„Ob im Supermarkt oder im Straßenverkehr, überall trifft man auf gestresste und gereizte Leute“, meint der Gadheimer Gärtnermeister Rainer Funk. Jeder kämpft mit seinen Alltagssorgen. Jeder jagt der Zeit hinterher. Gleichzeitig wächst die Sehnsucht nach Orten, wo man einmal abschalten kann. Ein solcher Ort soll der „Garten der Muße“ werden, den Rainer Funk gerade mit seinen 19 Auszubildenden aus dem Bildungswerk der Caritas Don Bosco gGmbH für die Landesgartenschau realisiert.
Seit genau 15 Jahren arbeitet Rainer Funk in einem besonderen Lehrbetrieb: Im Veitshöchheimer Ortsteil Gadheim, wo die Caritas Don Bosco gGmbH verschiedene Ausbildungsberufe anbietet, bringt er benachteiligten jungen Menschen den Umgang mit Zierpflanzen und Gemüse bei. Die Einrichtung ist unterfrankenweit einmalig. Nirgendwo sonst in der Region können sich Jugendliche, denen das Lernen schwerfällt oder psychische Probleme haben, für den Beruf des Zierpflanzengärtners fit machen. Die Azubis kommen oft von weit her. Elisa Kahnbach zum Beispiel zog im September 2015 von Erfurt nach Gadheim, um bei Rainer Funk in die Lehre zu gehen.
Was ein Zierpflanzengärtner macht
Die 19-Jährige gefällt die Idee, auf dem LGS-Gelände eine 150 Quadratmeter große Oase zu schaffen, wo man einfach nur genießen kann. „Für mich persönlich ist die Natur sehr wichtig, um zur Ruhe zu kommen“, meint die junge Frau, die aufgrund von Konzentrationsschwierigkeiten und familiären Konflikten nur einen Hauptschulabschluss geschafft hat. In Gadheim, fernab von allem, was sie bis dahin gestresst hat, entdeckte sie, welche Talente in ihr stecken. „Sie ist eine wirklich gute, engagierte Auszubildende“, lobt Meister Rainer Funk.
Während der Landesgartenschau wird Elisa Kahnbach oft vor Ort sein und den Besuchern zeigen, was sich hinter dem Beruf des „Zierpflanzengärtners“ verbirgt. Dies geschieht in einem Bereich des „Gartens der Muße“, der von einem schmiedeeisernen Zaun umgeben ist. Hier wird ein hölzerner Arbeitstisch stehen, an dem zum Beispiel Pflanzen ein- und umgetopft werden können. Elisa Kahnbach kann Neugierigen aber auch die Namen aller Pflanze nennen, die an den Rankgerüsten im „Garten der Muße“ für Farbtupfer sorgen werden. Zum Beispiel die „Schwarzäugige Susanne“ oder die Klettergloxinie.
Hochbeet mit Gemüse
Höhepunkt im „Garten der Muße“ werden zwei ellipsenförmige Hochbeete aus angerostetem Stahlblech sein. „Hochbeete werden immer wichtiger, weil sich zunehmend mehr ältere Menschen gärtnerisch betätigen“, erklärt Funk. Der „Garten der Muße“ zeigt, dass solche Beete nicht nur aus hölzernen Kästen bestehen müssen. Was Form und Material anbelangt, sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Bepflanzt werden die Hochbeete mit originellen Gemüsesorten. Die Besucher erfahren zum Beispiel, dass „Kopfsalat“ nicht gleich „Kopfsalat“ ist. Unter anderem wird die neue Züchtung „Salanova“ vorgestellt. Der „Salanova“ eignet sich hervorragend für gestresste Menschen, die sich gesund ernähren wollen. Funk: „Man muss nur den Strunk abschneiden, dann fällt der Salat auseinander.“ Das mühsame Putzen bleibt Salatliebhabern mit wenig Zeit also erspart.
120 Auszubildende in Gadheim
In Gadheim werden nicht nur Zierpflanzengärtner ausgebildet. Insgesamt 120 Jugendliche, die unter anderem an Autismus, ADHS und Depressionen leiden, teilweise aber auch aus Gewalt- oder Suchtfamilien stammen, durchlaufen hier eine Werkerlehre. Ins Projekt „Garten der Muße“ sollten dem Konzept zufolge möglichst viele Berufe integriert werden. Was auch gelungen ist.
Junge Garten- und Landschaftsbauer befestigen die Wege und fassen die Beete ein. Die Hochbauer kreierten einen Brunnen aus drei Stelen, der beruhigend vor sich hin plätschern wird. Die Metaller gestalteten die Einfassung der Hochbeete mit angerostetem Stahlblech. Die Jugendlichen aus dem Elektrobereich sind für die elektrischen Anschlüsse zuständig.
Schwierige Jobsuche
An jedem zweiten Tag will Rainer Funk mit seinen Azubis vor Ort auf dem LGS-Gelände präsent sein. Elisa Kahnbach freut sich darauf, mit den Besuchern in Kontakt zu kommen, auch wenn sie das anfangs sicher etwas Überwindung kosten wird: „Denn ich bin eigentlich ziemlich schüchtern.“ Und doch möchte sie sich auf dieses Abenteuer einlassen. Nicht zuletzt, um auf die Situation des Zierpflanzenbaus aufmerksam zu machen.
Der Branche geht es nämlich gar nicht gut. „Immer mehr kleinere Betriebe geben auf“, bestätigt Funk. Das macht die Jobsuche für die jungen Menschen aus Gadheim schwierig. Auch Elisa Kahnbach weiß noch nicht, wie es im Sommer für sie weitergehen wird.