
Trotz widriger Wetterverhältnisse hatten sich dutzende Gäste zur feierlichen Enthüllung einer Gedenktafel auf dem jüdischen Friedhof von Weikersheim eingefunden. Einladungen der Stadt seien eigentlich in der Regel Anlass fröhlich zu sein, meinte Weikersheims Bürgermeister Nick Schuppert bei seiner Begrüßung. Die heutige solle jedoch vor allem der Erinnerung dienen. Damit verbunden sei auch der dringende Appell, sich dem fast Vergessenen entgegenzustellen.
Ergänzend fügte er hinzu: "Was wäre geschehen, hätte es die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte nicht gegeben? Vieles wäre anders gekommen. Auch der Friedhof wäre ein anderer weil Menschen, die durch den Nationalsozialismus vertrieben, gepeinigt oder ermordet wurden, ihre letzte Ruhestätte an dieser Stelle gefunden hätten."
Rabbiner erinnerte auch an den 7. Oktober vor einem Jahr
Der Esslinger Rabbiner Morechai Mark Pavlovxky ging neben den jüdischen Feiertagen Rosch Haschana (Neujahrsfest) und Jom Kippur (Versöhnung) auch auf die tragischen Ereignisse des 7. Oktober 2023 ein und stellte die Frage: "Wer hätte gedacht, dass so etwas geschehen könnte?". Christa Behr ging anschließend auf die jüdische Geschichte der Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Weikersheim ein. "Sie flohen in den Jahren 1933 bis 1941 wegen der Gewalttaten der Nationalsozialisten ins Ausland oder emigrierten aufgrund des wirtschaftlichen Drucks."
Einige seien 1941 in den Osten deportiert und dort ermordet worden oder kamen auf andere Weise um. Ihnen allen sei es nach ihrem Tode nicht vergönnt gewesen, im heimatlichen Friedhof bestattet zu werden, so Behr. "Die letzten verbliebenen jüdischen Menschen in Weikersheim sahen sich vom März 1933 einer Gewaltherrschaft gegenüber, die sie drangsalierte, zur Auswanderung veranlasste oder in die KZs deportierte und ermordete."

Der Redebeitrag von Günter Breitenbacher befasste sich dann mit der 200-jährigen Geschichte des jüdischen Friedhofs Weikersheim. "Er diente von 1730 bis 1941 als Begräbnisstätte für die Jüdinnen und Juden in Weikersheim, Laudenbach und Tauberrettersheim. Zeitweise haben auch die jüdischen Gemeinden Bütthard und Gaukönigshofen den Friedhof mitbenutzt", erzählte Breitenbacher.
607 jüdische Grabsteine erhalten
Im September 1941 sei die letzte Jüdin hier bestattet worden. "Insgesamt fanden hier 707 Juden und Jüdinnen ihre letzte Ruhestätte. Von diesen Gräbern sind noch 607 Grabsteine erhalten." Auf einem jüdischen Friedhof, erklärte Breitenbacher, gebe es nur Einzelgräber, "denn jeder Tote soll sein eigenes Grab haben". Nach dem Tod von Amalie Löwenstein lebte in Weikersheim und Laudenbach kein Jude mehr.

Rolf Mailänder erinnerte an die Nachkriegszeit
Auch Rolf Mailänder erinnerte unter dem Titel "Weikersheim und der Judenfriedhof im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit" an die schrecklichen Ereignisse. Bereits im März 1933 fand die so genannte "Judenaktion" statt. "Unter Aufsicht und tätiger Mithilfe des Ortsgruppenleiters brachte man die greibaren Juden durch auswärtige SA-Schläger ins Rathaus, um sie zu misshandeln." In der Reichspogromnacht vom 9. auf 10. November 1938 sei das Schaufenster des letzten jüdischen Geschäfts von Jakob Ascher eingeschlagen worden, im Jahr 1939 48 Grabsteine umgeworfen worden.
Die letzte Schändung des Judenfriedhofes geschah im Jahre 1961, weiß Mailänder. Abschließend ging er auf die aktuelle Lage ein und rief den Gästen zu: "Leider können Demokratien sterben, das lehrt uns die Geschichte, und man kann auch unzufrieden sein, wie wir derzeit regiert werden. Aber selbst die schlechteste Demokratie ist immer noch besser als jede Form der Diktatur".
Zum Gedenken gingen vier Schüler des Gymnasiums Weikersheim - nach zahlreichen Stunden Recherche - auf das Schicksal zweier jüdischer Familien in Weikersheim und Laudenbach ein. Die Enthüllung der Gedenktafeln mit den 26 Namen nahmen Bürgermeister Nick Schuppert, Rabbiner Mark Pavlovsky sowie Christa Behr, Günter Breitenbach und Rolf Mailänder vor. Musikalisch umrahmt wurde die Feierlichkeit vom Geiger Andreas Berge aus Mergentheim.