Lange kannte man die Unterleibserkrankung Endometriose nicht. Heute weiß man, dass sie viele Frauen betrifft und dazu führen kann, dass sich keine oder nur schwer eine Schwangerschaft einstellt. Bei etwa jeder zweiten Frau mit unerfülltem Kinderwunsch stecke eineEndometriose dahinter, so der Berufsverband der Frauenärzte. Endometriose ist auch Thema bei der Jahrestagung der Bayerischen Gesellschaft für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, die vom 19. bis 21. Mai in Würzburg stattfindet. Professor Achim Wöckel, Direktor der Frauenklinik am Universitätsklinikum Würzburg und derzeit Vorsitzender der Bayerischen Gesellschaft für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, erklärt, was genau Endometriose ist, warum diese Krankheit so schwer zu diagnostizieren ist und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Prof. Achim Wöckel: Frauen – und auch Männer – bekommen ihr erstes Kind immer später im Leben. Frauen sind heute sehr viel mehr als früher beruflich eingebunden. Mit jedem zunehmenden Lebensjahr nimmt die Schwangerschafts- und Geburtenrate deutlich ab. Auch bei Männern sieht man mit zunehmendem Alter eine Abnahme der Spermienqualität. Es sind also viele gesellschaftliche, medizinische und auch Umweltfaktoren, die zusammenkommen, so dass es heute immer mehr Paare gibt, die ungewollt kinderlos sind.
Wöckel: Bei der Endometriose wächst Gewebe, das im Wesentlichen der natürlichen Gebärmutterschleimhaut entspricht, an anderen Stellen als in der Gebärmutter, etwa an den Eierstöcken, am Darm oder am Bauchfell. Dieses Gewebe blutet analog der Gebärmutterschleimhaut monatlich, was sehr schmerzhaft sein kann. Diese Herde können zum Teil im ganzen Körper vorkommen, im kleinen Becken und an der Blasenwand. Dort, wo sie nicht hingehören, verursachen diese Blutungen in der Folge Wucherungen und Entzündungen sowie Schmerzen, vielfach auch Unfruchtbarkeit. Mittlerweile weiß man, dass Endometriose eine der häufigsten Unterleibserkrankungen bei Frauen ist. Über zehn bis 15 Prozent aller Frauen erkranken daran.
Wöckel: Die Diagnostik ist nicht einfach, denn das Leitsymptom sind starke Schmerzen während der Periode. Dies trifft aber auch bei sehr vielen gesunden Frauen zu. Deshalb bezeichnen Medizinerinnen und Mediziner Endometriose als "Chamäleon der Gynäkologie". Auch wenn sie so schwer zu erkennen ist – ein wichtiges Merkmal für Endometriose gibt es: Wenn die starken Schmerzen zyklisch auftreten, das heißt immer vor und während der Periode. Um die Krankheit eindeutig zu diagnostizieren, ist allerdings eine Biopsie – meist unter Vollnarkose – nötig. Daher wird die Krankheit immer noch spät erkannt.
Wöckel: In zertifizierten Endometriosezentren arbeiten Spezialistinnen und Spezialisten aus verschiedenen Fachgebieten und Berufszweigen zusammen. So ist die Chance hier höher, eine gute Lösung für die Patientin zu finden. Das heißt, es werden nicht nur Gynäkologinnen und Gynäkologen zu Rate gezogen, sondern zum Beispiel auch Schmerztherapeuten.
Wöckel: Manchmal helfen den Patientinnen Schmerzmittel oder eine Hormontherapie. Hier gibt es unterschiedliche Varianten, darunter die Dauereinnahme der Antibabypille, wodurch die Monatsblutung unterdrückt wird. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist eine Operation, bei der mittels Bauchspiegelung Endometriose-Herde untersucht und beim Eingriff auch gleich verödet oder besser entfernt werden. Manchmal sind allerdings sehr ausgedehnte Operationen erforderlich, um Frauen dauerhaft von ihren Beschwerden zu erlösen.
Wöckel: Fluch und Segen gleichzeitig. Informationen über den eigenen Körper sind wichtig und entscheidend. Aber: Viele Informationen in den Sozialen Medien sind natürlich nicht korrekt recherchiert. Studien werden nicht einwandfrei wiedergegeben oder fehlinterpretiert. Das kann zu großen Verunsicherungen bei den Patientinnen führen, umso wichtiger ist das klärende Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt.
Wöckel: Endometriose führt nicht zwangsläufig zur Unfruchtbarkeit, steigert aber deutlich die Wahrscheinlichkeit. In sehr ausgedehnten Fällen genügen teils fertilitäts-chirurgische Maßnahmen, zum Beispiel das Lösen von Verwachsungen. Bei schweren Formen der Endometriose wird häufig das Verfahren der In-vitro-Fertilisation (IVF) angewendet. (Anm. der Redaktion: Bei einer IVF werden in einem Reagenzglas einzelne Eizellen mit aufbereiteten Spermien zusammengebracht, damit es zu einer spontanen Befruchtung kommt.)
Wöckel: Weil die Ursache dieser Erkrankung unbekannt ist, ist sie bislang auch nicht heilbar – wohl aber sehr gut behandelbar. Die einzig gute Nachricht ist, dass die Krankheit mit den Wechseljahren meist verschwindet.