
Die Aufgabe von Michael Franz ist klein, rund und liegt überall auf der Wiese verteilt. In Arbeitskleidung und mit Rechen in der Hand steht der 28-Jährige auf der Weide der zwölf Jakobschafe und trägt mit routinierten Bewegungen den Schafskot zusammen. "Wir machen heute zuerst hier sauber, danach kommen die Schweine dran", sagt er, während er sich Meter um Meter voran arbeitet. Wenige Schritte entfernt grasen einige der Tiere völlig unbeeindruckt.
Franz hat eine Lernbehinderung, spricht langsam, fast bedächtig. Im Tierpark Sommerhausen ist er damit nicht allein. Die Einrichtung wird von den Mainfränkischen Werkstätten betrieben und beschäftigt insgesamt 35 Mitarbeitende mit einer Behinderung. "Wir bieten für sie hier einen geschützten Rahmen", sagt die Leiterin des Tierparks Anna-Lena Amon, die seit dem vergangenen Jahr in Sommerhausen arbeitet.
Tier- oder Parkpflege und Gastronomie statt Aufgaben in einer Werkstatt
Während andere Menschen mit einer geistigen Einschränkung oder einer Mehrfachbehinderung in einer der Werkstätten etwa Kabel montieren, Produkte verpacken oder Holz bearbeiten, übernehmen sie in Sommerhausen Aufgaben in der Tier- oder Parkpflege und der Gastronomie. "Wir sind sehr beliebt und kriegen viele Anfragen", sagt Amon. Denn innerhalb der Mainfränkischen Werkstätten gelte das sogenannte "Wunsch- und Wahlrecht", wie Anja Gropp, zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, betont.
Allerdings gebe es einige Voraussetzungen, die Angestellte im Tierpark erfüllen müssen. "Sie müssen zum Beispiel laufen können, weil viele Wege hier nicht für Rollstuhlfahrer geeignet sind", sagt Amon. Schlechte Gedächtnisleistung, geschwächte Muskulatur oder Epilepsie seien hingegen kein Problem.
Es ist 10 Uhr. Der Park öffnet. Am Eingang geht es dennoch ruhig zu. Unter der Woche sei das nichts Außergewöhnliches, so die Tierparkleiterin. Anders sehe es bei gutem Wetter an Wochenenden und in den Ferien aus. Im laufenden Jahr hat der Park bereits etwa 102.000 Besucherinnen und Besucher auf dem 14 Hektar große Gelände registriert – der Stand vor Corona ist damit noch nicht wieder erreicht. Etwa 350 Haus- und Nutztiere gibt es dort nach Angaben der Mainfränkischen Werkstätten zu sehen. Dazu kommen ein großer Spielplatz im Eingangsbereich und die Umweltstation, die unter anderem Führungen, Ferienprogramme und verschiedene Bildungsangebote bietet.

Einige hundert Meter weiter haben Michael Franz und sein Team schon einen Großteil der Weide von den Hinterlassenschaften der Schafe befreit. "Bis zur Pause um halb drei, sollten wir hier fertig sein", sagt er. Denn danach stehe noch die Fütterung und die Abendkontrolle der Wasserbehälter an. Der Arbeitstag hat für Franz um 8 Uhr begonnen. Davor fahre er jeden Tag mit dem Zug von seinem Wohnort Heidingsfeld nach Winterhausen und laufe dann das letzte Stück zum Tierpark, sagt der Tierpfleger. Sechs Jahre lang arbeitet er bereits in Sommerhausen.
Seit 30 Jahren betreiben die Mainfränkischen Werkstätten den Tierpark
Einige der Mitarbeitenden seien sogar schon von Beginn an mit dabei, sagt Anna-Lena Amon. Vor kurzem erst feierte der Tierpark sein 30-jähriges Bestehen. Seitdem gab es immer wieder Veränderungen. Etwa beim Tierbestand, sagt Amon. "Früher gab es hier mal zwölf Pferde, Kühe, andere Schaf- und Ziegenarten." Dabei gehe es darum, Tiere zu halten, die gleichzeitig interessant für die Gäste, aber auch für Mitarbeitende zu bewältigen sind.

"Tierpfleger ist eben kein Beruf, der ganz ungefährlich ist. Deshalb müssen wir auch darauf achten, was wir hier anschaffen", so die Leiterin. Auch das Team sei gewachsen – von zehn Mitarbeitenden auf über 30.
"Der Michi hat bei den Schweinen und Schafen den Hut auf", sagt sie. Er leite ein kleines Team, das sich relativ selbstständig um den Bereich kümmere. Seine Beeinträchtigung ist ihm auf den ersten Blick kaum anzumerken. Das sei nicht außergewöhnlich, sagt Anja Gropp. Vielen Gästen des Tierparks falle gar nicht auf, dass in der Einrichtung Menschen mit Behinderung angestellt sind. "Wir wollen das auch gar nicht besonders herausstellen", sagt Gropp. "Das wäre meiner Meinung nach schon wieder nicht im Sinne der Inklusion."
Mehr Pausen, weniger Leistungsdruck
Und trotzdem: In Sommerhausen läuft einiges anders als in anderen Tierparks und Zoos. "Es geht weniger um die Leistung", sagt die Leiterin. Stattdessen gehe es mehr darum, die Anforderungen an die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Mitarbeitenden anzupassen. "Jeder kann in seinem Tempo arbeiten und das machen, was für ihn möglich ist."
Regnet es, müssen Michael Franz und seine Kollegen beispielsweise nicht auf die Weide. Außerdem gebe es drei Pausen am Tag, die zudem länger ausfielen, als in klassischen Betrieben. Ein Sozialpädagoge stehe für die Mitarbeitenden zudem als Ansprechpartner zur Verfügung. Wer nicht selbstständig anreisen kann, werde mit dem Auto abgeholt und zur Arbeit gebracht.

Geht es um das Thema Entlohnung, sei die Arbeit im Tierpark ebenfalls nicht mit einem klassischen Vollzeit-Arbeitsplatz zu vergleichen, so Sprecherin Anja Gropp. Denn es stehe "nicht die reine Erwerbsarbeit im Vordergrund" und gebe zudem Angebote wie pflegerische Unterstützung, Ergo- und Physiotherapie oder Logopädie. Das Arbeitsentgelt fällt nach Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft
Werkstätten für behinderte Menschen e.V. deutlich geringer aus, als bei einer Anstellung nach Mindestlohn. Zusätzlich erhalten Menschen mit Behinderungen oft staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt, wie es vonseiten der Mainfränkischen Werkstätten heißt.
"Gleichzeitig versuchen wir hier möglich zu machen, was geht", sagt Amon. Einer der Mitarbeitenden wolle etwa gerne Traktor fahren, erzählt sie. "Das geht natürlich nicht so einfach." Der Kompromiss: ein Aufsitzmäher. Mit dem dürfe er nun, wie auf einem Traktor, im Tierpark fahren und passende Aufgaben übernehmen. "Er leert zum Beispiel die Mülleimer aus", sagt Amon.

Auch Praktika in andere Arbeitsbereiche des Tierparks oder der Mainfränkischen Werkstätten seien für die Mitarbeitenden möglich. Denn Weiterentwicklung ist ein Thema im Tierpark. ",Lebenslanges Lernen' nennen wir das in den Mainfränkischen Werkstätten", sagt Gropp.
Ein Streichelzoo ist das nächste Projekt im Tierpark
Michael Franz ist zufrieden mit seinem Job im Tierpark. Er schätze vor allem die Arbeit mit den Tieren, aber auch die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen, sagt Franz. Die Tiere füttern, das mache er am liebsten. "Beim Abmisten wird es aber auch nie langweilig", sagt er. Auch wenn die Arbeit anstrengend ist, wie er sagt, er mache sie gerne. Selbst im Winter.
"Es gibt immer wieder Herausforderungen", sagt er. Gerade sei das etwa eine Baustelle im Gehege der Wollschweine. Dort soll ein Wassergraben entstehen. Das ist nicht die einzige Veränderung im Tierpark. Das nächste Projekt sei etwa ein Streichelzoo mit kleinen Ziegen, sagt Anna-Lena Amon. Auch für die Mitarbeitenden mit Behinderung bedeutet das dann wieder einen neuen Einsatzbereich. Mehr will Amon nicht verraten: "Es sollen ja auch Überraschungen bleiben für die Besucher."
Umso schlimmer sind dann Vorfälle wie jener, als ein Besucher verlangte, eine Ziege mit von Geburt an gebrochenem Lauf (sie kam gut damit zurecht und hatte auch keine Schmerzen) aus dem Tierpark zu entfernen. Weil "man könne ja so einen Anblick den Besuchern nicht zumuten".
Leider gab die Parkleitung nach und die Ziege wurde entsorgt... Zum Glück hat ein Gnadenhof sie dann aufgenommen.