
Ins Altenheim? Das möchte Willibald K. unter keinen Umständen. „Lieber in eine Hundehütte!“, sagt der 84-Jährige resolut. Willibald K. liebt das Haus in Würzburg, das er 1980 selbst erbaut hat: „Hier gibt es keinen Stein, den ich nicht in den Händen gehabt hätte.“ Allerdings ist es für ihn und seine Frau nicht mehr ganz so einfach, in der Wohnung klarzukommen. Deshalb wandte sich Willibald K. im Juni an Ina Semmel, Leiterin der vor zehn Jahren gegründeten Wohnberatung der Stadt.
Willibald K. hat von sich aus schon einiges in der Wohnung verändert. Bett und Sofa sind aufgebockt, im Schlafzimmer hängt ein Galgen über der Bettseite seiner Frau Maria K., an dem sie sich morgens hochziehen kann. Auch der Toilettensitz wurde erhöht.
Das Duschen wird zum Balanceakt
Das Badezimmer bleibt jedoch weiterhin der neuralgischste Punkt in der Wohnung. „Die Dusche ist das große Problem“, schildert Willibald K. Denn die hat einen 20 Zentimeter hohen Einstieg. Außerdem ist sie so eng, dass er seiner Frau nur mit großer Mühe beim Duschen assistieren kann. Doch Maria K. ist auf Hilfe angewiesen, da sie sich aufgrund massiv eingeschränkter Beweglichkeit nicht mehr selbst waschen kann.
Willibald und Maria K. sind beide schwerbehindert. Willibald K. hat vier künstliche Gelenke, seine Frau zwei künstliche Kniee und eine Hüftprothese. Trotzdem bemühen sich die zwei, ihren Alltag alleine zu bewältigen. Willibald K. pflegt seine Frau, die noch eingeschränkter ist als er selbst. Doch inzwischen ist er an seine Grenzen gekommen. Das Duschen an jedem zweiten Tag wird zum akrobatischen Balanceakt. Beide klammern sich beim Ein- und Aussteigen aneinander fest. Würde einer ausrutschen, könnten beide schlimm stürzen. „Das ist viel zu gefährlich!“, konstatierte Ina Semmel gleich beim ersten Hausbesuch.
Hilfreiche Umbaumaßnahmen
Die Sozialpädagogin rät dem Ehepaar, die Badewanne, die beide schon seit Jahren nicht mehr benutzen können, aus dem Bad herauszureißen und eine große, barrierefreie Dusche mit einem Handlauf einbauen zu lassen. Dann hätte Willibald K. keinerlei Probleme mehr, seiner Frau beim Duschen zu helfen. Maria K. könnte sich in der Dusche bequem auf einen Hocker setzen oder sich mit dem Hygienestuhl in die Dusche rollen lassen. Ein unterfahrbares Waschbecken würde ebenfalls dazu beitragen, dass es das Ehepaar bei der Körperpflege einfacher hat.
Als städtische Wohn- und Wohnanpassungsberaterin gibt Ina Semmel nicht nur Tipps, wie Bade-, Schlaf- und Wohnzimmer barrierefrei umgebaut werden können. Sie begleitet die Maßnahmen auch bis zum Abschluss. „Das kann schon mal ein halbes Jahr dauern“, sagt die Sozialpädagogin, die ihr Büro im Würzburger Pflegestützpunkt hat.
Finanzielle Unterstützung seitens der Kassen
Die Begleitung umfasst vor allem auch Beratungsgespräche zu finanziellen Fragen. Viele ihrer Klienten haben kein Geld für Umbaumaßnahmen oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln. Sie sind auf die Zuschüsse von Pflege- und Krankenkasse sowie auf das zins- und tilgungslose Darlehen des Freistaats für Wohnungsanpassungen angewiesen. Bis zu 10 000 Euro können Menschen mit Schwerbehinderung nach einer Einkommensprüfung über die städtische Leistungsstelle für eine Umbaumaßnahme im eigenen Wohnraum erhalten.
Die Pflegekassen unterstützen Anpassungsmaßnahmen besonders intensiv, seit das Pflegestärkungsgesetz 2 in Kraft trat. Ist es doch politischer Wille, dass auch körperlich stark beeinträchtigte Senioren mit höherem Pflegegrad so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben. Bis zu 4000 Euro gibt es von den Kassen, um Türen zu verbreitern, barrierefreie Duschen ins Badezimmer oder Rampen vor den Eingangsbereich bauen zu lassen.
Eine der ersten Beratungsstellen
Nicht immer einfach ist es, die Krankenkassen dazu zu bewegen, Hilfsmittel wie Haltegriffe zu bezuschussen. Oft werden Anträge abgelehnt. In fast jedem dritten Beratungsfall hilft Ina Semmel derzeit, einen Widerspruch einzulegen.
Die Würzburger Wohnberatung ging im Jahr 2007 als eine der bayernweit ersten Beratungsstellen an den Start. Aufgrund ihrer langjährigen Expertise kann Ina Semmel gerade auch in kniffeligen Fällen Hilfe leisten. In ihrer Arbeit orientiert sich die Sozialpädagogin an den Qualitätsstandards der „Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung“. Was bedeutet, dass sie ohne irgendwelche Verkaufsinteressen berät. Semmel schlägt Produkte oder Geräte vor, allerdings keine Hersteller. Gleiches gilt für Dienstleistungen. So darf sich auch das Ehepaar K. frei aussuchen, wer für sie das Bad umbauen soll.