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WÜRZBURG
„Eisenmann“ mit über 70
Eine Sportler-Legende: Gunther Dihsmaier lebt für den Triathlon, war schon bei Weltmeisterschaften erfolgreich – und trainiert mit 71 Jahren für den nächsten Ironman.
Dihsmaier       -  Athletisch mit 71: Gunther Dihsmaier beim Training am Main. Bei der Ironman-WM auf Hawaii wurde er Altersklassen-Dritter.
Foto: Thomas Obermeier | Athletisch mit 71: Gunther Dihsmaier beim Training am Main. Bei der Ironman-WM auf Hawaii wurde er Altersklassen-Dritter.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:50 Uhr
Für die einen ist er ein Mythos: 3,86 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer radfahren, 42,195 Kilometer laufen. Der „Ironman“, der Eisenmann-Triathlon. Für andere ist er eine sportliche Selbstverständlichkeit. Der enorme Trainingsaufwand – er gehört für diese Athleten zum Alltag. So für den Würzburger Gunther Dihsmaier. Letztes Jahr wurde er in seiner Altersklasse WM-Dritter auf Hawaii. Und mit 71 Jahren ist für den Rentner noch lange nicht Schluss. Sport als ewiger Jungbrunnen?

Dihsmaier schaut zurück auf eine über 20-jährige Ironman-Karriere mit 33 Starts. Mehrere Streckenrekorde hat er dabei hingelegt. 2014 schaffte er bei der Europameisterschaft in Frankfurt den Sieg in seiner Altersklasse, eine Jahresbestzeit und mit 12:35 Stunden die schnellste Zeit der über 70-Jährigen. Seine persönliche Marathonbestzeit ist mit 2:28 Stunden Respekt einflößend. Während er im Redaktionsbüro ruhig über seinen Sport und sein Leben erzählt, wird spätestens beim Bildtermin am Main klar: Der Mann ist ein Energiebündel, drahtige Figur, muskulöser Antritt. Das Alter – wie weggelaufen.

Doch der Preis ist hoch. Dihsmaiers Fitness „kostet“ ihn derzeit 24 Stunden Training pro Woche. „Das halte ich aus, mit etwas Athletik dazu. Zum Glück habe ich keine Beschwerden.“ Mit dem Rennrad dreht er von Unterdürrbach aus seine Tagesrunden über 160 bis 170 Kilometer, entweder nach Bischofsheim (Rhön), wenn's hügelig sein soll, oder am Main entlang nach Marktheidenfeld und zurück. Laufend ist Gunther Dihsmaier ebenfalls am Main, in den Weinbergen oder im Wald Richtung Günthersleben anzutreffen. Seine Schwimmeinheiten absolviert er normalerweise zur Mittagszeit im Wolfgang-Adami-Bad.

Wer so viel Sport treibt wie der bis 2007 selbstständige Statiker, braucht eine Familie mit viel Verständnis dafür. Dihsmaier hat sie. Vielleicht auch, weil er sie mit seiner Besessenheit nicht terrorisiert hat. Er halte den Sport bewusst aus der Familie heraus, sagt der gebürtige Niederösterreicher, der als Kind mit seinem Vater nach Wertheim kam und dort seine Jugend verbrachte. Ein Trophäenzimmer hat er nicht, im Haus hängen keine Urkunden oder Medaillen. „Die sind in einer Kiste im Keller“, schmunzelt der 71-Jährige.

Seine Erfolge braucht er nicht für den Schaukasten, sondern für die Seele. Er hat Disziplin, Ansprüche an sich selbst – doch auf seine Frau oder die drei Töchter wollte er sie nie übertragen. „Das hätte sie sonst erdrückt.“ Sie sollten ihren eigenen Zugang zum Sport finden. Dihsmaier weiß, dass er selbst einen ziemlich extremen hat. Im Wettkampf, sagt er offen, lebe er seine Aggression aus. Er hat mitgerempelt, wenn es sein musste, hatte Biss, wollte gewinnen – „nur dabei sein, das hat für mich nie gegolten.“

Gunther Dihsmaier ist ein streitbarer Mensch, ein Einzelkämpfer, hart zu sich selbst. Und warum? Wem muss er etwas beweisen? Da kommt der Senior-Sportler ins Grübeln. „Zwischen 40 und 45“, sagt er heute, „sollte man die Schraube im Sport zurückdrehen und sich noch andere Aktivitäten suchen.“ Dihsmaier selbst hat den Zeitpunkt verpasst. Er ist in seinem Gleis geblieben, hat immer weitergemacht, beflügelt von seinen Ironman-Erfolgen. Und wurde er in gewisser Weise abhängig von dieser Anerkennung, vom Adrenalin, von den großen Gefühlen und von den Qualen, die nicht ausbleiben. Auch mit 71.

Immerhin: Er kann distanziert auf sich selbst blicken, sich analysieren. Dass er auf diesem hohen Niveau noch Sport treiben kann, macht ihn glücklich – trotz erschwerter Umstände. Dihsmaier lebt von einer bescheidenen Rente. Mehrere hundert Euro Startgebühr kostet eine Ironman-WM in Hawaii, dazu Flug und Unterkunft. Selbst die Anschaffung neuer Laufschuhe sind für den Unterdürrbacher eine größere Investition. Er bräuchte Sponsoren, die sich über ihn und seine guten Platzierungen präsentieren wollen.

Gunther Dihsmaier wurde nichts geschenkt im Leben. Zehn Geschwister hat er, die Eltern trennen sich, dann der Umzug 1954 mit dem Vater nach Wertheim. Er lernt das Maurer-Handwerk, arbeitet einige Jahre auf dem Bau. Dann trifft er seine spätere Frau Adelheid (aus Retzstadt), die beiden heiraten, ziehen nach Versbach, 1968 nach Unterdürrbach. Dihsmaier will weiterkommen, am Würzburger Polytechnikum (heute Fachhochschule) studiert er Bauingenieurwesen.

Selbstdisziplin gehörte immer zu seinem Leben, genauso wie der Sport: „Der war immer da.“ Schon als Bub in Wertheim kommt er zum Ringen, als Leichtesten kann man ihn im Bantamgewicht gut gebrauchen. Aber Dihsmaier wollte sich schon damals nicht auf eine einzige Sportart fixieren. Als Jugendlicher gewinnt er schon in Wertheim ein Radrennen, in der Leichtathletik ist er auf der Mittelstrecke gut dabei. Den Weg zu einem Mannschaftssport findet der Einzelkämpfer nicht.

Wem muss er etwas beweisen? Natürlich auch dem österreichischen Verband, für den er bei Nationenwertungen immer noch antritt. Vor allem aber „ist es die Erwartungshaltung mir selbst gegenüber“, sagt der 71-Jährige abgeklärt. Er weiß, dass er nach langen Trainingstagen mental leer und ein schlechter Gesprächspartner ist. Seine Frau, seine Familie muss damit umgehen. Aber immerhin ist das Training nicht immer gleich intensiv, Dihsmaier versucht zu „periodisieren“ – Phasen einzulegen, die mehr seinen Nächsten, als seinem Sport gehören.

Seit März steht der Rentner wieder voll im Training – mit 330 Kilometern auf dem Rad, 55 Kilometer Laufen und 18 Kilometer Schwimmen pro Woche. Nur die vierte Woche im Monat wird regeneriert – bei halbem Umfang. Ansonsten wird gesteigert bis zwei Wochen vor dem nächsten Wettkampf. Das ist am 28. Juni der Ironman in Klagenfurt. Dort könnte man sich qualifizieren, für eine weitere WM auf Hawaii. Mit 71 braucht man schließlich noch Ziele.

 
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