Der Ausgang des Erlabrunn-Prozesses lässt viele Beteiligte und Beobachter zunächst ratlos und unbefriedigt zurück. Man fragt sich vielmehr: Musste so viel Aufwand sein, damit am Ende so wenig dabei herauskommt?
Der Angeklagte schwieg drei Jahre lang verbissen. Erst als ihm die Felle davonschwammen, quälte er sich ein Schuldeingeständnis ab. Doch: Hat er wirklich geglaubt, er habe einen Gelben Sack überfahren und sich dann davon geschlichen? Musste er dafür seine Frau beauftragen, am Unfallort nachzuschauen? Man mag das kaum glauben.
Sein Verhalten nach der Tat spricht eher für ein schlechtes Gewissen, das er mit großer Robustheit zu übertünchen versuchte. Er gab seinen Anhängern die Richtung vor, indem er sich lange als verfolgte Unschuld inszenierte. Die Folge: Die Familie des Opfers wurde zu Tätern gemacht. Und jetzt, als alles fast zu spät war, zog er die Notbremse, um nicht länger ins Gefängnis gehen zu müssen als nötig.
Dass diesem „leuchtenden“ Beispiel manche folgten, ist eine der unrühmlichsten Nuancen dieses Falles. Schämen müssen sich jene Zeugen, die zu Gunsten des Angeklagten mit halbherzigen Aussagen und großen Erinnerungslücken eine Aufklärung behinderten. Wie sollen jetzt die Gräben zugeschüttet werden, die der Angeklagte nach eigenem Bekenntnis aufgerissen hat?
Der Witwer wollte die ganze Wahrheit, nicht die halbe
Wie mag sich Erich K. jetzt fühlen, der Ehemann der Getöteten? Natürlich wird er froh sein, dass die monatelange Quälerei vor Gericht jetzt zu Ende ist. Niemand hört gerne den ganzen Tag eklige Einzelheiten eines Sterbens unter den grobstolligen Reifen eines Traktors. Es ehrt die Staatsanwaltschaft auch, dass sie diesen menschlichen Aspekt – das Leiden der Familie der Getöteten zu beenden - höher einschätzt als die Aufklärung bis in den letzten Winkel.
Aber der Witwer von Gisela K. hatte vor wenigen Tagen erst im Gespräch mit dieser Redaktion gesagt: Er wolle nicht die halbe Wahrheit wissen, sondern die ganze. Er fühlte sich stark genug dafür. Daran hätten sich andere ein Beispiel nehmen können.
Wer den leidenden Erich K. erlebt hat, würde da spontan zustimmen. Doch dies will jenseits aller hitzigen Diskussion mit kühlem Kopf überlegt sein.
Denn der Ehrlichkeit halber muss die Frage erlaubt sein: Wäre bei einer Fortsetzung mehr herausgekommen als jetzt? Die Vorsitzende Susanne Krieschker hatte immer wieder betont, dass der Angeklagte mit einer Bewährungsstrafe nur rechnen dürfe, wenn er vollständig auspackt. Dann hätte er die verraten müssen, die im Verdacht stehen, ihm beim Vertuschen des Unfalls geholfen zu haben.
Das war – gemessen an seinem bisherigen Verhalten – so gut wie ausgeschlossen. Aber anders wären die Mitwisser und Vertuscher nicht zu überführen gewesen. Hätte es sich dafür gelohnt, in weiteren Verhandlungstagen immer wieder in schaurigen Details anzuhören, wie Gisela K. starb?
Jeder Richter, jeder Staatsanwalt fürchtet die Revision
Vielleicht wäre man am Ende da gestanden, wo man jetzt steht – oder womöglich sogar mit leeren Händen. Vielleicht hätte es ein paar Monate mehr Gefängnis für den Verurteilten gegeben. Vielleicht hätte der kämpferisch auftretende Verteidiger aber auch einen Grund zur Revision gefunden, eine Furcht, die jeden Richter und Staatsanwalt umtreibt. Dann hatte der Prozess wieder von vorne beginnen müssen – ein Zirkus, der unzumutbar für die Opferfamilie und viele andere Menschen in Erlabrunn gewesen wäre.
So steht jetzt zumindest ein rechtskräftiges Urteil fest, das auf einer festen Säule ruht: Dem Geständnis des Angeklagten. Er hat zugegeben, Gisela K. überfahren zu haben. Daran kommen auch die ärgsten Schönredner nicht vorbei, die in ihm einen Märtyrer sahen - und in den Opfern die wahren Schuldigen.
Das mag als Bilanz nach drei Jahren manchem zu mager erscheinen. Aber vielleicht ist es am Ende für alle Beteiligten doch das beste Urteil.