
Wegen der spektakulären Corona-Entscheidung eines Weimarer Amtsrichters ermittelt jetzt der Staatsanwalt – auch in Würzburg. Vor drei Monaten hatte der Familienrichter bundesweit für Aufsehen gesorgt, als er in Thüringen die Masken- und Testpflicht für Schüler kippte. Nun steht der Jurist unter Verdacht der Rechtsbeugung zugunsten von Corona-Leugnern.
Suche nach verdächtiger Kommunikation
Auf der Suche nach Beweisen für angebliche Mauscheleien des Richters mit Unterstützern gab es jetzt 14 Durchsuchungen in drei Bundesländern. In Würzburg wurde nach Informationen dieser Redaktion bei einer namentlich bekannten Biologie-Professorin durchsucht, deren Gutachten eine der Grundlagen der Richter-Entscheidung war.
Ziel der Razzia sei die Beschlagnahmung von beweisrelevanter Kommunikation zwischen dem beschuldigten Richter und Zeugen gewesen, teilte Oberstaatsanwalt Hannes Grünseisen in Erfurt mit. Er bestätigte auf Anfrage die Durchsuchung bei der Wissenschaftlerin in Würzburg. Die Biologin gelte als Zeugin, gegen sie selbst bestehe kein Tatverdacht.
Beifall und Empörung nach der Entscheidung
Der am Amtsgericht Weimar tätige Familienrichter hatte im April unter Verweis auf die Gefährdung des Kindeswohles per einstweiliger Anordnung das Tragen von Gesichtsmasken an zwei Schulen untersagt. Dabei berief er sich auf einen Passus im Bürgerlichen Gesetzbuch.
Geklagt hatte eine Mutter im Namen ihrer beiden acht und 14 Jahre alten Söhne. Der Gerichtsbeschluss (Az.: 9 F 148/21), der ohne mündliche Verhandlung ergangen war, hatte bundesweit stürmische Reaktionen ausgelöst. Während Kritiker der behördlichen Pandemie-Maßnahmen das Urteil begrüßten, hielten es andere für verantwortungslos.
Das Thüringer Oberlandesgericht hob die Entscheidung des Richters im Mai auf. Außerdem leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des "Verdachts auf Rechtsbeugung" gegen den Richter ein. Laut Erfurts Oberstaatsanwalt Hannes Grünseisen geht es darum, herauszufinden, ob es vor dem Urteil Absprachen gab.
Jurist gilt als Corona-Skeptiker
Frage ist, wieso der Jurist, der sich offenbar zuvor als "Corona-Skeptiker" hervorgetan hatte, mit dem Fall betraut war. Laut Staatsanwaltschaft in Thüringen bestehen "Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte willkürlich seine Zuständigkeit angenommen hat, obwohl es sich um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit handelte, für die ausschließlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist".
Dem Staatsanwalt zufolge wurden bei Durchsuchungen im April Handydaten gesichert, die den Vorwurf der mutmaßlichen Rechtsbeugung erhärtet haben sollen. Sollte sich nach der Auswertung der neuen Beweismittel ein hinreichender Tatverdacht ergeben, wolle man Anklage erheben. Andernfalls werde das Verfahren eingestellt.
Biologin stellte Zuverlässigkeit von PCR-Tests in Frage
Die Würzburger Biologin ist eine von drei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, deren Gutachten dem Weimarer Richter als Grundlage seiner Entscheidung dienten. Sie hatte die Zuverlässigkeit von PCR-Tests bei Corona-Infektionen in Frage gestellt. Öffentlich in Erscheinung getreten war die Forscherin, als sie als Rednerin an einer Kundgebung gegen Corona-Maßnahmen in Schweinfurt teilnahm.
Gegen die Durchsuchung wehrt sie sich mit Hilfe eines renommierten Strafverteidigers, der durch die Ermittlung auch die richterliche Unabhängigkeit in Gefahr sieht. Zu dem Fall wollte sich der Anwalt auf Nachfrage der Redaktion nicht äußern. Der Weimarer Amtsrichter wird von dem bekannten Hamburger Anwalt Gerhard Strate vertreten, der sagt: „Das ist alles rechtsstaatswidrig“. Er rechne mit einer baldigen Einstellung der Ermittlungen.