außerdem werden die Italienerinnen - soweit es die Zeit neben Sprachschule und kulturellem Programm zulässt - in den Familienalltag mit eingebunden, so auch, wenn mal ein Geburtstag oder ein Familienfest ansteht. "Umgekehrt haben wir auch schon den Geburtstag unserer Gastschülerin hier gefeiert und eine Torte gebacken", erinnert sich Doris Ullrich.
Je nach Aufenthalt zwischen ein bis drei Wochen steht am Wochenende auch mal ein gemeinsamer Ausflug auf dem Plan. Ob Kino, Kiliani oder auch mal das Spessart-Museum in Lohr - "der Spaß ist programmiert, meint der Gastpapa. Auch durch Ausflüge der Sprachschule "Deutsch in Franken"lernen die Schüler die Gegend besser kennen, so zum Beispiel bei einer Führung durch Würzburg, bei einem Besuch in Nürnberg oder Bamberg.
Liebeskummer und Katerstimmung
Liebeskummer, Katerstimmung, verloren gegangene (und wiedergefundene) Schüler, auch mal Heimweh - alles haben die Ullrichs schon erlebt. "Die meisten Gastschüler waren nett und offen, und wir haben uns super verstanden", sagt Doris Ullrich. Doch auch Faulpelze hat sie schon erlebt: "Die meinten, ich sei die Putzfrau. Da habe ich erstmal eine Ansage gemacht", erklärt sie selbstbewusst. Einmal sei ein Mädchen durch einen Sonnenstich richtig krank geworden, "die habe ich dann erstmal gesund gepflegt".
Auch an lustige Wortschöpfungen erinnert sich die Gastmama gerne. Bei Sätzen wie "Ich habe den Bus verloren" oder "Ich habe Wasser in die Öhren" husche einem schon ein Lächeln übers Gesicht. Mit den Jahren hat das Ehepaar Ullrich auch ein bisschen Italienisch gelernt: "Ich komme klar, wenn ich am Gardasee mein Essen bestellen möchte oder einkaufen gehe", so Doris Ullrich.
Gegenseitig bekochen
Was das Essen angeht, legt sich die Gastmutter ins Zeug: Schweinebraten, Geschnetzeltes, Apfelpfannkuchen oder Bratwürste. Schließlich sollen die Mädchen nicht verhungern und auch das eine oder andere typische Gericht kennen lernen. Im Gegenzug sei es schön, auch mal von den Italienerinnen bekocht zu werden. Manch ein leckerer italienischer Parmesankäse hat schon den Weg ins Hause Ullrich gefunden."Vor allem, wenn wir Gäste für drei Wochen hier haben, tun sich die Mädels mal einen Abend zusammen und kochen."
Da gab es schon selbst gemachte Pizza oder Pasta, Risotto, auch verschiedene feine Saucen, zum Beispiel mit Salbei und Pinienkernen, kommt Doris Ullrich ins Schwärmen. "Manches habe ich mir schon abgeschaut." Schmunzeln muss die 55-Jährige, wenn das Handy der Mädels während des Kochens auf laut geschaltet ist und die Omi aus Italien das Rezept vorsagt.
Der Abschied fällt oft schwer
Martina, Laura und Giovanna aus Monza jedenfalls wollen nach einer Woche in Hettstadt und Umgebung eigentlich noch nicht wieder heim. "Ist schön hier", meint Martina. Und: Besonders lecker seien Schnitzel und Bratwurst. "Der Abschied fällt oft schwer und manchmal wird auch geweint", erzählt Doris Ullrich. Aber wie gesagt: "Mit manchen gibt es ja ein Wiedersehen." So wird sie den Moment nie vergessen, als sie und ihr Mann eines der Gastmädchen in Italien spontan besuchten und dieses plötzlich rief: "Oh, da ist ja meine deutsche Familie."
Inzwischen ist eine Tochter der Ullrichs, Franziska, in die Fußstapfen der Eltern getreten und nimmt ebenfalls italienische Gastschüler auf. "Das freut uns natürlich", sagt die Mama und lacht. Auch Doris und Bernhard Ullrich denken noch lange nicht ans Aufhören, "solange wir noch arbeiten, machen wir weiter", sagen sie. Danach nämlich ist vermutlich selber Reisen angesagt.