Dass er einmal 100 Jahre alt wird, hätte sich Emil Pötzl sicher nicht träumen lassen. Die Corona-Krise verhinderte jedoch die geplante große Geburtsfeier mit Familie und Freunden. Besuche im Pflegeheim Maininsel in Schweinfurt, wo er seit 2016 lebt, sind derzeit unmöglich. Umso mehr Briefe und telefonische Glückwünsche bekam der für seine Alter rüstige Senior.
Der am 5. Dezember 1920 im Sudetenland geborene Jubilar blickt auf ein wechselhaftes Leben zurück. Den Großteil hat er in Kirchheim verbracht, wo er, seit 1946 SPD-Mitglied, zu den Neugründern des SPD-Ortsvereins gehört. Da er schon 1935 den Jungen Pionieren beigetreten war, kann er auf 85 Jahre Mitgliedschaft zurückblicken.
Geboren als drittes von zehn Kindern ist er in Hetschigau, dem Tschechischen Hostickov, bei Marienbad aufgewachsen. Die Eltern führten dort eine Gastwirtschaft. Gleich zweimal waren sie gezwungen, von vorn anzufangen: In den 1920er Jahren enteignete sie der junge tschechoslowakische Staat, einen weiteren Versuch mussten sie in der Zeit der Wirtschaftskrise aufgeben.
Emil Pötzl besuchte in Zebau, dem Geburtsort der Mutter, die Bürgerschule. Hier wurde auf Tschechisch unterrichtet. Bis heute spricht der Jubilar sehr gut Tschechisch. In den Jahren 1935 bis 37 lernte er in Pilsen Hotelkaufmann, 1939 arbeitete er in dem damals bekannten Großcafe "Winkler" in Reichenberg/Liberec. Dort kam es zu einer schicksalhaften Begegnung: Er lernte Karl Herold kennen, den späteren Kirchheimer Bürgermeister und stellvertretenden Landrat des Landkreises Würzburg. Herold arbeitete dort als Koch.
Einen tiefen Einschnitt für den jungen Mann bedeutete der Kriegsbeginn: 1940 zunächst zum Reichsarbeitsdienst, wenig später zum Kriegsdienst eingezogen, nahm er am Serbien- und am Russlandfeldzug teil. Erst am 18. April 1945 endete für ihn der Krieg bei Berlin, verletzt durch Granatsplitter. Er kam ins Lazarett in Husum und englische Kriegsgefangenschaft.
Seit 1947 lebt er in Kirchheim, wo seine aus dem Sudetenland vertriebene Familie inzwischen untergekommen war. Seine Frau Hildegard lernte er 1950 beim Tanzen kennen. Mit den beiden Kindern Brigitte und Oswald zogen sie 1964 in ein eigenes Wohnhaus in der Friedenstraße.
Kirchheim wurde für Emil Pötzl zur Heimat. Als langjähriger Gemeinderat (1956-1984) und aktives Mitglied in vielen Vereinen hat der streitbare Sozialdemokrat die weitere Entwicklung des Orts mitbestimmt. Im Jahr 2015 wurde er zum Ehrenvorsitzenden des Ortsvereins ernannt. Zu den Gratulanten gehört auch der SPD-Kreisvorsitzende Volkmar Halbleib, der sein stets am Wohl der Menschen orientiertes Handeln herausstellte.
Arbeit fand Emil Pötzl 1952 als Angestellter der Stadt Würzburg im Flüchtlingslager in Heidingsfeld. Als Flüchtlingsobmann und Lagerverwalter kümmerte er sich um die hier unter schwierigen Bedingungen untergebrachten Flüchtlinge aus den Ostgebieten. Von 1954 bis 1962 war er für die Regierung von Unterfranken Lagerverwalter und stellvertretender Lagerleiter für die Flüchtlinge aus der Sowjetzone in Aub und im Aussiedlerlager Gelchsheim, anschließend bis 1977 als Sachbearbeiter in der Hausmittelbewirtschaftung des Bundes sowie Verwaltungsleiter der Katastrophenschutzzentralwerkstatt in Würzburg.