Sie ist eigentlich von Anfang an gegenwärtig, obwohl sie nie auf der Bühne steht. Denn das Schauspiel "Enigma" dreht sich um eine Frau, einstmals Geliebte, später Ehefrau. Sie hat das Leben zweier Männer geprägt und ist verantwortlich dafür, dass die beiden sich auf einer nördlichen Insel begegnen, sich trotz aller Verschiedenartigkeit letztendlich auf einer Ebene treffen. Im KuZu Keller des Theater Chambinzky feierte das Zwei-Personen-Stück des französisch-belgischen Autors Eric-Emmanuel Schmitt eine spannungsgeladene Premiere.
Es geht um Ehrlichkeit und die Problematik zwischenmenschlicher Beziehungen, besonders in der Liebe. Es geht um Enttäuschung, Ängste und Flüchte in die Imagination, es geht um Leben und Tod. Unter der gut durchdachten Regie von Kai Christian Moritz, die die beinahe mit Themen überfrachtete Vorlage geschickt auffängt, gewähren die beiden Protagonisten einen tiefen Einblick in die männliche Psyche, gezeigt von zwei Schauspielern, die mit Herzblut in ihren Rollen aufgehen und auch die humorigen Seiten des Autors sichtbar machen.
Beeindruckende Mimik der beiden Schauspieler
In dem zweistündigen Rededuell verschieben sich Positionen. Anfänglich ist Gerd Eickelpasch als Abel Znorko, erfolgsverwöhnter Schriftsteller und Nobelpreisträger, ein Misanthrop vom Feinsten, der den Intellektuellen arrogant, grob, unhöflich gibt. Seine Statements sind ebenso hochnäsig ("Literatur stammelt nicht die Existenz nach") wie platt ("Liebe ist Versklavung" oder "Sex ist Scheiße, wenn er sich in Liebe einmischt"). Dabei spielt Eickelpasch mit einer bestechenden Mimik, rollt Augen, kneift sie zusammen, grinst, runzelt die Stirn, schießt mit Schalk und Unverfrorenheit gegen seinen Gesprächspartner. Beeindruckend, wie er den Egomanen gibt, der langsam aufweicht, immer brüchiger, weinerlicher wird.
Frido Müller als Erik Larsen, vermeintlicher Journalist eines Kleinstadtblattes, steht ihm an Ausdrucksstärke in nichts nach. Anfänglich zeigt er sich nervös, verunsichert. Ziemlich hilflos steht er da in seinem baumwollnen Hoody, nimmt die braune Mütze vom Kopf, um sie Minuten später wieder aufzusetzen. Zwar wirkt er immer wieder wild entschlossen, in der Begegnung zu bestehen, dann wieder geschlagen, zweifelnd ("Wen liebt man, wenn man liebt?"). Im Laufe des verbalen Kampfes schwebt er zwischen Liebe und Hass, gewinnt jedoch an Standfestigkeit, an Format gegen den, der nach eigener Aussage nicht leben, sondern das Leben schreiben, beherrschen will.
Am Ende bleibt beiden dieses Leben ein Rätsel - Enigma.