Im Bundestagswahlkampf ist die Pflege in Altenheimen und Krankenhäusern bisher eher ein Randthema. Dabei treffen hier zwei Großtrends aufeinander: eine rasch alternde Bevölkerung und zu wenige Pflegekräfte. Ein Experten-Gespräch mit Gesundheitspolitikern zur Zukunft der Pflege in der Posthalle, zu dem das Bündnis "Dienst-Tag für Menschen" eingeladen hatte, zeigte, dass die Schwierigkeiten in der Politik bekannt sind. Konkrete Lösungen konnte jedoch keiner der Experten darlegen. Unter den etwa 120 Besuchern herrschte spürbar schlechte, beinahe schon resignative Stimmung. Am Ende des Abends gab ein Teilnehmer an, dass er schon seit den 1970er Jahren an ähnlichen Diskussionen teilgenommen habe. Seither drehe man sich im Kreis.
Auch für die vier Experten auf der Bühne stand fest, dass eine bessere Bezahlung, deutlich mehr Personal und eine Entlastung von bürokratischen Aufgaben überfällig sind. Die Diskussion auf die Situation in den Krankenhäusern, nachdem für die Altenpflege in diesem Jahr eine Reform beschlossen wurde. In der Kritik stand das System, das 1995 mit der Einführung der Pflegeversicherung und 2004 mit der Umstellung auf Fallpauschalen entstand. Am weitesten ging Professor Andrew Ullmann (MdB) von der FDP. Er forderte gar eine "Revolution". Die Großen Koalition habe es in den vergangenen 16 Jahren versäumt, eine Lösung auf den Weg zu bringen.
Ende der "Rosinenpickerei" gefordert
Die Länder kämen ihrer Verpflichtung nicht nach, für die Investitionen in die Krankenhäuser aufzukommen, begründete Ullmann seine Aussage. Diese seien gezwungen, auf die eigentlich für das Personal vorgesehenen Einnahmen aus der Fallpauschale zurückzugreifen. Krankenhäuser seien keine "Reparaturwerkstätten, sondern Orte, wo die Menschen gesund werden sollen". Vor der Wiedereinführung einer "Planwirtschaft" im Gesundheitswesen warnte er jedoch. Auch die oberfränkische CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner möchte nicht in die Tarifautonomie eingreifen. Es müsse aber ein Ende haben mit der "Rosinenpickerei" privater Anbieter. Es gehe ihr um "gleichlange Spieße" zwischen den Konkurrenten. Hoffnungen, dass eine 35-Stunden-Woche – wie von dem Bündnis gefordert - derzeit umsetzbar ist, wollte sie jedoch keine machen.
Für die Grünen hielt hier die Bad Kissinger Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann dagegen. Die Pflege sei Teil der Daseins-Vorsorge und die Politik habe damit als Geldgeber die Möglichkeit einzuwirken. Es war das einzige Male, dass ein Beitrag deutlichen Beifall aus dem Publikum bekam. Mehrfach angesprochen wurden Fehlanreize, die durch die Fallpauschalen entstehen. Für Rottmann ist etwa unverständlich, warum das private Rhön-Klinikum (Bad Neustadt) für die defizitäre Geburtsstation staatliche Zuschüsse erhält, während andere Bereiche über hohe Fallpauschalen üppige Gewinne erwirtschaften. Auch Martina Stamm-Fibich, MdB der SPD, kritisierte die ungerechte Pauschalierung. "Es muss ein Ende haben, dass die Pflegekräfte die Sparschweine der Krankenhäuser sind", sagte sie.
Barbara Stamm als aufmerksame Zuhörerin
Mit ihrer Kritik stehen beide überraschend nah an Barbara Stamm, die sich als CSU-Politikerin eigentlich aus der aktiven Politik zurückgezogen hat, aber im Publikum aufmerksam der Diskussion folgte. Die langjährige bayerische Sozialpolitikerin verwies auf Geburtsfehler bei der Einführung der Pflegeversicherung und nannte Horst Seehofer beim Namen. Damals seien über Nacht entscheidende Weichen zugunsten von Interessenvertretern abgeändert worden, berichtete sie. Die Politik müsse sich nun wieder mehr Zuständigkeiten zurückholen. Sie habe zu viele Kompetenzen an die Selbstverwaltung aus Krankenkassen, Ärztevereinigungen und Krankenhäuser übertragen.
Wären die Fehlentwicklungen vermeidbar gewesen? Die Generaloberin der Rot-Kreuz-Schwestern Edith Dürr, Vorsitzende des Bayerischen Landespflegerats, ist sich da sicher: Wenn auf Bundesebene über Angelegenheiten der Pflege geredet werde, sei es jedoch nicht vorgesehen, dass dann auch deren Vertreter daran teilnehmen.