Ruhig sitzt Eva-Maria Linsenbreder in weißer Leinenjacke und dunkelblauer Hose auf einer Bierbank in der Semmelstraße vor dem Eingang zum Hannsheinz-Bauer-Haus, das ist die Würzburger Parteizentrale der SPD, und wartet auf die Heimkehr der Kreuzbergwallfahrer. „Der Tagesplan ist dicht gedrängt“, sagt sie trocken und deutet auf einen DIN A 4-Block, der vor ihr auf dem Biertisch liegt. Sieben Termine stehen dort für den nächsten Tag. „Aber das geht uns allen so im Wahlkampf“, sagt sie und grüßt ihren CSU-Kollegen Paul Lehrieder, der mal bei der „Konkurrenz“ vorbei schaut.
Seit Jahren ist Eva-Maria Linsenbreder eine feste Größe in der Kreis- und Bezirkspolitik. Warum sie jetzt, mit fast 60 Jahren, noch einmal für den Bundestag kandidiert? „Es liegt zurzeit so viel schief, die soziale Lage ist so ins Schwanken geraten. Da muss man etwas tun“, sagt sie mit Nachdruck. „Vielleicht tun ja noch ein paar mehr Leute etwas und mischen sich ein, dann kann man etwas ändern“, hofft sie.
Bürgermeisterin „mit Herz und Seele“
Seit 27 Jahren bereits steht Eva-Maria Linsenbreder an der Spitze „ihrer“ Gemeinde Kleinrinderfeld, folgt damit dem Vorbild ihres Großvaters. Sie sei Bürgermeisterin „mit Herz und Seele“, sagt sie. „Wenn heute einer etwas gegen Kleinrinderfeld sagt, bin ich schon beleidigt.“ Und ja, es sei schon schwierig, sich etwas anderes vorzustellen. „Ein paar Ältere in Kleinrinderfeld haben mir zwar gesagt, eigentlich würden wir Dich schon wählen, aber dann bist Du nimmer da und Berlin ist so weit“, erzählt sie weiter.
Doch für den Fall der Fälle sei ihr nicht bange um „ihre“ Gemeinde. „Ich habe gute junge Leute in der Gemeinderatsfraktion“, versichert sie. „Ich hätte da keine Sorge, dass es keinen gibt, der das machen könnte. Und ich stelle besondere Ansprüche an einen Bürgermeister. Der muss nicht nur rechnen können.“ Da spürt man einen Hauch der früheren Lehrerin, die gewohnt ist, anderen zu sagen, was sie zu tun haben.
„Man weiß nie, was noch kommt“
Wie stehen ihre Chancen bei der Wahl am 24. September? „Man weiß nie, was noch kommt“, sagt sie sibyllinisch und lächelt. „Meine Chancen stehen mindestens 50:50, wenn nicht sogar noch besser. 22 Abgeordnete aus der bayerischen SPD seien im Deutschen Bundestag vertreten, sagt sie. „Wir werden sicher Überhangmandate haben, und da ist mein Listenplatz 24 nicht so schlecht“, rechnet sie vor.
„Die Menschen sollen zum Wählen gehen und sich nicht von Sprüchen und Versprechungen verleiten lassen, Leute zu wählen, die diese Sprüche und Versprechungen dann nicht halten können“, das wünscht sie sich. „Wer nicht zu Wahlen geht, hat sich selbst rauskatapultiert. Wenn Leute an den Wahlständen sagen würden, ich wähle nicht, es ist ja eh alles gleich, dann versuche ich die Leute zu überzeugen, dass sie doch wählen gehen“, sagt Linsenbreder.
Die Leute haben Angst vor Veränderungen
Das nicht-wählen-wollen hänge daran, dass die Leute Angst hätten vor Veränderungen. „So kommt es rüber“, sagt sie. „Sie wollen zwar, dass sich etwas ändert, aber haben Angst davor und sagen, es wird ja eh nicht besser“, sagt sie. Sie würden dabei auch nicht wahrnehmen, was sich wirklich geändert habe. „Dabei gibt es Verbesserungen, zum Beispiel beim Mindestlohn, auch wenn davon jemand nicht wirklich leben kann. Vom vorgezogenen Rentenalter profitieren auch viele, auch die Kita-Dichte hat zugenommen“, weiß die erfahrene Kommunalpolitikerin. „Das sind schon richtige Bausteine, die müssen aber halt noch vervollständigt werden“, hat sie sich vorgenommen.
An den Wahlständen seien es immer die gleichen zwei Themen, die die Diskussion beherrschen. „Es ist immer die Rente, die die Leute am meisten bewegt. Das ist fatal, aber das ist so. Und das Zwei-Klassen-Krankenkassensystem, das gefällt niemandem.
“ Eine sichere und auskömmliche Rente sieht sie als eines ihrer zentralen Anliegen: „Wer eine Lebensarbeitsleistung vorlegen kann, muss sich von seiner Rente so ernähren können, dass er nicht im Alter ,gerade so zurechtkommt‘, sondern ein Leben, seinen Bedürfnissen entsprechend, führen kann.“
„Manche sind für die Ehe nicht geeignet“
Verheiratet war die knapp 60-Jährige nie. „Manche sind für die Ehe nicht geeignet“, sagt sie. „Das muss man wissen und sich selber einschätzen können. Und so wie ich meinen Beruf mache, ist das nicht drin“, sagt sie. Und das wird in Berlin nicht anders sein, als es in Kleinrinderfeld ist.