
Vor genau 70 Jahren, in der zweiten Oktoberwoche 1950, stand Würzburg Kopf. Hollywood-Regisseur Anatole Litvak kam mit seinem Filmteam in die Ruinenstadt, um einige Szenen für den Spionagethriller "Entscheidung vor Morgengrauen" zu drehen. Der Streifen mit Burgschauspieler Oskar Werner und Hildegard Knef läuft am Sonntag, 18. Oktober, um 11 Uhr in der Reihe "Der besondere Film" im Central im Bürgerbräu.
Außer amerikanischen Stars wie Richard Basehart, der von Curd Jürgens synchronisiert wurde, spielten zahlreiche deutsche Schauspieler mit: Hans Christian Blech, O. E. Hasse, Gert Fröbe und der junge Klaus Kinski.
Verstörende Bilder vom damals zerstörten Würzburg
Die Main-Post berichtete am 12. und 14. Oktober 1950 in zwei großen Artikeln über die mehrtägigen Dreharbeiten, die für beträchtliches Aufsehen sorgten. Die am Main entstandenen Szenen machen nur einige Minuten des Films aus, vermitteln aber einen verstörenden Eindruck vom zerstörten Würzburg fünf Jahre nach Kriegsende.
Der deutsche Soldat Karl Maurer (Oskar Werner) hat sich laut Drehbuch, an dem unter anderem Carl Zuckmayer ("Der Hauptmann von Köpenick") mitschrieb, 1944 in amerikanischer Gefangenschaft entschlossen, für die USA zu spionieren. Er kehrt zur Wehrmacht zurück; seine Odyssee durch Süddeutschland führt ihn unter anderem nach Würzburg.
Festung wurde zum Lazarett umgewandelt
In den hier gedrehten Szenen fährt Oskar Werner im Beiwagen eines Krad über die Alte Mainbrücke und die Kamera schwenkt auf die Ruinenlandschaft der Stadt. Dann versucht er mit seinem Vater zu telefonieren, der in der zum Lazarett umgewandelten Festung, die im Film noch die Spuren des 16. März 1945 zeigt, als Chefarzt arbeitet.
Die Szenen wurden vor den Augen neugieriger Würzburger unzählige Male wiederholt. Am 12. Oktober schrieb die Main-Post, am Grafeneckart und am Fischmarkt seien "deutsche Landser mit geschienten Armen, blutdurchtränkten Kopfverbänden, SS-Leute und Kradschützen" gefilmt worden. Die Betrachter sahen "riesige Lastwagen, vollgepackt mit ehemaligen Wehrmachtsuniformen für alle Waffengattungen und Dienstgrade", dazu große Scheinwerfer und lange Kabelstränge.
Zeitungsfotograf Walter Röder hielt den Dreh in zahlreichen Bildern fest
Bildberichterstatter Walter Röder fotografierte, wie Regisseur Litvak, der später zweimal mit Ingrid Bergman drehte, Oskar Werner Anweisungen gab und wie er rauchend, umgeben von Crew und Darstellern, in der Main-Post den Artikel über den ersten Tag der Dreharbeiten las.

In einem abschließenden Interview erzählte Litvak dem Berichterstatter, dass der gerade entstehende Film keinerlei antideutsche Tendenz habe. Das stimmte tatsächlich, denn Oskar Werners Karl Maurer und die von Hildegard Knef gespielte Prostituierte Hilde sind die eigentlichen Helden des Streifens.
Der Regisseur und seine Vorliebe
Zum Schluss verriet Anatole Litvak dem Main-Post-Mann noch, dass er Wein vom Würzburger Stein allen anderen Weinen vorziehe. Diese Information, die 1950 aus dem Mund eines amerikanischen Regisseurs seltsam klingen mochte, dürfte ebenfalls der Wahrheit entsprochen haben, denn der 1902 in Kiew geborene Litvak hatte in den zwanziger Jahren in Berlin gearbeitet; dort war Würzburger Wein leichter zu bekommen als in den USA.
