Manche halten ihn für einen Querulanten. Er selbst sieht sich Justizopfer. Nun steht der Mann wieder mal vor Gericht. Es geht um Beleidigung.
Es ist eine Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Würzburg, in der ersten Instanz wurde der einschlägig vorbestrafte 46-Jährige zur Zahlung von 120 Tagessätzen zu je 15 Euro, insgesamt 1800 Euro, verurteilt. Der Grund: Der Würzburger hatte eine Rechtsanwältin unter anderem als „asoziale Drecksau“ bezeichnet.
Am Landgericht will die Vorsitzende wissen, was das Ziel der Berufung des Angeklagten ist. „Ein Freispruch“, antwortet der Mann, der sich seit Jahren von der Justiz zu Unrecht verfolgt fühlt.
Bis 2002 war der 46-jährige Polizist in Baden-Württemberg. Dann kündigte er seine Anstellung auf Lebenszeit. Er habe eine Familie gründen und Hausmann werden wollen, sagt er. Nach mehreren Disziplinarverfahren habe man sich mit ihm vergleichsweise auf eine Kündigung geeinigt, sagt sein Dienstherr. So steht es auch in einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts aus dem Jahr 2006.
Drei Jahre zuvor hatte die damalige Freundin des Angeklagten, Anwältin und Notarin von Beruf, die gemeinsame Tochter zur Welt gebracht – und war bald mitsamt dem Kind aus dem Leben des Mannes verschwunden. Was dann passierte, ist in vielen Aktenordnern bei verschiedenen Gerichten dokumentiert.Wie es in einem rechtskräftigen Urteil heißt, verkraftete der Ex-Polizist die Entscheidung der Frau nicht, trotz Kontaktverbots terrorisierte er sie mit Anrufen und Faxen, er schlich um ihr Haus, beleidigte sie, drohte, Nacktfotos von ihr zu verbreiten – und wurde dafür bestraft. Als dies alles im aktuellen Prozess zur Sprache kommt, wird der Mann laut. „Ja und?“, schreit er, „andere töten ihre Kindsmütter“.
Der 46-Jährige fühlt sich im Recht, die, die ihm den Kontakt zu seiner Tochter verweigern, sind in seinen Augen im Unrecht. Weil er überzeugt ist, dass sich die Rechtspflege gegen ihn verschworen hat, hält er es für legitim, deren Organe zu beschimpfen. „Was ist denn eine Beleidigung gegen die Verbrechen, die die Justiz an mir verübt hat?“, fragt er wütend.
In der Verhandlung vor dem Landgericht geht es aber nicht um die Ex-Freundin, nicht um die Tochter und alles andere, was den Mann bewegt. Es geht einzig darum, dass der 46-Jährige die Anwältin seiner ehemaligen Partnerin beleidigt hat. Und weil er das unter anderem in einem Schriftsatz getan hat, der dem Gericht vorliegt, ist der von ihm gewünschte Freispruch sehr unwahrscheinlich. Die Richterin gibt sich Mühe, dem Angeklagten, der ohne Anwalt auftritt, das zu erklären. „Ich habe Verständnis für Ihre Situation“, sagt sie zu dem Mann, „aus Erfahrung kann ich Ihnen aber sagen, dass ich nicht sehe, wie Sie rechtlich aus der Sache rauskommen“.
Aber der Ex-Polizist schlägt ihren Rat, schon aus Kostengründen über eine Berufungsrücknahme nachzudenken, in den Wind. „Glauben Sie, es juckt mich, zu welcher Summe ich verurteilt werde?“, ruft er, „ich lebe unter der Armutsgrenze, ich bekomme Grundsicherung“.
Nachdem der Angeklagte erfolglos einen Befangenheitsantrag gestellt hat, wird die Beweisaufnahme eröffnet. Die Anwältin, von der er im Sitzungssaal sagt, dass sie „lügt, wenn sie den Mund aufmacht“, wird als Zeugin vernommen. Ihre Aussage interessiert den 46-Jährigen nicht. „Kann ich rausgehen?“, fragt er. Aber das kann er nicht.
Als er die Anwältin befragen darf, versucht er, sie auf üble Art zu diskreditieren. Und als er deshalb zur Ordnung gerufen wird, wird er aggressiv. „Wie reden Sie mit mir?“, schreit er in Richtung Gericht und Staatsanwalt, „Sie arbeiten für eine Behörde, die Verbrechen vertuscht. Irgendwann hat das Konsequenzen.“
Als die Vorsitzende nach drei Stunden die Beweisaufnahme schließt, weist sie den Mann noch mal darauf hin, dass er seine Berufung zurücknehmen kann. Sie sagt auch, dass ihm im Falle einer Verurteilung „möglicherweise eine Freiheitsstrafe“ drohe. Der 46-Jährige reagiert empört: „Als Bürger und Rechtsuchender fühle ich mich erpresst und unter Druck gesetzt“, ruft er, „es war ein Fehler, dass ich Vertrauen in den Rechtsstaat hatte und auf eine faire Behandlung gehofft habe“. Dann nimmt er seine Berufung zurück. „Als Folge des Drucks, unter den Sie mich gesetzt haben“, sagt er zum Gericht.
Mit dieser Entscheidung ist der Ex-Polizist rechtskräftig wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.