Auf vier kleinen weißen Stühlen sitzen vier Kinder und warten gespannt auf die gefrorene Wasserfarbe. Heute dürfen sie "ice-painting" machen. Kaum sind die Eiswürfel verteilt, verwandeln sich die weißen Blätter in grüne, blaue, gelbe und lilafarbene Gemälde. Und auch die Hände färben sich. "Look, blue", sagt Fritz und zeigt seine Finger Melissa Frederique.
Englisch als zweite Muttersprache
Fritz ist eines von fünf Kindern, auf den Erzieherin Frederique aufpasst. Das Besondere am Angebot der 32-Jährigen: Sie spricht mit den Kindern nur Englisch. In Kooperation mit der Stadt Würzburg betreibt sie "The little bridge bilingual program". Ziel ist, dass die Kinder mit zwei Muttersprachen aufwachsen – mit ihren Eltern sprechen sie Deutsch, mit Frederique Englisch.
Damit Englisch wirklich eine zweite Muttersprache werden kann, ist es wichtig, dass die Kinder ständig mit der Fremdsprache umgeben sind. Nach aktuellem Stand der Forschung lernen sie durch die Begleitung täglicher Routinen wie Essen oder Zähneputzen auf Englisch ganz natürlich, mit der Sprache umzugehen und in dieser zu kommunizieren. Studien belegen zudem, dass Kinder, die bilingual aufwachsen, die Fremdsprache deutlich besser erlernen, als dies im herkömmlichen Unterricht der Fall ist.
Laut fmks - dem Verein für frühe Mehrsprachigkeit an Kindertageseinrichtungen und Schulen - gibt es 1229 bilinguale Kitas in Deutschland. Dazu kommen Tagesmütter wie Frederique. In der Stadt Würzburg ist sie bisher die einzige, die als Tagesmutter ein- bis vierjährige Kinder komplett englischsprachig betreut. Dabei orientiert sie sich an Konzepten wie Montessori, Reggio und Inquiry-based learning, auch "forschendes Lernen" genannt. Frederique erklärt: "Es geht mehr um den Prozess als um das finale Produkt."
Die Kinder beim Lernen unterstützen
Ein Beispiel: Kinder interessieren sich Käfer und andere Insekten. Statt ihnen darüber etwas zu erzählen, fragt die Tagesmutter sie, was sie bereits wissen, was sie noch wissen wollen. "Ich versuche herauszufinden, woran die Kinder interessiert sind und wie ich sie beim Lernen unterstützen kann", erklärt Frederique.
Sie besorgte zum Beispiel auch Raupen, um die sich die Kinder kümmern und deren Wachstum und Verpuppung sie beobachten. "Sie haben gesehen, wie klein die Raupen am Anfang waren – und wie groß sie irgendwann wurden", erzählt Frederique. Seitdem würden die Kinder sehr respektvoll mit Insekten umgehen.
Eine Tagesmutter, die mit drei Sprachen aufgewachsen ist
Frederique ist in den USA geboren, ihre Eltern stammen aus Haiti. Sie selbst ist mehrsprachig aufgewachsen, mit Französisch, haitianischem Kreol und Englisch. Deutsch lernt sie gerade. Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie knapp sieben Jahre als Erzieherin in Boston, es folgten weitere Jobs in Taiwan, Italien und der Schweiz. Dass sie nun in Würzburg ist, ergab sich durch einen Zufall: In Italien lernte sie Würzburger kennen, die die bilinguale Erziehung unbedingt hierher bringen wollten. Seit zwei Jahren betreut sie als Tagesmutter in ihrer Wohnung in der Sanderau Kinder.