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Würzburg
Experte der Würzburger Uni-Zahnklinik erklärt das richtige Verhalten: So retten Sie Ihren Zahn nach einem Unfall
Sie passieren im Haushalt, beim Sport oder in der Schule: Unfälle mit Zahnschaden. Zahnmediziner Gabriel Krastl sagt, was man tun und was man besser lassen sollte.
Der Würzburger Zahnmediziner Prof. Gabriel Krastl zeigt's: Ein ausgebrochener Zahn gehört möglichst schnell in eine Zahnrettungsbox, damit die Zellen auf der Wurzel nicht austrocknen.
Foto: Daniel Peter | Der Würzburger Zahnmediziner Prof. Gabriel Krastl zeigt's: Ein ausgebrochener Zahn gehört möglichst schnell in eine Zahnrettungsbox, damit die Zellen auf der Wurzel nicht austrocknen.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 26.10.2024 02:35 Uhr

Zahnunfälle passieren häufiger als gemeinhin angenommen. Zwei Drittel der Bevölkerung waren laut einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie schon selbst betroffen oder hatten einen Fall in der Familie. Häufig kann ein Zahn gerettet werden – wenn man sich richtig verhält. Deshalb wirbt Prof. Gabriel Krastl, Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie an der Würzburger Uni-Zahnklinik, für mehr Aufklärung.

Frage: Was kann bei einem Zahnunfall eigentlich passieren?

Prof. Gabriel Krastl: Es gibt verschiedene Verletzungen. Ein Zahn kann abbrechen – entweder im sichtbaren Bereich oder im Bereich der Wurzel, wo man den Bruch erst über ein Röntgenbild feststellt. Oder der Zahn bleibt ganz, ist aber gelockert oder verschoben. Und der Zahn kann auch samt Wurzel komplett herausfallen. 

Bei welchen Gelegenheiten passiert so etwas?

Krastl: Oftmals im Haushalt, dazu auch bei Freizeitaktivitäten, gerade im Sport. Oder beim Umgang mit Pferden, da kann ein Tritt ins Gesicht wirklich dramatisch sein. Dreiviertel aller Zahnunfälle treffen Kinder und Jugendliche. Ein typischer Ort dafür ist das Schwimmbad.

Wie kommt es da zu den Verletzungen?

Krastl: Kinder rutschen aus oder knallen auf der Rutsche zusammen, das erleben wir recht häufig.

Bei diesem 16-Jährigen war ein Stück vom Frontzahn abgebrochen (Bild oben). In der Würzburger  Uni-Zahnklinik konnte es wieder angeklebt werden.
Foto: Gabriel Krastl | Bei diesem 16-Jährigen war ein Stück vom Frontzahn abgebrochen (Bild oben). In der Würzburger Uni-Zahnklinik konnte es wieder angeklebt werden.
Wie reagieren Eltern richtig, wenn das Kind einen Zahnunfall hat?

Krastl: Entscheidend ist das Verhalten am Unfallort. Ist ein Zahnstück abgebrochen, sollte man es suchen. Man kann es später beim Zahnarzt problemlos wieder aufkleben, so dass man überhaupt nichts mehr sieht. Das abgebrochene Stück sollte man nicht trocken lagern, sondern am besten in Wasser. Sonst trocknet es aus und die Zahnfarbe verändert sich. Ist ein Zahn verschoben, macht man am besten gar nichts, sondern geht möglichst schnell zum Zahnarzt.

Und wenn ein Zahn komplett herausgeschlagen wurde?

Krastl: Das passiert in weniger als zehn Prozent der Fälle. Da ist es entscheidend, dass die Zellen auf der Wurzeloberfläche am Leben bleiben. Sie dürfen nicht austrocknen. Idealerweise gibt man den Zahn möglichst schnell in eine so genannte Zahnrettungsbox – das ist ein Fläschchen mit einer speziellen Nährlösung. Darin werden die Zellen für 24 Stunden am Leben gehalten. Damit sollte man dann einen Zahnarzt aufsuchen. 

Sollte so eine Zahnrettungsbox in jedem Haushalt stehen?

Krastl: Schön wäre das. Wir wären schon froh, wenn Orte mit höherer Unfallgefahr wie Schulen, Sportstätten, Schwimmbäder mit Zahnrettungsboxen ausgestattet wären. Es ist ja nicht schwer, an sie ranzukommen – die Boxen gibt es für etwa 20 Euro in der Apotheke.

Behandlung in der Uni-Zahnklinik: Der ausgeschlagene Zahn (links) eines Kindes wurde in einer Zahnrettungsbox aufbewahrt und ist wieder vollständig angewachsen.
Foto: Gabriel Krastl | Behandlung in der Uni-Zahnklinik: Der ausgeschlagene Zahn (links) eines Kindes wurde in einer Zahnrettungsbox aufbewahrt und ist wieder vollständig angewachsen.
Trotzdem ist bei Unfällen nicht immer ist eine Zahnrettungsbox griffbereit...

Krastl: Stimmt. Dann wäre kalte H-Milch eine gute Möglichkeit, den Zahn vorübergehend zu lagern. Wasser ist in diesem Fall ungünstig, weil zellunfreundlich. Wenn keine Milch verfügbar, könnte man den Zahn auch in Frischhaltefolie einpacken, um die Restfeuchtigkeit zu erhalten. Und eine tolle Variante für alle, die sich das trauen: Selber den Zahn wieder in das Zahnfach zurückstecken – und dann zum Zahnarzt. So wird der Zahn am besten konserviert. 

Und ein ausgeschlagener Zahn wächst dann wieder ein?

Krastl: Ja. Wobei wir hier von bleibenden Zähnen sprechen, Milchzähne werden nicht wieder zurückgesetzt. Wenn die Zellen auf der Wurzeloberfläche durch eine gute Lagerung vital erhalten werden, besteht eine extrem gute Chance, dass der Zahn wieder fest wird und langfristig eine hervorragende Prognose hat.

Ist es eigentlich eine Frage des Alters, ob man einen Zahn retten kann?

Krastl: Nein, das ist altersunabhängig. Beim bleibenden Gebiss – also nicht die Milchzähne – kämpfen wir um jeden Zahn. Bei Kindern und Jugendlichen ist die Zahnrettung insofern noch wichtiger, weil man noch kein Implantat setzen kann. Ist nämlich der Zahn weg, verschwindet auch der Knochen schnell und es gibt später ein ästhetisches Problem.

Prof. Gabriel Krastl ist Direktor der Klinik für Zahnerhaltung und Parodontologie in Würzburg und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie.
Foto: Daniel Peter | Prof. Gabriel Krastl ist Direktor der Klinik für Zahnerhaltung und Parodontologie in Würzburg und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie.
Wann muss ich zum Zahnarzt und wann in die Zahnklinik?

Krastl: Im Prinzip sollte jeder Zahnarzt die Erstversorgung nach einem Zahnunfall machen können. In Würzburg haben wir 2015 deutschlandweit das erste Zahnunfallzentrum an der Uni-Zahnklinik gegründet. Wir sind Spezialisten für Zahnunfälle, aber vor allem für schwerwiegende Fälle da und bekommen die Patienten normalerweise von den niedergelassenen Kollegen überwiesen. Der normale Zahnunfall sollte in der Praxis behandelt werden.

Kommt es vor, dass Sie einen Zahn nicht retten können?

Krastl: Wir sind in einem medizinischen Fach, eine hundertprozentige Erfolgsquote gibt es da nicht. Es kann sein, dass ein Zahn einen Riss in der Wurzel bekommt und wir ihn trotz aller Maßnahmen nicht erhalten können.

Gibt es Zähne, die es bei Unfällen besonders häufig trifft?

Krastl: Im Prinzip die exponierten Zähne, also die Schneidezähne im Frontbereich, deshalb sprechen wir häufig vom Frontzahntrauma. Kinder mit vorstehenden Zähnen haben ein erhöhtes Risiko. Deshalb schickt man sie frühzeitig zum Kieferorthopäden, um mit einer Korrektur der Zahnstellung auch das Risiko für Zahnunfälle zu minimieren.

Infos zu Thema Zahnrettung online unter www.rette-deinen-zahn.de

 
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Kommentare
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  • Ingrid Reichelt-Schölch
    Toller und aufschlussreicher Artikel. Man lernt doch immer gern dazu.
    Ich werde bei Gelegenheit einmal in unserer (hier einzigen) Apotheke fragen, ob diese Box tatsächlich vorrätig ist. Wenn man die mit Lieferung am nächsten Tag erst bekommt, ist das wohl zu spät bzw. greift notfalls vielleicht der Trick mit der H-Milch.
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  • Brigitte List-Gessler
    Mir haben Prof. Krastl und seine Kollegen von der Zahnklinik vor Jahren nach einem Radunfall zwei Frontzähne gerettet - und das obwohl einer im Schotter auf dem Gaubahnradweg lag! Ich bin großer Fan der Zahnklinik und begeistert, was die Ärzte dort alles hinbekommen.
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