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Würzburg
Entscheidung für Freiheit, Frieden und Demokratie
Bearbeitet von Stefan Pompetzki
 |  aktualisiert: 23.05.2019 02:10 Uhr

Nach dem jüdischen Kalender leben wir zwischen zwei wichtigen Feiertagen: An Pessach – das dieses Jahr mit Ostern zusammenfiel – wurden wir physisch aus der Sklaverei in Ägypten befreit. An Schawuot, unserem Wochenfest – es fällt dieses Jahr auf Pfingsten – erhielten wir mit der Tora am Berg Sinai auch unsere geistige Freiheit. Die beiden jüdischen Feste trennen genau sieben Wochen. Wir nennen diese 49 Tage „Omerzeit“ – eine Periode, in der wir uns auf den Empfang der Tora vorbereiten.

„Omer“ bedeutet auf Hebräisch „Garbe“ und war auch ein Maß für das Getreideopfer im biblischen Tempel von Jerusalem. Erst später entwickelte sich die „Omerzeit“ zu einer Periode der Trauer. Das ist aufgrund der Jahreszeit nicht leicht nachzuvollziehen, denn gerade in der Zeit von Pessach bis Schawuot entwickelt sich die Landwirtschaft in Israel rasant, und das Wochenfest Schawuot ist traditionell auch ein Erntefest. Doch im Talmud wird das Sterben von 24 000 Schülern des berühmten Rabbi Akiwa, die sich gegenseitig nicht mit genügend Respekt behandelten, mit der Zeit zwischen Pessach und Schawuot in Verbindung gebracht.

Vielleicht haben Sie schon einmal von Lag BaOmer gehört – das ist traditionell der einzige fröhliche Tag in dieser Zeit. Lag BaOmer, den 33. Tag der Omerzeit, haben wir gestern gefeiert. Vor allem in Israel ist dieser Feiertag sehr populär – man könnte ihn auch den Nationalfeiertag der Lagerfeuer und des Grillens nennen.

Die Tradition schreibt vor, dass wir zwischen Pessach und Schawuot keine Hochzeiten feiern, uns nicht die Haare schneiden und uns nicht rasieren. Fromme Juden halten sich strikt an diese Vorschriften, andere sehen es vielleicht etwas lockerer. Doch für uns alle gilt: Wir suchen nach Werten, die uns Halt geben. In religiöser Hinsicht ist das für uns Juden die Tora, in politischer Hinsicht sind es Toleranz, Religions- und Meinungsfreiheit, die in Europa lange Zeit selbstverständlich erschienen, in diesen Tagen aber wieder verstärkt von Rechtspopulisten infrage gestellt werden.

Die Tora wurde uns am Berg Sinai gegeben, doch die Menschen mussten erst dazu bereit sein, sie umzusetzen. Auch Freiheit und Menschenrechte sind Werte, die nicht einfach vom Himmel fallen. Wir müssen jeden Tag von Neuem aktiv dafür eintreten –  wie ich meine, auch durch eine Beteiligung an der Wahl zum Europäischen Parlament an diesem Sonntag.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen weiterhin ein schönes Frühjahr und eine gute Entscheidung für Freiheit, Frieden und Demokratie!

Der Autor Dr. Josef Schuster ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

 
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