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Würzburg
Fahrlässige Tötung: Unfallfahrer zu Haftstrafe verurteilt
Dass er aus medizinischen Gründen ein Fahrverbot besaß, verschwieg ein 54-jähriger Mann: Den Brief an seine Ärzte leitete er einfach nicht weiter – mit schwerwiegenden Folgen.
Der Kreisverkehr bei Kist im Landkreis Würzburg: Hier geschah vor bald zwei Jahren ein folgenschwerer Unfall, bei dem ein 31-Jähriger getötet wurde. Der Unfallverursacher wurde nun verurteilt.
Foto: ArchivFranz Barthel | Der Kreisverkehr bei Kist im Landkreis Würzburg: Hier geschah vor bald zwei Jahren ein folgenschwerer Unfall, bei dem ein 31-Jähriger getötet wurde. Der Unfallverursacher wurde nun verurteilt.
Franz Barthel
 |  aktualisiert: 09.02.2024 11:51 Uhr

Es war eine fürchterliche Kollision: Mit einer Geschwindigkeit von 166 km/h, ohne die geringste Lenkbewegung, ist ein 54-jähriger Autofahrer am 7. Februar 2020 auf der B27 in den Kreisverkehr kurz vor Kist (Lkr. Würzburg) gerast. Kfz-Sachverständige haben später festgestellt, dass das Gaspedal über eine längere Strecke zu 100 Prozent durchgedrückt gewesen war. Das Fahrzeug flog regelrecht aus dem Kreisel und erfasste ein Auto, das den Kreisverkehr bereits verlassen hatte und in Richtung Kist unterwegs war. Der 31-jährige Fahrer hatte keine Chance, er starb noch an der Unfallstelle.

Ein Schöffengericht in Würzburg hat den 54 Jahre alten Unfallverursacher jetzt wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis für weitere vier Jahre entzogen. Der Fahrer hat an den Unfall und die Minuten vorher keine Erinnerung, er war fahruntüchtig wegen eines epilepsieartigen Anfalls mit Bewusstseins-Aussetzern – und das nicht zum ersten Mal. Er leidet an "Morbus Recklinghausen", einer genetisch bedingten Erkrankung der Haut und des Nervensystems, bei der häufig epileptische Anfälle auftreten.

Der Mann hatte bereits ein Jahr zuvor einen ähnlichen Unfall

Nach einem ähnlichen Unfall etwa ein Jahr zuvor, bei dem allerdings niemand verletzt wurde, war der Mann in der der neurochirurgischen Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg ambulant behandelt worden. Einen Brief der Klinik für die weitere Therapie hat der Angeklagte in Sorge um seinen Führerschein jedoch weder an seinen behandelnden Arzt noch an den Betriebsarzt seines Arbeitgebers weitergegeben. In dem Brief hatte unter anderem gestanden, dass der Patient erst nach zwölf Monaten ohne Anfall wieder ans Steuer dürfe, so lange wurde ein Fahrverbot aus medizinischen Gründen angeordnet.

Beim ersten spektakulären Unfall hatte der Angeklagte zwischen Höchberg und Kist eine Kreuzung bei Ampel-Rot überfahren und war ebenfalls mit hoher Geschwindigkeit an einem Waldrand in einen Verkaufsstand für Weihnachtsbäume gerast. Zum Glück waren allerdings weder Verkäufer noch Kunden vor Ort. Seinen Führerschein wollte der Mann, Briefträger von Beruf, unbedingt behalten. Er war von seinem Arbeitgeber vorübergehend zum Briefe sortieren in einer Halle abgestellt worden und vermisste dort den Kontakt zum Kunden, sagte er.

Vater des Getöteten erinnert an seinen Sohn: Ein besonderer Mensch

An die Eltern des Getöteten hat der Angeklagte vor kurzem 2000 Euro überwiesen. Das bringe denen zwar nicht den Sohn zurück, wollte er sagen, aber dann stockte die Erklärung und sein Verteidiger, Rechtsanwalt Gerhard Zapff sprang ein: Dieses Geld habe sich der Angeklagte "vom Mund abgespart", das sei für ihn ein kleines Vermögen.

Der Vater des Getöteten wies als Nebenkläger darauf hin, was für ein besonderer Mensch sein Sohn gewesen sei. Immer sei er für andere dagewesen, schon in frühester Jugend. Er war zunächst bei den Retzbacher Ministranten, später bei der Feuerwehr – dann versagte dem Vater die Stimme. Die Ehefrau ergänzte: Jedem habe er geholfen, man sei dankbar dafür, "dass wir ihn hatten". Als der Angeklagte beim sogenannten "letzten Wort" um Entschuldigung bat, hat die Mutter sie angenommen.

Bei der Urteilsbegründung hielt der Vorsitzende Richter Paul Thal dem Angeklagten zu Gute, dass er nicht vorbestraft war, Reue gezeigt und die Ärzte von der Schweigepflicht entbunden hat. Dies habe zur Aufklärung des Geschehens beigetragen. Dass der 54-Jährige allerdings den Arzt-Brief der Klinik "unterschlagen" und behandelnde Ärzte nicht über den Inhalt informiert hat, sei ein schwerer Vorwurf.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 
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  • R. Ö.
    Solche gesundheitlichen Einschränkungen müssten vom Arzt an das Gesundheitsamt gemeldet werden, welches dies wiederum der Führerscheinstelle mitteilen müsste, so dass die wiederum einen richterlichen Beschluss erwirken könnte und somit den FS auf Lebzeiten einzieht!!! Auch kann ich den Gerichtsbeschluss nicht nachvollziehen und das der Staatsanwalt und verhandelnde Richter dies nicht taten!
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  • U. A.
    Sehr kulantes Urteil dafür, dass er sich wissentlich trotz Verbotes ans Steuer gesetzt hat und bereits den zweiten schweren Unfall verursachte, bei dem er diesmal einen unschuldigen jungen Mann umgebracht hat.
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  • H. H.
    Mein Beileid an alle Angehörigen

    aber einmal mehr frage ich mich, warum Leute, die - offenbar vorsätzlich! - warum auch immer versuchen möglichst schnell unterwegs zu sein und dabei jemanden umbringen(!), besser wegkommen als jemand, der ein medizinisches Problem ignoriert hat. Wie war das mit dem Unfall zwischen Maidbronn und Rimpar, mal eben die 200 PS von Papis Auto austesten/ selber schuld wenn mir jetzt jemand entgegenkommt, ohne Knast davongekommen und auch noch Einspruch gegen das Urteil?
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  • J. H.
    Entzug der Fahrerlaubnis für weitere vier Jahre...

    Ohne dem Unfallfahrer jetzt zu nahe treten zu wollen:

    Wenn man doch an einer erblich bedingten Krankheit leidet, bei der es mit hoher Wahrscheinlichkeit immer wieder Bewusstseinsaussetzer mit epileptischen Anfällen kommt, frage ich mich, warum man überhaupt die Fahrerlaubnis wieder bekommt. Kann man eine erblich bedingte Krankheit überhaupt heilen? Wohl eher nicht.

    Wenn noch dazu schon vorher einmal ein ähnlicher Unfall stattgefunden hat, zum Glück ohne Personenschaden, kann man darauf warten, dass der nächste Unfall passiert. Und dann?

    Wie hier schon angemerkt: für eine Erkrankung kann man nichts. Trotzdem sollte doch nach dem Vorgefallenen die Vernunft und Einsicht überwiegen, sich selbst und andere nicht weiterhin zu gefährden.
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  • H. M.
    Man fragt sich, weshalb bei solchen schwerwiegenden Erkrankungen die Mitteilung der Neurologischen Klinik nicht automatisch an den Hausarzt und den Betriebsarzt verschickt wurde. Die ärztliche Schweigepflicht wäre doch dadurch nicht verletzt. Schließlich ginge das von Arzt zu Arzt.
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  • P. L.
    eine tickende Zeitbombe im Strassenverkehr... in 4 Jahren darf er wieder am Strassenverkehr teilnehmen...dass der Betroffene krank ist,dafür kann er nichts-aber er dürfte aus diesen bedingten Krankheitsgründen in meinen Augen kein KFZ mehr führen.
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  • P. B.
    Das wird auch nicht mehr passieren, das er ein Fahrzeug führen darf. Bei Beantragung wird seine Fahrtauglichkeit über eine MPU überprüft und diese wird er wohl nicht bestehen.
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  • F. B.
    Doch, das kann wieder passieren, denn: Das Fahrverbot aus medizinischen Gründen, das die Klinik empfohlen hat, blieb ohne Folgen. Trotz der Gefahr hatte der Mann seinen Führerschein behalten, denn: Die Zulassungsstelle hatte von dem Fall keine Ahnung, zumindest keine schriftliche Mitteilung. Eine echte Lücke im System. Der Datenschutz gibt dem Patienten das Recht, in der Klinik anzugeben, an wen der Arztbrief geschickt werden soll !!!!!!!!!!!!!!!!!
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  • U. A.
    Ein Fahrzeug führen durfte er bereits vor dem tödlichen Unfall nicht und hat es ganz bewusst trotzdem getan.

    Warum glauben Sie, dass er es zukünftig nicht mehr macht.
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  • R. Ö.
    Hoffentlich läuft das dann so ab?!!!
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  • C. B.
    Großer Respekt an die Mutter des Opfers die Entschuldigung anzunehmen.
    Der Familie weiterhin sehr viel Kraft nach diesem fürcherlichen Schicksalsschlag.
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