Countdown. 10:59, 10:58, 10:57. Grün sind die Zahlen der Stoppuhr, kreischend, bissig, grell. Stechen in den Augen, hervor vom schwarzen Hintergrund des Computerbildschirms. Springen um, Sekunde für Sekunde, zählen die Stunde herunter. Als wäre es egal, was dann passiert, dass sie dann hochgehen wird. Die Bombe, die den Bundesnachrichtendienst (BND) in die Luft jagen soll.
Ich soll das verhindern, den Täter fassen und die Bombe entschärfen, zusammen mit den sechs anderen aus meinem Team.
10:00. Tatsächlich nur noch zehn Minuten, die uns bleiben. Die Zeit rennt, rinnt davon wie Sand durch meine Finger. Noch immer haben wir es nicht geschafft, die Bombe über das Computersystem zu entschärfen. „Falsches Passwort“ sagt die freundliche Computerstimme. „Versuchen Sie es noch mal und beeilen Sie sich.“
Lukas sitzt am Laptop, flucht. „Wir schaffen das niemals, den Bombenanschlag in der Zeit zu verhindern“, sagt Jakob verzweifelt.
Vor knapp einer Stunde: Ich stehe in einem Gewölbekeller mitten in Würzburg. Hier unten, ein paar Meter unter der Erde finden sie statt, die „Exit Games“. Das neue Abenteuer-Spiel für Erwachsene, das es seit Mai in Würzburg gibt. Ich warte an der Türschwelle, zögere noch. Dunkelheit gähnt mir entgegen. Wie ein Maul, das darauf wartet, mich zu verschlingen. Schwarz. Undurchdringlich. Ich gehe. Einen Schritt nach vorne, hinein in eine Stunde Ungewissheit.
Klack. Die Tür fällt hinter mir ins Schloss. Eingesperrt. Eine Stunde Zeit, um wieder herauszukommen. Ein Gefühl, das wankt zwischen Respekt und gespannt sein.
Michi drückt auf den Knopf seiner Taschenlampe. Ein dürrer, hellblauer Strahl frisst sich seinen Weg durch die Dunkelheit. Schemenhaft ist ein Gewölbekeller zu erkennen. Die Wände weiß. Sie sind die Bühne für die Schatten, die darauf Theater spielen. Der Strahl fällt auf einen Schreibtisch. Computerbildschirm, Laptop, ein Agentenausweis.
„Das ist ja interessant und total spannend“, flüstert Hannah aufgeregt. Sie ist unsere Tüftlerin. Eine Idee, ein paar Handgriffe und schon flackert die Deckenlampe auf.
Plötzlich ein panisches „Hallo? Hallo?“. Ein Videoclip auf dem Monitor, grün-stichiges Bild. Es wackelt. Eine junge Frau scheint die Kamera selbst zu halten, direkt hineinzusprechen. Verzweifelt, gehetzt. Sie bettelt um Hilfe. Stammelt, dass sie im BND-Gebäude gefangen sei, ihr niemand glaube. Es muss die Agentin sein, die in den Fall verwickelt ist, in deren Büro wir uns befinden. Dann: Zep, schwarzer Monitor.
Wir schauen uns an. Ratlos. „Das ist ein bisschen Reizüberflutung“, lacht Lukas. „Hinweise, wir müssen Hinweise finden“, sage ich. Meine Augen fliegen durch den Raum. Völlig planlos renne ich los. Spähe hektisch unter den Teppich auf dem Boden, werfe die Bücher im Regal um, starre irritiert auf ein Tierbild mit wirren Zahlen an der Wand. „Wir tragen erst einmal zusammen“, schlägt Lukas vor. Lorenz nickt. „Es geht schneller, wenn wir die Aufgaben aufteilen.“ Gute Idee.
An der Wand entdecke ich ein Whiteboard. Darauf fünf Schnappschüsse, schwarz-weiß. Die Tatverdächtigen! Mit Namen: Angela Kern, Nicolai Popov, Eleni Kourtaki, Per Schmidt, Ian Thompson. Ansonsten ähnelt dieses Whiteboard einem blassen, leeren Notizbuch. Das wird mein Job. Informationen recherchieren, kombinieren. Das machen Journalisten auch.
„Ich find' das ganz witzig, jeder findet gerade sein Rätsel, das er lösen will“, sagt Lukas. Jakob untersucht Bilder. Könnten sie ein Rätsel sein und vielleicht zu einem Code führen? Die richtige Aufgabe für ihn. Er ist unser Knobler. „Eine Mischung aus Kriminalfall und virtuellem Spiel“, sagt er. „Das macht riesig Spaß.“
Michi kämpft mit einem schwarzen Aktenkoffer. „Früher hab ich Detektivbücher gelesen. Jetzt muss ich selbst nachdenken und schauen, wo ich Informationen herkriege“, grinst er, dreht die Zahlenrädchen am Schloss. Bedächtig. Ruhig. Michi ist der Ingenieur in unserem Team. Er baut alles auseinander, was er findet. Pling, ein lautes Schnalzen, die metallenen Verschlüsse springen auf.
Finden wir hier eine neue Spur, einen neuen Code? Etwas Schwarzes blitzt heraus. Ich reiße die Augen auf, werde nervös. Eine Pistole. Werden wir sie noch brauchen? Lorenz schaut mir gelassen über die Schulter. „Das ist wie in einem Fernsehkrimi“, sagt er tiefenentspannt. Lorenz, von Beruf Schüler, macht heute ein Praktikum als Agent. „So ein Kindheitstraum. James Bond und so.“
Ich stehe vor dem Whiteboard. Alle rennen, knacken Rätsel, bringen Lösungen, Hinweise. Sie zeichnen dem blassen Whiteboard ein Gesicht. Und dann erkennen wir sie plötzlich. Die Lösung. Lukas drückt auf den roten Täter-Knopf. Stille. Angespanntes Warten. Ist es der richtige Knopf? Leises Surren. Der Computer fährt hoch.
Erleichterung. Jetzt können wir die Bombe entschärfen. Lukas reibt sich die Hände. Sein Spezialgebiet. Er ist der Informatiker, hakt das Passwort für die Bombenentschärfung in die Tastatur. Stille. Die Stoppuhr rast. Noch acht Minuten. Das Licht geht aus. Auf dem Monitor starten Sequenzen der Überwachungskameras aus dem BND Gebäude. Verschwommen, verzerrt. Menschen stürzen aus Büroräumen, hetzen wie Gejagte die Stufen im Treppenhaus hinunter. Sirenen heulen. Eine orangene Warnlampe blinkt. Die Türe geht auf. Wir haben es geschafft.
„Es ist halt nur als Team möglich“, sagt Hannah. „Ich bin geflasht“, sagt Jakob. „Ich check grad', dass es nur ein Spiel ist.“ Ich blinzle in das helle Licht, hänge mit den Gedanken noch fest in einer anderen Welt.
Er hat Recht. Es war ja nur ein Spiel.
Was sind Exit Games? Wo spielt man sie in Würzburg?
Die Adresse: Bahnhofstraße 11. Hier im Gewölbekeller finden sie statt, die Exit Games. Im Spielraum „Secret Service“ können Gruppen von zwei bis sechs Spielern einen Fall lösen. „Die Tür wird von außen verschlossen“, erklärt Verena Dittmann, Geschäftsführerin und Würzburger Firmengründerin. Im Raum finden die Teilnehmer Rätsel und Hinweise, die man kombinieren muss, um einen Täter zu ermitteln. 60 Minuten, ein Fall. Erst wenn er gelöst ist, geht die Türe wieder auf.
Ihren Ursprung haben die Exit Games in Computerspielen. Einsam in einer virtuellen Welt herumklicken? Nein, lieber in der Realität einen Fall lösen. In Teamwork. „Der Hauptfokus liegt auf Teambildung“, erklärt Dittmann, „Man wird da drinnen nicht weiterkommen, wenn man stur alleine arbeitet.“
Japan oder Kalifornien? Wo die ersten Live Escape Games stattfanden, da spalten sich die Meinungen. Sicher ist, dass die Idee nach Europa überschwappte. „Das erste Exit Game in Europa gab es in Budapest“, erzählt Verena Dittmann. Ein Freund von ihr war so begeistert, dass er die Exit Games nach Stuttgart brachte. Anfang 2015 war Firmengründung mit Verena Dittmann in Würzburg, die Eröffnung des ersten Raumes war im Mai. Seit einigen Wochen gibt es noch einen zweiten Spielraum. Er lädt ein, zu einer Reise in die 60er Jahre, in die geheimnisvolle Welt von Oma Uschi.
Interesse? Dann online unter exitgames-wuerzburg.de/de/raum-buchen/ einen Spielraum auswählen und über den Buchungskalender einen Termin reservieren. Geöffnet ist dienstags 10 bis 22.30 Uhr, mittwochs 9.45 bis 22.15 Uhr 60er,
Donnerstag 17 bis 22.30 Secret Service,
Freitag bis Sonntag 9.45 bis 22.30 Uhr 60er + Secret Service. Termine sind auch nach persönlicher Vereinbarung möglich.
Eine Übersicht über das bundesweite Angebot von Exit-Games bietet die Seite https://www.escape-game.org/