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WÜRZBURG
Eine Privatinitiative bietet erlesene Unterhaltung
Lesen und lesen lassen: Im Herbst gibt's im Saalbau Luisengarten wieder Veranstaltungen mit (Bestseller-)Autoren.DPA
Foto: Foto: | Lesen und lesen lassen: Im Herbst gibt's im Saalbau Luisengarten wieder Veranstaltungen mit (Bestseller-)Autoren.DPA
Alice Natter
 |  aktualisiert: 18.04.2016 15:21 Uhr

Ob Du es glaubst oder nicht: Wolf Haas kommt. Bald beginnt die neue Staffel der Reihe „Literatur Deluxe“ – eben mit dem vielgerühmten Wolf Haas, dessen neuer Brenner-Roman eben erschienen ist. Was aber ist „Literatur Deluxe“? Seit dem Jahr 2007 organisiert der Wahl-Würzburger Kim Girschner unter diesem Titel Autoren- und Schauspieler-Lesungen im Saalbau Luisengarten. Girschner, geboren in Vietnam, ist Unternehmensberater und Inhaber einer Trekking- und Outdoorfirma in München. Lesungen zu organisieren ist quasi sein Hobby.

Frage: Herr Girschner, ist Literatur Luxus?

Kim Girschner: Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Als Sozialwissenschaftler würde ich sagen, gesamtgesellschaftlich gesehen ist Literatur Sinn stiftender Luxus. Gleichzeitig sollte der Zugang zu Literatur jedem und uneingeschränkt möglich sein. Unabhängig vom persönlichen Einkommen. Darum sind wir seit diesem Herbst auch Unterstützer der Würzburger Kulturtafel.

Sinn stiftend und für jeden – heißt Ihre Veranstaltungsreihe deshalb so?

Girschner: Literatur Deluxe nennen wir unsere Veranstaltungsreihe vor allem deshalb, weil die meisten der von uns eingeladenen Künstler keine „klassischen Lesungen“ abhalten, sondern die Präsentation ihrer Texte regelmäßig zu einer eigenen Kunstform erheben.

Literatur Entertainment Deluxe heißt das ganze Projekt – ist die Unterhaltung das oberste Ziel?

Girschner: Eindeutig ja. Es geht um kurzweilige aber intelligente Unterhaltung. Im Idealfall begegnen uns ausschließlich fröhliche und zufriedene Menschen nach den Veranstaltungen. Die meisten unserer Gäste sind der Pop-Literatur zugeneigt. Wir laden aber auch immer wieder gerne Schauspieler und Schauspielerinnen ein, die sich in der Interpretation von ernsteren Texten versuchen. Die Veranstaltungen trotz dessen einem anderen Ziel unterzuordnen als der Unterhaltung würde uns in einen Kontext bringen, den wir definitiv nicht anstreben.

Mal zu den Anfängen: Seit wann gibt es Literatur Deluxe? Wie kam’s dazu? Wer steckt dahinter?

Girschner: Begonnen hat alles mit einem Unfall. Als ich im Jahr 2006, kurz nach den bayerischen Meisterschaften, mit meinem Gleitschirm abgestürzt bin, hatte ich während der Reha viel Zeit darüber nachzudenken welche weniger gefährlichen Interessen ich zukünftig in meiner Freizeit verfolgen könnte. Die Organisation und Steuerung von Veranstaltungen habe ich schon immer gerne gemacht. Hinter Literatur deluxe stecken nur ein Literaturagent, meine Frau und ich.

Das Kulturprojekt gibt es in mehreren Städten – wie kam es nach Würzburg?

Girschner: Besagter Literaturagent ist ein alter Schulfreund von mir, der diese Initiative zu dieser Zeit in Göttingen und Hamburg betreut hat. Er ermunterte mich dazu Veranstaltungsmöglichkeiten und Kooperationspartner in Würzburg auszuloten. Schnell waren Veranstaltungspartner wie eine Buchhandlung, eine Druckerei und ein Hotel gefunden. Auch der Saalbau Luisengarten, damals noch unter der Ägide der evangelischen Kirche und gerade frisch renoviert, hat sich nach der Standortanalyse als idealer Ort für Veranstaltungen dieser Art entpuppt. Bis heute unterstützen uns alle Partner, jeder auf seine Art und Weise, perfekt. Dies ist deshalb erwähnenswert, da ich von Anfang an gesagt habe, wenn es nicht funktioniert, dann lassen wir es. Bei diesem Projekt haben im wahrsten Sinne des Wortes die Besucher mit ihren Füßen entschieden, dass es bis heute fortgesetzt wird.

Haas, Hacke, Klüpfel und Kobr? Wie kommt man an die ran? Wie holt man die als Privatinitiative nach Würzburg?

Girschner: Ein gut vernetzter Literaturagent, der einen nicht geringen Anteil der von uns präsentierten Künstler persönlich kennt und zum Teil auch vertritt, kann da sehr nützlich sein.

Aber Privatinitiative – was heißt das genau? Entsteht das Programm auf dem heimischen Sofa? Im Freundeskreis?

Girschner: Privatinitiative heißt privat initiiert. Natürlich steht das Projekt wirtschaftlich und rechtlich gesehen auf einem soliden Fundament. Das unternehmerische Risiko ist aber überschaubar. Zumal privat heißt: Trotz engem Kontakt zum Kulturreferat kommen wir komplett ohne Fördermittel aus dem ohnehin begrenzten „Kulturtopf“ aus. Das sehen wir durchaus positiv. Zum einen bleiben mehr Mittel für andere Initiativen, zum anderen sind wir, bei völlig freier Programmgestaltung, zu keiner Rechenschaft pflichtig. Das Programm entsteht tatsächlich auf dem heimischen Sofa.

Blick in die Anekdoten-Kiste: An welche Lesung erinnern Sie sich besonders gern?

Girschner: Also da gibt es bestimmt einige. Etwa die besonderen „Zugaben“ von Harry Rowohlt oder Wiglaf Droste, der unglaubliche Hype bei Charlotte Roches erster Lese-Tour zu „Feuchtgebiete“, das Abendessen mit Rafik Schami nach einer „Weihnachtslesung“ oder die „Familientreffen“ mit der Titanic Boygroup. Rückblickend und nach inzwischen über 60 Veranstaltungen erinnere ich mich natürlich ganz besonders gerne an die Allererste. Hannelore Hoger und der Pianist Siegfried Gerlich. Lange im Voraus ausverkauft. Da wussten wir: Würzburg ist bereit.

Apropos bereit: Wie ist eigentlich das Interesse der Würzburger? Ist die Stadt Literatur-freundlich?

Girschner: Von der Angebotsseite her würde ich sagen ja. Verschiedene Veranstaltungsreihen wie die Literatur Lounge, die Lesungen vom Universitätsbund, des Autorenkreis Würzburg und natürlich der „Literaturherbst“ haben sich, genau wie wir, in ihrer jeweiligen Nische eingerichtet und jede für sich ist auch absolut wichtig. Was das Interesse der Würzburger an Literatur anbelangt so kann ich, aus eigener Erfahrung, nur für unsere Veranstaltungen im Luisengarten sprechen.

Und was sagt die Erfahrung?

Girschner: Räumlichkeiten dieser Größenordnung sind nur von einer begrenzten Anzahl an Autoren und Künstlern wirtschaftlich sinnvoll bespielbar. Das führt dazu, dass bei einem Teil unseres Stammpublikums, trotz großem Interesse, eine gewisse Sättigung eingesetzt hat. Gerne würden wir daher mehr neue und gleichzeitig erfolgreiche Künstler präsentieren, was aber nicht ohne Weiteres möglich ist. Es wird zunehmend schwieriger, eine ausgewogene Mischung von etablierten und neuen Gästen zusammen zu stellen.

Sorry, die Frage muss sein: Rechnet sich das?

Girschner: Wir arbeiten aufs Jahr gesehen Kosten deckend. Ein positiver Ertrag steht nicht im Vordergrund. Unser Erfolg wird durch eine große Nachfrage und einen vollen Saal definiert. So betrachtet ist Literatur wohl doch Luxus?

War die Reihe von Anfang an im Luisengarten?

Girschner: Ja, die Vorgaben bei der Suche nach einem geeigneten Veranstaltungsraum waren: zentrale Lage, ansprechendes Ambiente und Kapazität für bis zu 400 Besucher bei flexibler Raumgestaltung. Diese Kriterien hat zu diesem Zeitpunkt in Würzburg der Saalbau Luisengarten ideal erfüllt.

Wie ist derzeit die Situation? Wie lange können Sie dort noch die Lesungen veranstalten? Und was dann?

Girschner: Wir planen in Abstimmung mit dem Betreiber bis zum Ablauf seines Pachtvertrages Ende 2015 ganz normal weiter. Auch im nächsten Jahr werden wir Veranstaltungen im Saalbau durchführen. Die Zukunft danach ist leider noch ungewiss. Zur Zeit sondieren wir alternative Spielstätten und sind selber gespannt auf die Entwicklung. Wenn es nicht mehr funktioniert, dann lassen wir es. Allerdings würde die vielseitige Würzburger Kulturlandschaft dadurch sicher einen schönen Aspekt verlieren.

Heißt das: Die Lage ist kritisch?

Girschner: Unsicher wäre eine bessere Beschreibung. Literatur Deluxe ist und bleibt ein Hobby von mir.

Wie sieht denn Ihr Wunsch-Veranstaltungsort aus? Gibt es so einen hier?

Girschner: Die Kriterien an einen für uns idealen Veranstaltungsort sind die Gleichen wie bisher. Wir bedauern sehr, dass es bisher keine endgültige Entscheidung zur weiteren Zukunft des Saalbau Luisengarten gibt und wünschen uns, dass sich der Eigentümer diesbezüglich bald äußern wird. Es wäre sehr schade, wenn dieser Ort für die Durchführung von Kulturveranstaltungen verloren ginge. Der Luisengarten ist aktuell der einzige Veranstaltungsort dieser Größenordnung bei gleichzeitig zentraler Lage, vergleichbarem Ambiente und hoher Flexibilität in der Nutzung.

Welchen Autor wollen Sie unbedingt noch mal nach Würzburg holen?

Girschner: Alexander Kluge. Großartiger Filmemacher, Schriftsteller und Theoretiker.

Zum guten Schluss: Welches Buch liegt bei Ihnen derzeit auf dem Nachttisch?

Girschner: Ganz ehrlich? Ein Hawaii-Reiseführer.

Literatur Deluxe: Im Saalbau Luisengarten wird bald wieder gelesen. Am 20. Oktober kommt Wolf Haas, am 16. November Axel Hacke, am 24. November Andreas Altmann, am 1. Dezember Katrin Bauerfeind.

Karten für die Lesungen, die jeweils um 20 Uhr beginnen, gibt's bei Hugendubel und im Falkenhaus, Tel. (0931) 37 23 98.

Zum Vergnügen: Kim Girschner organisiert die Lesungen im Saalbau Luisengarten.GIRSCHNER
Foto: Foto: | Zum Vergnügen: Kim Girschner organisiert die Lesungen im Saalbau Luisengarten.GIRSCHNER
 
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