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ERLABRUNN
Erlabrunn: Kindergarten wird zum Treffpunkt
Zeit miteinander verbringen: Bei den wöchentlichen Treffen, die Karin Lamnek (Mitte) in der Caritas-Kindertagesstätte St. Elisabeth in Erlabrunn veranstaltet, können sich deutsche Familien und Flüchtlingsfamilien näher kennenlernen. Foto: Caritas
| Zeit miteinander verbringen: Bei den wöchentlichen Treffen, die Karin Lamnek (Mitte) in der Caritas-Kindertagesstätte St.
Redaktion Süd
 |  aktualisiert: 23.07.2015 14:28 Uhr

Wenn Karin Lamnek nach ihren Beweggründen gefragt wird, zitiert sie ein paar Zeilen aus einem Gedicht von Peter Rosegger. „Statt Angst und Hemmungen ein bisschen mehr Mut und Kraft zum Handeln. Das wäre gut.“ Mut und Kraft zum Handeln hat die Leiterin der Caritas-Kindertagesstätte St. Elisabeth in Erlabrunn mehrfach bewiesen, indem sie ihren Kindergarten zu einem echten Ort der Begegnung gemacht hat, einem Ort, an dem Flüchtlingsfamilien herzlich willkommen sind, an dem sie integriert statt separiert werden.

Wer am Mittwochnachmittag einen Blick in den Garten der Kindertagesstätte St. Elisabeth wirft, entdeckt dort nicht nur Kinder, die rutschen, toben und Fußball spielen, sondern auch eine ganze Reihe von Menschen, deren eigene Zeit im Kindergarten viele Jahre zurückliegt. Menschen aus Afghanistan, Armenien, Serbien oder der Ukraine, die in Erlabrunn, nur wenige Meter von der Kita entfernt, vorübergehend ein neues Zuhause gefunden haben. Dass sie den kleinen Ort als eine Art Zuhause empfinden, liegt größtenteils an jenen Mittwochnachmittagen im Kindergarten, wenn sie bei Kaffee und Kuchen zusammensitzen und sich austauschen können.

Und an Kitaleiterin Karin Lamnek, die eines Tages den Entschluss gefasst hat, aktiv zu werden und mit der Kita eine Plattform zu schaffen, durch die deutsche Familien mit Flüchtlingsfamilien in Kontakt kommen können. „Viele Bürger im Ort wollten etwas tun, haben sich aber nicht so recht getraut oder waren unsicher“, erinnert sie sich.

Seitdem veranstaltet sie mittwochs ab 15 Uhr offene Familiennachmittage in der Kita, berichtet die Einrichtung in einer Pressemitteilung. Mal wird zusammen gekocht, mal gespielt, mal einfach nur geplaudert. „Es geht darum, Zeit miteinander zu verbringen und sich kennenzulernen“, sagt die Erzieherin. Geld sei dafür nicht nötig. Auch sprachliche Barrieren werden problemlos überwunden.

Sprechen mit Händen und Füßen

„Wir sprechen Deutsch miteinander, allerdings ein etwas merkwürdiges Deutsch mit Händen und Füßen“, erzählt Lamnek und lacht. Dass die Familientreffen nicht erst um 16 Uhr und somit außerhalb der Öffnungszeiten stattfinden, liegt ihr besonders am Herzen. Aus diesem Grund hat sie Träger und Vorstand gebeten, die Türen bereits eine Stunde früher für die Asylbewerber aus der Nachbarschaft öffnen zu dürfen.

„Ich möchte ja integrieren, nicht separieren“, sagt sie. Das gelingt ihr immer besser. Anfangs noch eine überschaubare Runde, kommen inzwischen bis zu 20 Eltern und Kinder zu den Treffen.

Doch die Nachmittage in der Kita sind nicht alles, was Karin Lamnek im letzten halben Jahr auf die Beine gestellt hat, um die Asylbewerber stärker ins Gemeindegeschehen einzubeziehen. Begeistert berichtet sie von der Teilnahme am Dorfadventskalender, wo die Bewohner der Asylunterkunft ihre Tür geschmückt und Plätzchen verteilt haben. „Für viele Erlabrunner war das die erste bewusste Begegnung mit den Flüchtlingsfamilien“, erinnert sie sich. Auch bei der Organisation des Kindergartenfestes waren die ausländischen Eltern fest eingeplant. „Sie haben wie alle anderen Eltern Kuchen und Getränke verkauft“, berichtet die Kitaleitung.

Sich diesen Menschen, die so viel zurücklassen mussten, anzunehmen und sie zum Teil der Gemeinschaft zu machen – ganz im Sinne des diakonischen Auftrags einer christlichen Kindertagesstätte – sieht Karin Lamnek als einen Teil ihrer Aufgabe. „Das ist für mich Nächstenliebe. Eine Herzensaufgabe“, sagt sie. „Menschen Zeit zu schenken, für sie da zu sein.“ Dass die Erlabrunner Leiterin ganz selbstverständlich den Blick über den Tellerrand hinaus gewagt hat, sei vorbildlich, sagt Petra Eitzenberger, Kita-Fachberaterin für den Landkreis Würzburg im Diözesancaritasverband. „Die Vernetzung nach außen und den Menschen im Ort ein Angenommensein zu vermitteln, egal, woher sie kommen, gehört zu den originären Aufgaben einer Kitaleitung“, betont sie. „Was die Kita in Erlabrunn auf die Beine stellt, ist großartig.“

Unendlich viel Dankbarkeit

Hürden und Rückschläge gebe es immer wieder, sagt Karin Lamnek. Aber all das rückt in den Hintergrund, wenn sie im Garten ihrer Kindertagesstätte sitzt, umringt von Menschen, die ihr unendlich viel Dankbarkeit entgegenbringen, für die sie eine echte Bezugsperson geworden ist. Und es verblasst auch, wenn die Leitung des Caritas-Kindergartens von den vielen Plänen berichtet, die sie noch hat, den vielen Ideen, die ihr im Kopf herumschwirren, um Menschen ein Gefühl des Willkommenseins zu geben. Ganz im Sinne des Goethe-Zitats, das im Eingangsbereich der Kita auf die Wand gedruckt ist: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich?s sein.“

 
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  • F. G.
    Wahrlich eine tolle Geschichte, die die KiTa in unserem kleinen Ort da schreibt. Andernorts brennen gerade zum Bezug fertiggestellte Unterkünfte, demonstrieren die Anwohner lautstark gegen die geplante Unterbringung solcher Menschen mit all ihrem Schicksal.
    Wenn nur unsere bayer. Asylpolitik es ermöglichen würde, dass die jungen Väter, Ehemänner dieser vom Leben so Enttäuschten eine legale Arbeit aufnehmen dürften, wäre ein noch größerer Schritt, hin zur Integration getan. Zuzusehen, wie diese Männer teilweise "herumhängen", ist unerträglich. Man sieht ihnen regelrecht an, dass sie lieber heute, als morgen irgend einer Beschäftigung nachgingen, nicht so sehr des möglichen Verdienstes wegen, sondern im Bewusstsein, etwas sinnvolles zu leisten und damit Anerkennung zu verdienen.
    Doch bis dahin müsste sich unsere Asylpolitik noch gewaltig ändern.
    Man fragt sich, wem diese Menschen etwas wegnähmen, angesichts einer Arbeitslosenrate von ca. 3 % in unserer Region?
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