(rtg) Wenn in Würzburg über Kunst, Kultur und Denkmalschutz der Jahre nach der Zerstörung der Stadt gesprochen wird, fällt immer wieder der Name Heiner Reitberger, der seiner Heimatstadt sehr zugewandt war, und dem es darum ging, ihre Identität als Kunststadt zu bewahren. Dafür sprechen seine Veröffentlichungen als Autor, auch in dieser Zeitung unter dem Pseudonym „Kolonat“, aber auch sein kritischer und immer wieder wegweisender Einsatz in verschiedenen kulturellen Vereinen.
Charlotte Breyer hat in ihrem Buch „Würzburg im Herzen“ Menschen vorstellt, die der Stadt auf besondere Weise verbunden sind und verbunden waren. Heiner Reitberger hat sie einen ganz persönlichen Erinnerungstext gewidmet, den wir auf dieser Seite veröffentlichen.
Begabter Maler
Darin wird Reitberger auch als begabter Maler vorstellt. Seine feinen Aquarelle aus den Würzburger Nachkriegsjahren, von denen in dem Buch die Rede ist (Stadtansichten „Nach den Bomben – vor den Baggern“), sind zur Zeit in der Ausstellung „Würzburg und die Kunst der 1950er Jahre“ im Museum im Kulturspeicher zu sehen.
Charlotte Breyers Text:
Wir kannten uns, wie man sich „als Würzburger“ kannte, und begegneten uns öfters im Treppenhaus der „alten Main-Post“ in der Plattnerstraße, wenn er seine getippten Manuskripte, in denen er unermüdlich gegen Bausünden und Abrisskatastrophen anschrieb, in die Redaktion brachte. Ein paar Worte wurden gesprochen. Wenn er gut gestimmt war, gab es Lob, manchmal auch kritische Anmerkungen über das, „was im Blatt gestanden hat“; wenn er schlecht gestimmt war, man konnte das schon an seiner Körperhaltung erkennen, gab es nur einen Gruß.
Seine Artikel aber waren für die damals junge Redakteurin Pflichtlektüre und immer wieder Ansporn. Und das blieb so in all den folgenden Jahren. Später, wenn ich ihm auf seinen Wegen durch die Stadt begegnete, meist trug er Regenmantel, Schal und Baskenmütze, wirkte er oft so verschlossen, dass man es nicht wagte ihn anzusprechen. Die Augen hinter den großen Brillengläsern waren entweder auf den Boden gerichtet, es schien dann, als denke er nach über etwas, das weit weg war, oder aber er betrachtete ein Bauwerk und sah so aus, als wolle er nur mit den Steinen und den Mauern sprechen.
Im Jahr 1993 dann wurde Heiner Reitberger, der unvergessene „Kolonat“ dieser Zeitung, 70 Jahre alt. Es ging ihm nicht gut, und dafür gab es viele Gründe. Der Verschönerungsverein gestaltete, um ihn zu ehren, eine Ausstellung im Martin-von-Wagner-Museum der Universität Würzburg. „Nach den Bomben – vor den Baggern“ war der Titel. 153 Aquarelle, Zeichnungen und Fotos gab es zu sehen, Impressionen aus jener kurzen Zeitspanne, als das zertrümmerte Würzburg Alltag war für die Menschen, die ihre Stadt nicht aufgeben wollten, der Wiederaufbau aber mit all seinen lärmenden, eiligen und zielgerichteten Aktivitäten noch nicht in vollem Gang war: Schuttberge also, auf denen es grünte, leere Plätze, Natur, die sich zwischen den Ruinen ausbreitete. Für die, die das erlebt haben, eine unvergessene Situation, vor allem für die Kinder, die zwischen den Trümmern spielten.
Für den Künstler waren es „Zwischenzustände“, Motive, die er festhielt, eher absichtslos, wie er später sagte, vielleicht sind sie gerade deshalb von so großer Anziehungskraft. Er war eben ein Augenmensch, wie Peter Kolb in seinem schönen Buch über Heiner Reitberger schrieb.
Und manchmal waren die Augen auch sein Herz. Zum Glück derer, die sich an diese Stimmungen erinnern konnten. Die Eröffnung der Ausstellung jedenfalls war ein Ereignis für die Würzburger. Heiner Reitberger war anwesend und gleichzeitig abwesend, er schien zwischen den Besuchern immer unsichtbarer zu werden. Weil wir uns schon so lange kannten, konnte ich ihm gratulieren und sagte dabei „Wie froh müssen Sie sein, dass dies so viel Anklang findet“.
Vorsichtige Umarmung
Er wirkte so zerbrechlich, dass ich ihn vorsichtig umarmte. Zwei Tage später erreichte mich ein kleiner handgeschriebener Brief, in dem er in nur wenigen Sätzen seine gedrückte Stimmung und auch seine körperlichen Nöte darlegte. Zum Schluss schrieb er: „Glauben Sie also im Ernst, dass ich noch froh sein kann?“
Vier Jahre später, am 2. April 1998 starb Heiner Reitberger und mit ihm „Kolonat“, der sich eigentlich schon vorher verabschiedet hatte. Aber noch immer denken wir an ihn, den Mann mit den unbestechlichen Augen und dem verletzlichen Gemüt, der in Schal und Baskenmütze durch unsere Stadt ging. Im Herzen trug er vermutlich Florenz, wo er glücklicher war, aber Würzburg hatte er vor Augen, mit all seinen Wunden, die er nicht müde wurde zu benennen, und all seinen Reizen, die ihn trotz allem entzückten. . .
„Würzburg im Herzen. Menschen die die Stadt bewegen“, von Charlotte Breyer. 160 Seiten, mit vielen Fotos. Das Buch erinnert nicht nur an besondere Menschen, sondern erzählt auch Geschichten über die Stadt. Erhältlich für 9.95 Euro im regionalen Buchhandel, in allen Geschäftsstellen der Main-Post sowie im Internet: shop.mainpost.de
Heiner-Reitberger-Stiftung
Dem Andenken Heiner Reitbergers und der Weiterführung seines Engagements zum Schutz von Kulturgütern und Baudenkmälern widmet sich seit 1999 die Heiner-Reitberger-Stiftung, die auch eine Schriftenreihe veröffentlicht. Kontaktadresse: Petra Maidt M.A. Hans-Löffler-Straße 26, 97074 Würzburg; E-Mail: info@reitberger-stiftung.de