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ESTENFELD
Estenfeld und die Folgen des Fischsterbens
Als hätte es die Vorgeschichte der Kürnach-Verschmutzung nie gegeben: Bürgermeisterin Rosi Schraud lud den Lengfelder Bürgerverein, Bachpächter Matthias Hampl, Kürnachs Bürgermeister Thomas Eberth und einige Behördenvertreter zu einem Ortstermin an die Kürnach ein.
Foto: Gemeinde | Als hätte es die Vorgeschichte der Kürnach-Verschmutzung nie gegeben: Bürgermeisterin Rosi Schraud lud den Lengfelder Bürgerverein, Bachpächter Matthias Hampl, Kürnachs Bürgermeister Thomas Eberth und einige ...
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:17 Uhr

Vor fünf Jahren, Ende September 2011, trieben gut 60 tote Forellen zwischen Estenfeld und Lengfeld in der Kürnach. Sie waren erstickt, weil Abwasser aus dem Kanal in den Bach geleitet wurde. Wer hätte vor fünf Jahren gedacht, welche Wellen die toten Fische noch schlagen werden?

Es folgten weitere Fischsterben, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Würzburg gegen Mitarbeiter der Gemeinde Estenfeld und immer wieder Berichte in Rundfunk und Presse über die Zustände am Bach – dabei stand auch die Einleitungspraxis der Stadt Würzburg in der Kritik.

Überwachtes Abwassersystem

Inzwischen hat die Gemeinde Estenfeld längst die Überwachung ihres Abwassersystems verbessert. Um das zu zeigen hatte Estenfelds Bürgermeisterin Rosi Schraud (CSU) Kommunalpolitiker, Mitarbeiter von Wasserwirtschaftsamt, des Entwässerungsbetriebs und Umweltschützer ans Bachufer der Gemeinde eingeladen. Über die Veranstaltung berichtete die Gemeinde anschließend in einer Pressemitteilung unter der Überschrift „Modernste Technik zum Schutz der Kürnach“.

„Die Ermittlungen, die damals folgten, sind zwar längst eingestellt und das mediale Echo ist verhallt – aber ein gewisses Misstrauen schlägt der Gemeinde immer noch entgegen...“, heißt in der Pressemitteilung der Gemeinde.

Mit keinem Wort wird darin allerdings erwähnt, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Würzburg nicht ergebnislos eingestellt wurden: Stattdessen hat die Staatsanwaltschaft festgestellt, dass die Gemeinde Estenfeld Abwasser in die Kürnach geleitet und drei Fischsterben ausgelöst hat.

Eingestellt wurden die Ermittlungen wegen Gewässerverunreinigung gegen den damaligen Estenfelder Bürgermeister Michael Weber und Mitarbeitern der Gemeinde nur deshalb, weil keinem der Beteiligten eine persönliche Schuld an der Umweltverschmutzung nachzuweisen war.

Auch das Landratsamt erklärte 2013, die Gemeinde zum Verursacher der Fischsterben und leitete ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ein. Laut der Sprecherin des Landratsamts, Eva-Maria Schorno, hat die Behörde zwischenzeitlich nach „pflichtgemäßen Ermessen“ entschieden, dass man statt ein Bußgeld zu verhängen, lediglich eine „schriftliche Verwarnung“ an die Gemeinde ausspricht. Solche Sanktionen gegen Gemeinden kämen „eher selten“ vor.

2013 hatte das Landratsamt der Gemeinde „gravierende Mängel in der Eigenüberwachung“ der Regenüberlaufbecken vorgeworfen, welche die Fischsterben ausgelöst hätten. Seitdem sind laut Pressesprecherin Schorno einige Auflagen gemacht worden, um solche Vorfälle zu verhindern: So musste die Gemeinde die Becken mit Messeinrichtungen versehen und ausreichend zuverlässiges und geschultes Personal einstellen, das diese überwacht. „Infolge der Gewässerverunreinigungen wurde die Eigenüberwachung der Gemeinde optimiert“, erklärt das Landratsamt. Die Überlaufbecken würden jetzt regelmäßig überwacht und befänden sich auf dem neuesten technischen Stand.

Das zeigte Bürgermeisterin Schraud jetzt auch beim Ortstermin dem Lengfelder Bürgerverein, Bachpächter Matthias Hampl, Kürnachs Bürgermeister Thomas Eberth und einige Behördenvertretern. „Es ging mir darum, gegenseitiges Misstrauen abzubauen“, erklärte sie der Redaktion den Sinn dieser Veranstaltung. Dabei habe sie vor Ort auch eingeräumt, dass es „in der Vergangenheit Vorkommnisse in Estenfeld gab“. Entschuldigt habe sie sich als Gemeindeoberhaupt allerdings für die wiederholten von Estenfeld ausgelösten Fischsterben nicht.

Mängel wurden behoben

„Es ist Fakt, dass es damals an unserer nicht einwandfrei funktionierenden Anlage lag, dass es zu der Verschmutzung kam“, sagt Schraud auf Nachfrage. Und: „Wir haben aus unseren Fehlern gelernt.“ Ihr Augenmerk als Bürgermeisterin liege auf der Zukunft, rechtfertigt sie die Tatsache, dass in der Pressemitteilung kein Wort über die schmutzige Vorgeschichte der Anlagensanieren zu lesen ist. „An der Vergangenheit kann ich nichts mehr ändern, aber es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass so etwas nicht mehr passiert“, sagt die 2014 ins Amt gekommene Bürgermeisterin.

Um eine wiederholte Verschmutzung zu vermeiden, habe Estenfeld sogar mehr Überwachungssysteme und Sicherheitstechniken in die Anlage eingebaut als seinerzeit in den Auflagen des Landratsamtes verlangt. „Ich glaube, wir haben hier in Estenfeld die am besten überwachten Becken im ganzen Landkreis“, so Schraud.

Eine „Garantie“ gibt es nicht

Ist ein weiteres Fischsterben durch die Einleitung von Abwasser der Gemeinde Estenfeld jetzt ausgeschlossen? „Wir haben alles getan, was wir können“, sagt Bürgermeisterin Schraud. Das Landratsamt antwortet, dass die Ursache der bisherigen Fischsterben, die Mängel in der Estenfelder Überwachung der Regenüberlaufbecken, jetzt behoben seien. Aber: „Kein Fachgutachter und auch keine Behörde kann eine ,Garantie' geben, dass bei technischen Anlagen Störungen völlig ausgeschlossen werden.“

Am 23. September 2011 berichtete diese Zeitung, dass mutmaßlich hunderte von Forellen in der Kürnach zwischen Estenfeld und Lengfeld verendet sind. Im Mai 2012 gab es ein zweites Fischsterben. Als Ursache galt in beiden Fällen ein Regenüberlaufbecken Estenfelds, aus dem Abwasser in den Bach gelangte. Estenfeld sah keinen Handlungsbedarf. Im Mai 2013 werden weitere tote Fische im Bach gefunden. Die Wasserschutzpolizei geht davon aus, dass wieder ein Estenfelder Regenüberlaufbecken der Verursacher war. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt wegen „Unregelmäßigkeiten bei der Einleitung“. Im Sommer 2013 wird bekannt, dass Bürgermeister Michael Weber „strafbares Verhalten“ vorzuwerfen ist. Das Landratsamt stellt fest, dass die Gemeinde seit 2010 ohne Genehmigung Abwasser in die Kürnach leitet. Im Dezember 2013 erklärte die Staatsanwaltschaft, dass die Fischsterben in der Kürnach in den Jahren 2011, 2012 und 2013 durch Regenüberlaufbecken der Gemeinde Estenfeld ausgelöst wurden, die nicht funktioniert haben. Ein „Organisationsversagen“ von Bürgermeister Weber wurde daraus nicht abgeleitet, da die Schadensereignisse jeweils andere Ursachen hatten.

Da strafrechtlich niemand zu belangen war, wurden die Ermittlungen eingestellt. Das Landratsamt leitete ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Estenfeld ein.

Nachdem die Gemeinde ihr Kanalsystem neu berechnet hat, wird die Genehmigung zur Abwassereinleitung verlängert. Als Auflagen erteilt das Landratsamt, dass zuverlässiges, geschultes und ausreichendes Personal die Regenüberlaufbecken betreibt und unterhält und diese mit Messeinrichtungen ausgerüstet sind.

Die Fischsterben haben die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert: So wurden Probleme mit Regenüberlaufbecken im Stadtgebiet Würzburg bekannt. Im Januar 2016 lief beispielsweise Abwasser in der Aumühle in den Bach. Inzwischen wurde dort ein zu kleines Becken durch ein größeres ersetzt (weitere Verbesserungen geplant). Ebenso wird an der Renaturierung der Uferbereiche gearbeitet. Auf eine Anfrage der Landtagsfraktion der Grünen erklärte das Bayerische Umweltministerium Anfang 2016 den ökologischen Zustand der Kürnach ab Estenfeld als „unbefriedigend“ – die viertschlechteste von fünf Bewertungsstufen. Da die Überlebenschancen schlecht seien, empfahl das Ministerium, keine Fische einzusetzen. Text: gam

 
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