
Zahnunfälle passieren häufiger als gemeinhin angenommen. Zwei Drittel der Bevölkerung waren laut einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie schon selbst betroffen oder hatten einen Fall in der Familie. Häufig kann ein Zahn gerettet werden – wenn man sich richtig verhält. Deshalb wirbt Prof. Gabriel Krastl, Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie an der Würzburger Uni-Zahnklinik, für mehr Aufklärung.
Prof. Gabriel Krastl: Es gibt verschiedene Verletzungen. Ein Zahn kann abbrechen – entweder im sichtbaren Bereich oder im Bereich der Wurzel, wo man den Bruch erst über ein Röntgenbild feststellt. Oder der Zahn bleibt ganz, ist aber gelockert oder verschoben. Und der Zahn kann auch samt Wurzel komplett herausfallen.
Krastl: Oftmals im Haushalt, dazu auch bei Freizeitaktivitäten, gerade im Sport. Oder beim Umgang mit Pferden, da kann ein Tritt ins Gesicht wirklich dramatisch sein. Dreiviertel aller Zahnunfälle treffen Kinder und Jugendliche. Ein typischer Ort dafür ist das Schwimmbad.
Krastl: Kinder rutschen aus oder knallen auf der Rutsche zusammen, das erleben wir recht häufig.

Krastl: Entscheidend ist das Verhalten am Unfallort. Ist ein Zahnstück abgebrochen, sollte man es suchen. Man kann es später beim Zahnarzt problemlos wieder aufkleben, so dass man überhaupt nichts mehr sieht. Das abgebrochene Stück sollte man nicht trocken lagern, sondern am besten in Wasser. Sonst trocknet es aus und die Zahnfarbe verändert sich. Ist ein Zahn verschoben, macht man am besten gar nichts, sondern geht möglichst schnell zum Zahnarzt.
Krastl: Das passiert in weniger als zehn Prozent der Fälle. Da ist es entscheidend, dass die Zellen auf der Wurzeloberfläche am Leben bleiben. Sie dürfen nicht austrocknen. Idealerweise gibt man den Zahn möglichst schnell in eine so genannte Zahnrettungsbox – das ist ein Fläschchen mit einer speziellen Nährlösung. Darin werden die Zellen für 24 Stunden am Leben gehalten. Damit sollte man dann einen Zahnarzt aufsuchen.
Krastl: Schön wäre das. Wir wären schon froh, wenn Orte mit höherer Unfallgefahr wie Schulen, Sportstätten, Schwimmbäder mit Zahnrettungsboxen ausgestattet wären. Es ist ja nicht schwer, an sie ranzukommen – die Boxen gibt es für etwa 20 Euro in der Apotheke.

Krastl: Stimmt. Dann wäre kalte H-Milch eine gute Möglichkeit, den Zahn vorübergehend zu lagern. Wasser ist in diesem Fall ungünstig, weil zellunfreundlich. Wenn keine Milch verfügbar, könnte man den Zahn auch in Frischhaltefolie einpacken, um die Restfeuchtigkeit zu erhalten. Und eine tolle Variante für alle, die sich das trauen: Selber den Zahn wieder in das Zahnfach zurückstecken – und dann zum Zahnarzt. So wird der Zahn am besten konserviert.
Krastl: Ja. Wobei wir hier von bleibenden Zähnen sprechen, Milchzähne werden nicht wieder zurückgesetzt. Wenn die Zellen auf der Wurzeloberfläche durch eine gute Lagerung vital erhalten werden, besteht eine extrem gute Chance, dass der Zahn wieder fest wird und langfristig eine hervorragende Prognose hat.
Krastl: Nein, das ist altersunabhängig. Beim bleibenden Gebiss – also nicht die Milchzähne – kämpfen wir um jeden Zahn. Bei Kindern und Jugendlichen ist die Zahnrettung insofern noch wichtiger, weil man noch kein Implantat setzen kann. Ist nämlich der Zahn weg, verschwindet auch der Knochen schnell und es gibt später ein ästhetisches Problem.

Krastl: Im Prinzip sollte jeder Zahnarzt die Erstversorgung nach einem Zahnunfall machen können. In Würzburg haben wir 2015 deutschlandweit das erste Zahnunfallzentrum an der Uni-Zahnklinik gegründet. Wir sind Spezialisten für Zahnunfälle, aber vor allem für schwerwiegende Fälle da und bekommen die Patienten normalerweise von den niedergelassenen Kollegen überwiesen. Der normale Zahnunfall sollte in der Praxis behandelt werden.
Krastl: Wir sind in einem medizinischen Fach, eine hundertprozentige Erfolgsquote gibt es da nicht. Es kann sein, dass ein Zahn einen Riss in der Wurzel bekommt und wir ihn trotz aller Maßnahmen nicht erhalten können.
Krastl: Im Prinzip die exponierten Zähne, also die Schneidezähne im Frontbereich, deshalb sprechen wir häufig vom Frontzahntrauma. Kinder mit vorstehenden Zähnen haben ein erhöhtes Risiko. Deshalb schickt man sie frühzeitig zum Kieferorthopäden, um mit einer Korrektur der Zahnstellung auch das Risiko für Zahnunfälle zu minimieren.
Infos zu Thema Zahnrettung online unter www.rette-deinen-zahn.de
Ich werde bei Gelegenheit einmal in unserer (hier einzigen) Apotheke fragen, ob diese Box tatsächlich vorrätig ist. Wenn man die mit Lieferung am nächsten Tag erst bekommt, ist das wohl zu spät bzw. greift notfalls vielleicht der Trick mit der H-Milch.